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Pflanzenzucht – Zuchtziele im Wandel der Zeit Pflanzenzüchtung

Pflanzenzüchtung ermöglicht erhebliche Ertrags- und Qualitätssteigerung und macht Pflanzen widerstandsfähig gegen Krankheiten, Schaderreger und Umwelteinflüsse. Die Zuchtziele haben sich im Lauf der Zeit verändert und können heute dank moderner Methoden deutlich schneller erreicht werden.

Weizen wird heute züchterisch beispielsweise im Hinblick auf Pilztoleranz und Anpassungen an den Klimawandel bearbeitet. Quelle: Catrin Hahn

Züchtung – also die bewusste Auswahl und Kreuzung von Pflanzen, um Nachkommen mit erwünschten Eigenschaften zu erzeugen – verfolgte in ihrer zwölf Jahrtausende anhaltenden Geschichte eine wachsende Anzahl von Züchtungszielen. Je präziser und ausgefeilter die Züchtungsmethoden wurden, desto schneller und genauer können diese Züchtungsziele verwirklicht werden.

Veränderung der Zuchtziele mit fortschreitender Technisierung

Jahrtausendelang war der Ertrag das Hauptziel der auf Selektion basierenden Züchtung. Mitte des 18. Jahrhunderts läuteten der Berliner Apotheker und Chemiker Andreas Sigismund Marggraf und sein Schüler Franz Carl Achard schließlich eine neue Ära ein: Die Züchtung auf Inhaltsstoffe. Innerhalb kurzer Zeit schaffte es Achard, per Auslesezüchtung aus kaum zuckerhaltigen Runkelrüben Sorten mit vielfach höherem Zuckergehalt zu selektieren – die Zuckerrübe war geboren.

Im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert läutete die Entdeckung der Mendelschen Regeln und zahlloser weiterer naturwissenschaftlicher und technischer Innovationen das Jahrhundert der Grünen Revolution ein. Bald arbeitete die Züchterbranche neben der Ertragssteigerung an qualitativen Eigenschaften wie den Inhaltstoffen sowie der Widerstandsfähigkeit gegen Schaderreger, Krankheiten oder Umwelteinflüsse. Etwa ab den 1980er Jahren kamen mit den neuen Nutzungsbereichen erneuerbare Energie und Bioökonomie die Zucht auf eine gute energetische und stoffliche Verwertung hinzu.

Zuchtziele

  • Ertrag,
  • Qualität der Ernteprodukte hinsichtlich Inhaltsstoffen, Geschmack oder Haltbarkeit,
  • Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten, Schädlinge und Umweltstress,
  • agronomische Eigenschaften wie Winterfestigkeit, Frühreife oder Pflanzenlänge.

Beachtliche Innovationsbilanzen

Die meisten unserer heutigen großen Ackerbaukulturen haben eine erstaunliche Reise hinter sich: oft von anderen Kontinenten stammend, sind sie aus Wildformen hervorgegangen, mit denen sie heute auch optisch wenig verbindet.

Auch Zuckerrüben haben eine erfolgreiche Entwicklung hinter sich. Heutige Zuckerrübensamen sind monogerm, aus einem Samen wächst also nur noch eine Pflanze. Quelle: Catrin Hahn

Eine beeindruckende Innovationsbilanz zeigt die bereits erwähnte Zuckerrübe: Zwar waren die Zuckergehalte züchterisch deutlich gesteigert worden, doch der Anbau war immer noch sehr arbeitsaufwendig. Denn aus einem Samenkorn entwickelten sich mehrere Pflanzen, die mühsam vereinzelt werden mussten. Erst die Entdeckung monogermer Sorten durch amerikanische Züchter, der die Zulassung der ersten monogermen Sorte in Deutschland im Jahr 1966 folgte, und schließlich die dank Hybridzüchtung bald sprunghaft ansteigenden Erträge machten die Zuckerrübe zu unserem heutigen Leistungsträger.

Auch der Raps hat eine ähnliche Entwicklung hinter sich: Lange Zeit war er eine kaum nutzbare Pflanze, deren Öl nur als Lampenöl oder Schmierstoff diente. Doch 1965 begannen deutsche Züchter, zwei Inhaltsstoffe züchterisch zu entfernen, nämlich die bittere Erucasäure und die für Tiere unverträglichen Glucosinolate. Alsbald stand Raps mit seinen Verarbeitungsprodukten Öl und Presskuchen als hochwertiges, gesundes und bekömmliches Lebens- und Futtermittel zur Verfügung – und der Anbau nahm rasch zu. Auch hier führte die Hybridtechnologie ab Mitte der 1990er Jahre zu weiteren sprunghaften Leistungsverbesserungen.

Die aus Mittelamerika stammende Kartoffel hat es sogar in die Geschichtsbücher geschafft, als durch den Schadpilz Phytophthora infestans, dem Erreger der Kraut- und Knollenfäule, verursachte Missernten Mitte des 19. Jahrhundert vor allem in Irland eine Million Todesopfer forderten. Dem Pilz ist bis heute nur durch chemischen Pflanzenschutz beizukommen, ein anderer Schaderreger konnte jedoch erfolgreich züchterisch bekämpft werden: die Nematoden. Die aus Südamerika eingeschleppten Fadenwürmer ließen zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Deutschland die Kartoffelerträge um bis zu 80 % einbrechen. Aus einer Wildform, der die Nematoden nichts anhaben konnten, wurde schließlich eine Resistenz eingekreuzt. Seit den 1970er Jahren sind marktrelevante Sorten verfügbar, die heute auf über 90 Prozent der Anbaufläche wachsen.

Der Mais hat eine erstaunliche Entwicklung vom unscheinbaren Gras zur heutigen Hochleistungspflanze durchlaufen. Quelle: Catrin Hahn

Eine züchterisch besonders weite Reise hat der Mais hinter sich: Von den Ureinwohnern Mittelamerikas vor Tausenden von Jahren aus einem unscheinbaren Gras entwickelt, blieb er in Europa lange Zeit eine Nischenkultur. Erst in den 1960er Jahren konnten Züchter die Kälteverträglichkeit verbessern. Die Anbaufläche wuchs und dehnte sich nach Norden aus. Und wieder sorgte die Hybridzüchtung für deutliche Ertragssteigerungen.

Auch unser Brotgetreide Nummer eins, der Weizen, hat eine solche Erfolgsbilanz vorzuweisen. Dass unsere heutigen Qualitätssorten hohe Erträge erbringen und zugleich den Anforderungen von Bäckern und Verbrauchern genügen, ist kein Zufall: Kornertrag und Backqualität sind eigentlich negativ korreliert. Intensiver Züchtungsarbeit ist es zu verdanken, dass wir seit den 1970er Jahren über ertragreiche Weizensorten mit höchster Backqualität verfügen.

Viele neue Züchtungsaufgaben

In ackerbaulichen Grenzregionen ist die Widerstandsfähigkeit gegenüber widrigen Umweltbedingungen schon länger Bestandteil des Züchterkanons. Doch inzwischen ist die Bewältigung des Klimawandels auch in Mitteleuropa eine wichtige Aufgabe der Züchtungsforschung. So stehen Dürreresistenz, Hitze- und Salzverträglichkeit sowie Toleranz gegenüber neu zugewanderten Krankheiten und Schaderregern auch bei uns auf dem Aufgabenzettel der Züchtungsforscher.

In Mitteleuropa erfordern der Trend zu einerseits höher verarbeiteten Convenience-Produkten und andererseits veränderten Ernährungsgewohnheiten, wie beispielsweise vegetarische, vegane oder glutenfreie Ernährung, Innovationen in bisher ungekanntem Tempo. So bereichern neue und ganz oft auch alte Kulturen die Anbaupläne: Soja, Urgetreide wie Dinkel, Emmer und Einkorn oder die im konventionellen Anbau länger vernachlässigten Leguminosen. Sie alle werden für eine erfolgreiche ackerbauliche Nutzung züchterisch bearbeitet.

Allerdings bedeutet jedes neu aufgenommene Zuchtziel, in einer Sorte verschiedene, oft negativ korrelierte Eigenschaften zu kombinieren und somit bereits erreichte Zuchtziele negativ zu beeinflussen. So waren kurzstrohiger Weizen oder Zuckerrüben mit Toleranzen gegen Rizomania, Nematoden oder Blattkrankheiten anfangs deutlich ertragsschwächer. Doch dank intensiver Forschungsarbeit sind Kurzstrohsorten heute hoch ertragreich und rizomania- und nematodentolerante Zuckerrüben gehören zu den Besten in Ertrag und Zuckergehalt.

Schneller Zuchtfortschritt durch neue Züchtungsmethoden?

Neue Züchtungsmethoden wie die Genschere CRISPR/Cas könnten den Zuchtfortschritt deutlich beschleunigen. Der Europäische Gerichtshof urteilte im Juli 2018, dass die neuen Züchtungstechniken unter das Gentechnikrecht fallen. Damit sind die Vorgaben in der Europäischen Union besonders streng.

Um das Potenzial der modernen Züchtungstechniken zu untersuchen haben knapp 60 meist mittelständische deutschen Pflanzenzuchtunternehmen unter Leitung der Gemeinschaft zur Förderung von Pflanzeninnovation e.V. (GFPi) 2020 ein ambitioniertes Projekt gestartet. Im Forschungsvorhaben Pilztoleranz von Weizen mittels neuer Züchtungsmethoden (PILTON) sollen mithilfe der Genschere CRISPR/Cas9 Weizensorten mit verbesserter, multipler und dauerhafter Pilztoleranz entwickelt werden. Durch gezielte Mutagenese sollen in wesentlich kürzeren Zeiträumen Pflanzen erzeugt werden, die auch durch klassische Kreuzung und Selektion gezüchtet werden können.

Zuchtgarten eines Rapszüchters. Für die Hybridzüchtung, hier bei Raps, werden sterile Mutterlinien mit fruchtbaren Vaterlinien gekreuzt. Die Nachkommen sind dank des Heterosiseffektes deutlich leistungsfähiger. Quelle: Catrin Hahn

Der Plan: Mit einem präzisen Eingriff in die Weizen-DNA soll ein Gen ausgeschaltet werden, das die natürlich vorhandenen Schutzmechanismen der Pflanze gegen Schadpilze herunterreguliert. Das Ergebnis ist keine transgene Pflanze, sondern könnte auch durch zufällige (natürliche) Mutationen entstehen. Die ersten Pflanzen wachsen schon im Gewächshaus, die Wirksamkeit des Eingriffs wird derzeit überprüft. Da die Technologie als Gentechnik eingestuft ist, sind für die anschließend notwendigen Versuche im Feld genehmigungspflichtige Freisetzungen nötig. Seit 2013 gab es in Deutschland keine Freisetzungsversuche genetisch veränderter Pflanzen. In den Vorjahren war es vermehrt zu Protesten gegen und der Zerstörung von Versuchsflächen gekommen. Daher ist ein erklärtes Ziel von PILTON, einen Beitrag zur gesellschaftliche Diskussion rund um das Thema grüne Gentechnik zu liefern.

Doch wie steht die Bevölkerung insgesamt zur Pflanzenzüchtung? Eine Umfrage zum Thema Pflanzenzüchtung des Markt- und Meinungsforschungsinstituts Kantar, die im Auftrag des Bundesverbands Deutscher Pflanzenzüchter (BDP) durchgeführt wurde, zeigte, dass drei Viertel der Befragten sich nicht hinreichend über Pflanzenzüchtung informiert fühlen. Während Kreuzung und Auslese überwiegend als notwendig für die Entwicklung neuer Pflanzensorten angesehen werden, hält über die Hälfte der Befragten Gentechnik für eine verzichtbare Methode.

Die Pflanzenzüchtung wird bei der Bewältigung zukünftiger Herausforderungen, wie der Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung oder der Anpassungen an den Klimawandel, ein wichtiges Forschungsfeld bleiben. Offen ist derzeit noch, welche züchterischen Methoden dabei zum Einsatz kommen sollen.

Letzte Aktualisierung 25.11.2020

Pflanzenzucht - Methoden

Durch gezielte Züchtung werden aus wilden Pflanzen an die Bedürfnisse des Menschen angepasste Kulturpflanzen. Die eingesetzten Züchtungsmethoden haben sich von der händischen Auslese zu hoch technisierten Verfahren weiterentwickelt.

Züchterlandschaft in Deutschland

Die Pflanzenzüchter in Deutschland weisen eine einmalige Struktur mit einer Vielzahl mittelständischer Unternehmen auf. Eine innovative und schlagkräftige Züchterlandschaft ist im Hinblick auf den Klimawandel, das Wachstum der Weltbevölkerung und der Forderung nach mehr Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft existenziell notwendig.

Sortenschutz: Garant für Innovationen

Hohe Erträge, attraktive Blüten, Resistenzen oder Toleranz gegenüber Trockenstress – schon für sich genommen stellt jedes Züchtungsziel eine Herausforderung dar. Je mehr positive Eigenschaften eine Sorte in sich vereinen soll, desto größer ist die Aufgabe.