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Agrarmeteorologischen Beratung im Weinbau Agrarmeteorologischen Beratung im Weinbau

Bei pilzanfälligen Rebsorten ist regelmäßig ein Fungizideinsatz notwendig. Krankheitsmodelle, die meteorologische Parameter berücksichtigen, ermöglichen eine zielgenauere Umsetzung von Pflanzenschutzmaßnahmen. Doch wie funktionieren diese Modelle?

Agrarmeteorologische Modelle helfen bei der Krankheitsvorbeuge und -behandlung im Weinbau.
Bild: C. Frühauf

Im Weinbau führen insbesondere pilzliche Schaderreger zu großen wirtschaftlichen Schäden, die sich sowohl auf quantitativer als auch auf qualitativer Ebene zeigen. Um trotzdem hochwertiges Lesegut erzeugen zu können, ist beim Anbau der klassischen, pilzanfälligen Rebsorten ein hoher Fungizideinsatz erforderlich.

Grundlage für die Durchführung von Pflanzenschutzmaßnahmen ist dabei der integrierte Pflanzenschutz. Dieser besagt, dass biologische, biotechnische, pflanzenzüchterische sowie anbau- und kulturtechnische Maßnahmen vorrangig berücksichtigt werden sollen, bevor der chemische Pflanzenschutz zum Einsatz kommt.

Krankheitsmodelle zu pilzlichen Erkrankungen

Für den Weinbau ist besonders das Mikroklima von Bedeutung. Meteorologischen Vorhersagemodelle bieten daher eine wichtige Grundlage für einen effizienten Pflanzenschutz: Über Modelle zur Blattflächen- und zur Blattnässeentwicklung lassen sich in Verbindung mit weiteren Modellen Vorhersagen zur Infektionsgefahr zum Beispiel durch den Falschen Mehltau erstellen.

Durch die Nutzung von Krankheitsmodellen als Entscheidungshilfe beim Rebschutz können Pflanzenschutzmaßnahmen zielgenauer umgesetzt werden. Dadurch kann der Pflanzenschutzmitteleinsatz verringert und gleichzeitig der Anteil des gesunden Lesegutes und damit die Traubenqualität enorm gesteigert werden.

Agrarmeteorologische Beratungssoftware

Für die Beratung kann das Softwarepaket AMBER (Agrarmeteorologische Beratung) des Deutschen Wetterdienstes (DWD) verwendet werden. Der Kern des Programmpaketes besteht aus einer Verzahnung agrarmeteorologischer Modelle mit bodenphysikalischen, bestandsklimatologischen, phytopathologischen sowie weiteren Inhalten. Vorgeschaltet sind Routinen zur Dateneinsteuerung (meteorologische Mess- und Vorhersagedaten, phänologische Daten, Bestandsdaten). Insgesamt werden über 200 agrarmeteorologische Parameter für mehrtägige Vorhersagezeiträume bereitgestellt.

Fungizid-Behandlungen können so an den individuell herrschenden Befallsdruck angepasst werden. Die Peronospora-Kalamität im Jahr 2016 hat gezeigt, wie hilfreich insbesondere die exakte Vorhersage der zahlreichen bodenbürtigen Infektionen und auch die Darstellung der starken Überlappung von Inkubationszeiten als Entscheidungshilfe in der Rebschutzpraxis war. Was dies konkret bedeutet, lässt sich am folgenden Beispiel des Falschen Mehltaus verdeutlichen.

Beispiel: Falscher Mehltau im Weinbau

Grundlage aller Krankheitsmodelle sind mathematische Funktionen, die die Biologie der Schaderreger mit den Wetterdaten in Beziehung setzen. Zu den wirtschaftlich wichtigsten pilzlichen Schadorganismen der Rebe zählt Plasmopara viticola, der Erreger des Falschen Mehltaus. In der weinbaulichen Praxis wird diese Pilzkrankheit meistens mit dem ursprünglichen Gattungsnamen des Pilzes – Peronospora – bezeichnet.

Bei der Epidemiologie des Falschen Mehltaus ist bedeutsam, dass im Frühjahr nicht nur eine einzige bodenbürtige Infektion – die so genannte Primärinfektion – stattfindet, sondern dass bis in den Juli hinein grundsätzlich weitere Infektionen vom Boden ausgehend möglich sind. Als Transportpfade der beweglichen Sporen (Zoosporen) vom Boden in die Laubwand wurden sogenannte Splashtropfen (aufspritzende Regentropfen) identifiziert.

Reifung und Keimung der Wintersporen

Bodenbürtige Infektionen durch P. viticola können nur dann stattfinden, wenn die Wintersporen (Oosporen) ausgereift sind. In einem zweiten Entwicklungsschritt werden dann Zoosporen (Schwärmsporen) gebildet. Sie sind mit zwei Geißeln ausgestattet und somit in der Lage, in Flüssigkeiten zu schwimmen.

Zur Beurteilung der Bildung und Entlassung von Zoosporen sind der Wassergehalt und die Temperatur im sporentragenden Oberboden von Bedeutung. Diese werden in einem speziell für Rebbestände angepassten Bestandsklimamodell berechnet.

Die mit Hilfe des Bestandsklimamodells berechneten Parameter Bodenfeuchte und Bodentemperatur des Oberbodens dienen als Eingangsgrößen zur Modellierung bodenbürtiger Infektionen von P. viticola.

Abschätzung der Spritzwasserhöhe

Kernstück des erweiterten Krankheitsmodells ist das Splash-Modul. Große Regentropfen können am Boden mit infektiösen Zoosporen beladen werden und so in die Laubwand und auch in die Atmosphäre gelangen. Für P. viticola wurden die physikalischen Basisdaten der hierbei stattfindenden Prozesse im Rahmen eines Verbundprojektes erstmals sehr detailliert erarbeitet.

Die Höhe, die Spritzwasser erreichen kann, ist grundsätzlich abhängig vom Regentropfenspektrum (das heißt Landregen < Schauer < Gewitter) sowie von der Beschaffenheit der Aufschlagfläche (zum Beispiel Sandboden, Grasnarbe oder Wasserfilm).

Die Spritzwasserhöhen über Gras erreichen im Mittel nicht die Werte über Brache. Trifft ein Niederschlagstropfen auf Brache auf, wird die gesamte Energie auf die Spritzwasser-Tröpfchen verteilt. Bei einer begrünten Rebgasse hingegen wird ein Teil der Energie vom Gras aufgenommen, da die Grashalme beim Auftreffen der Niederschlagstropfen etwas zurückfedern.

Der Bodeninfektionsindex

Der so genannte Bodeninfektionsindex (BI) umfasst Bodenfeuchte-Parameter, die nach Abschluss der Reifung der Oosporen für deren Keimung von Bedeutung sind. So besteht zum Beispiel ein enger Zusammenhang zwischen dem Flüssigwasserpotenzial im Oberboden und der Möglichkeit der Bildung kleiner Wasserpfützen. In diesen können die begeißelten Sporen schwimmen und dadurch über einen längeren Zeitraum potenziell infektiös bleiben. Von diesen Bedingungen hängt die Auslösung einer erfolgreichen Infektion durch Splash maßgeblich ab.

Weitere Sekundärinfektionen

Je wärmer die Region und je höher die Niederschläge im Mai/Juni, desto schneller und stärker kann sich die Peronospora nach erfolgter Primärinfektion ausbreiten. Voraussetzung sind blattunterseits oder an den Gescheinen gebildete Sporangien. Diese können sich nur unter definierten meteorologischen Bedingungen bilden. Für die Sporulation müssen folgende Bedingungenerfüllt sein:

  • sichtbare Ölflecken,
  • Dunkelheit,
  • durchgehende Blattnässe von mindestens vier Stunden oder eine relative Feuchte > 97 Prozent,
  • Temperatur > 12,5 °C zu Beginn der Feuchtephase,
  • Durchschnittstemperatur > 11 °C während der ersten vier Stunden der Nässe-Dunkelperiode.

Nur wenn alle Punkte erfüllt sind, bildet sich der Sporangienrasen. Je höher die Temperatur in den ersten vier Stunden mit Blattnässe ist, desto mehr Sporangien werden gebildet.

Die benachbarten Blätter infizieren sich nur, wenn in der auf die Primärinfektion folgende Zeitspanne bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Dazu gehören:

  • weiter anhaltende Blattnässe von mindestens fünf Stunden,
  • gleichzeitig eine Temperatursumme von 50 Gradstunden sowie
  • tropfbar flüssiges Wasser.

Die aus den Sporangien entlassenen Zoosporen haben nur eine kurze Lebensdauer. Wenn nicht innerhalb weniger Stunden eine Infektion gesetzt werden kann, stellen die empfindlichen Zoosporen ihre Schwimmbewegung ein und sterben ab.

Das Ende der Inkubationszeit zeigt sich am Auftreten eines Ölflecks, der typischen Läsion nach einer Peronospora-Infektion. Die Inkubationszeit ist ebenfalls temperaturabhängig und liegt bei (hoch‑)sommerlichen Bedingungen zwischen einer und zwei Wochen.

Im Gegensatz zu bodenbürtigen Infektionen breiten sich Sekundärinfektionen relativ kleinräumig aus, da weder Sporangien noch Zoosporen vom Blatt oder Geschein über größere Distanzen verfrachtet werden können. Großflächige (Erst‑)Infektionen ganzer Weinberge gehen demzufolge in aller Regel vom Boden aus – ein Indiz für die Gefährlichkeit oder „Virulenz“ bodenbürtiger Infektionen.

Letzte Aktualisierung 27.03.2024

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