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Keyline Design – wirkungsvolles Werkzeug zur Klimaanpassung in der Landwirtschaft? Landwirtschaft im Klimawandel

Keyline Design ist ein landwirtschaftlicher Planungsansatz. Das System basiert auf der Analyse der Geländekonturen und zielt darauf ab, Niederschlagswasser in der Landschaft zu verteilen und gezielt in Bereiche zu leiten, wo es benötigt wird. Dr. Philipp Gerhardt von baumfeldwirtschaft.de erklärt, wie das Konzept Keyline Design als Werkzeug zur Klimaanpassung in der Landwirtschaft genutzt werden kann.

Keyline Design ist ein Planungsansatz, der darauf abzielt, Wasser effektiver und effizienter auf landwirtschaftlichen Flächen zu nutzen. Er wurde in den 1940er Jahren vom australischen Bergbau-Ingenieur Percival Alfred Yeomans entwickelt. Seine Idee war, dass der Wasserhaushalt landwirtschaftlicher Flächen an einem Ort signifikant beeinflusst werden und gleichzeitig Böden, Pflanzenwachstum und Mikroklima verbessert werden können. 

Ursprung des Keyline Designs

Yeomans stellte sich die Frage, wie an einem Standort eine nachhaltige Landnutzung entwickelt werden kann. Dabei kam er zu dem Schluss, dass die Faktoren Klima, Gelände, Wasserhaushalt, Erschließung, Vegetation, Gebäude, Zäune und Flächenteilung sowie die Böden eine wichtige Rolle spielen und in dieser Reihenfolge priorisiert werden sollten. Der Wasserhaushalt landwirtschaftlicher Flächen spielte daher bereits zu Beginn eine zentrale Rolle im Keyline Design, da das Wassermanagement laut Yeomans mit den Mitteln eines Landwirtschaftsbetriebes gestaltet werden kann. 

Das System von Yeomans bestand aus dem sogenannten Schlüsselpunkt (keypoint) und der dadurch verlaufenden Höhenlinie (keyline). Seiner Ansicht nach ergeben sich daraus Muster, die das Wasser auf Talflanken und Rücken leiten. Außerdem wurden bereits in den 1940er und 1950er Jahren Speicherteiche in höher gelegenen Landschaftsteilen und konturnahe Gräben vorgeschlagen. Diese Prinzipien waren zu dieser Zeit auch schon in Deutschland bekannt, wie beispielsweise im Schwarzwald oder in Franken mit ihren traditionellen Wässersystemen. Aus heutiger Sicht ist das ursprüngliche Keyline Design für die Landschaft und kleinräumige Landwirtschaft in Europa jedoch ungeeignet und wird von erfahrenen Planern kaum noch angewendet.

Weiterentwicklung des Keyline Designs

Keyline Design lässt sich sowohl im Grünland als auch im Acker- und Gartenbau verwirklichen.
Bild: Philipp Gerhardt, baumfeldwirtschaft.de

Mit dem Auftreten spürbarer Folgen der Klimaerwärmung wächst das Interesse am Keyline Design als ganzheitlich nachhaltiges Planungswerkzeug für die Landnutzung. Auf Grundlage der Idee von Yeomans, die natürliche Topografie einer Fläche zu nutzen, um Wasser auf einer Fläche effizient zu lenken, hat das Planungsbüro baumfeldwirtschaft.de in den letzten zehn Jahren ein System von freien Wässerlinien entwickelt. In diesem System gibt es die keylines nicht mehr, und es wird von Wässerlinien gesprochen, in Anlehnung an die Wässergräben auf traditionellen Hangwässerwiesen. Mit diesem System ist es möglich, Oberflächenwasser gezielt in der Landschaft zu verteilen und versickern zu lassen. Gleichzeitig können die landwirtschaftlichen Flächen weiterhin gut bearbeitet werden. 

Nach dem ganzheitlichen Planungsansatz von Yeomans wird heute das Gesamtsystem als „Keyline Design“ bezeichnet, nicht mehr das ursprüngliche System aus Schlüssellinien (keylines) und Schlüsselpunkten (keypoints). Der Begriff „Wässerliniensystem“ ist dann zutreffend, wenn die einzelnen landwirtschaftlichen Schläge (Acker und Grünland) betrachtet werden. 

Anlage eines Keyline Designs

Für die Anlage eines Wässerliniensystems werden das Wissen aus der traditionellen Hangbewässerung, Kompetenzen aus dem Erdbau sowie moderne Vermessungs- und Planungsmethoden genutzt. Dabei steht eine sinnvolle Integration in den landwirtschaftlichen Betrieb an erster Stelle. Durch die Planung mit modernen Vermessungstechniken und Fernerkundungsdaten werden auf die Fläche bezogene Bearbeitungsmuster erstellt, die die Maschinenarbeitsbreiten, Kurvenradien und notwendigen Vorgewende im Betrieb berücksichtigen. 

Über die angelegten Wässerlinien kann das anfallende Oberflächenwasser somit sehr gezielt in der Fläche verteilt werden und versickern. Sie bilden Streifen zwischen Acker- oder auch Grünlandflächen, auf denen Agroforstgehölze angebaut sowie Gräben und Versickerungsmulden angelegt werden können. Dazu eignen sich schnellwachsende Baumarten wie die Pappel als Industrie- und Energieholz. Andere Baumarten wie die Walnuss können eine Frucht- und Wertholzproduktion als weiteres Standbein in den Betrieb bringen. 

Ein umgesetztes Keyline Design der Firma baumfeldwirtschaft.de im konventionellen Ackerbau. Die Keylines werden so geplant, dass die dazwischen liegenden Flächen mit den bestehenden Maschinen bearbeitet werden können.
Bild: Philipp Gerhardt, baumfeldwirtschaft.de

Die Streifen mit Gräben und Bepflanzung nehmen die Veränderungen des Geländes auf und sind so angelegt, dass dazwischen gleichbleibend breite Flächen für die maschinelle Bearbeitung verbleiben. Auf die Ausweisung einer Schlüssellinie oder das Auffinden eines Schlüsselpunktes, wie noch im Ansatz von Yeomans, kann daher verzichtet werden.

Die Bearbeitungsmuster dürfen auf keinen Fall zu viel Gefälle aufweisen, um punktuelle Konzentrationen und unkontrolliertes Überströmen zu verhindern. Somit muss neben betrieblichen Anforderungen auch eine solide Strategie in die Planung einfließen, um das aufgefangene Wasser verteilen, versickern, nutzen oder schadlos ableiten zu können.

Keyline Design darf nicht nach starren Gestaltungsregeln praktiziert werden. Stattdessen muss es jederzeit während der Planung auf den individuellen Betrieb angepasst werden. Zudem muss die Planung rechtssicher und förderfähig gestaltet werden. Der Keyline-Ansatz sollte flexibel ausgelegt und mit Fachwissen aus anderen Bereichen ergänzt werden.

Der Teufel steckt im Detail

Bei der Ausgestaltung der Retentionsstreifen gibt es erhebliche Qualitätsunterschiede. Die Erfahrung aus den Projekten von baumfeldwirtschaft.de zeigt, dass Oberflächenabflüsse von reinen Grünstreifen nicht aufgenommen werden und zusätzlich Gräben für das Abfangen von Starkregen unerlässlich sind. Es braucht sehr genau geplante Gefälle, Fließstrecken, Versickerungszonen und Vorkehrungen für eine schadlose Ableitung zu großer Wassermengen bei extremen Niederschlägen. Nur so können Bodenerosion und Oberflächenabfluss möglichst vermieden werden. 

Anlage von Verteil- und Sickergräben durch die Firma Baumfeldwirtschaft. Die Gräben fangen Oberflächenabflüsse auf und leiten sie auf die konvexe Geländeform, wo es vorher am trockensten war.
Bild: Philipp Gerhardt, baumfeldwirtschaft.de

Die bereits in den 1940er Jahren von Yeomans vorgeschlagenen locker aufgeworfenen Verwallungen sind ungeeignet, da sie die Gefahr von Rutschungen bergen und das Austrocknen von Agroforstpflanzungen begünstigen. Stattdessen sollten Grabenprofile angelegt werden, die die Anforderungen an Stabilität, Pflege und Bearbeitbarkeit gleichermaßen erfüllen. 

Sie werden anders als die von Yeomans propagierten „Swales“ tiefer in den gewachsenen Boden gegraben und der Aushub wird gezielt talseitig wieder eingebaut. Nur mit einem Bagger und genauem Nivellement kann die nötige Verzahnung mit dem Untergrund, das Aussortieren ungeeigneten Materials und die korrekte Ausformung der Dammkrone gewährleistet werden.

Ausgleich der Bodenfeuchte auf der Fläche

Mit einem guten Wässerliniensystem nach den Prinzipien des Keyline Design lassen sich Niederschläge, bei denen sich Wasser an der Oberfläche bewegt, von feuchteren Stellen zu trockenen Bereichen leiten. Es gleicht also die Feuchtigkeit in einer Landwirtschaftsfläche aus und verbessert die Bedingungen für das Pflanzenwachstum am Standort. Die Gehölzpflanzungen stabilisieren den Boden über ihr Wurzelsystem und schaffen einen humusreicheren Boden. Der Bereich trocknet weniger aus als die umgebenden Freiflächen und weist einen ausgeglicheneren Temperaturverlauf auf. Der ganze Retentionsstreifen bietet daher besonders im Ackerbau einen Rückzugsraum für das Bodenleben, wo es beispielsweise bei Dürre besser geschützt ist. 

Im Unterschied zu reinen Gehölzpflanzungen stoppen Geländemodellierungen effektiv Oberflächenabflüsse und Erosion. Deutlich zu sehen ist, dass sich zwar auf dem darüber liegenden Ackerstreifen Oberflächenabfluss zu Rillen und Rinnen konzentrieren kann und Boden abträgt (rote Ellipse), dies jedoch vom Keyline-Retentionsstreifen gestoppt wird (grüne Ellipse).
Bild: Philipp Gerhardt, baumfeldwirtschaft.de

Die Bäume nehmen das Wasser auf und sorgen durch Verdunstung für eine Kühlung der Umgebung und für verstärkte Taubildung. Besonders dort, wo Trockenheit Probleme bereitet, tragen derart gestaltete Retentionsstreifen also zu einer Verbesserung des Mikroklimas bei. Bei Starkregen lassen sich bis zu 100 Prozent des Oberflächenabflusses in der Fläche versickern, wenn das Retentionsvolumen und die Versickerungsleistung groß genug sind (beispielsweise 60 Millimeter Regen in 30 Minuten). 

Damit kann aufbauend auf dem Keyline Design allein mit minimalen Bodenbewegungen und gezielten Gehölzpflanzungen in der Landwirtschaftsfläche ein signifikanter Beitrag zum Schutz vor Hochwasser, Erosion und weiteren Schäden durch Starkregen geleistet werden. Die Systeme müssen dafür an die Böden, die Bewirtschaftungspraxis und den Bodenzustand sowie an die zu erwartenden Abflüsse angepasst werden und gleichzeitig eine effiziente Bewirtschaftung ermöglichen.

Erfahrungen aus der Praxis

Die Erfahrung zeigt, dass der Keyline-Ansatz im Ackerbau, im Grünland, in Obst-, Gemüse- und Weinbau wirkungsvoll eingesetzt werden kann. Das Planungsbüro baumfeldwirtschaft.de hat Keyline Designs bereits auf Flächen von 0,5 bis etwa 40 Hektar Größe umgesetzt. 
Je nach landschaftlichen Gegebenheiten werden verschiedene Strukturelemente genutzt. Diese sind unter anderem: 

  • Sammel-, Verteil- und Sickergräben,
  • Rohrsysteme,
  • Regelbare Stauungen,
  • Speicher- und Versickerungsmulden,
  • Teiche. 

Den größten Teil machen Flächen aus, auf denen eine Agroforstpflanzung in wasserleitenden Linien angelegt und um Sicker- beziehungsweise Wässergräben ergänzt wird. Diese Anlagen sind mit geringem Mehraufwand im Vergleich mit einer geradlinigen Agroforst-Pflanzung umzusetzen und bieten erheblich mehr Wasserrückhalt als Agroforstpflanzungen allein. 

Bei der Anlage aller Keyline-Systeme ist eine gründliche Planung im intensiven Austausch mit den Bewirtschaftenden notwendig, die den Betrieb auch über die Anlage hinaus bei der Pflege und Bewirtschaftung des Systems begleitet.

Ein vielversprechender Ansatz mit großem Potenzial in der Klimaanpassung

Das System Keyline Design ist sowohl für konventionell als auch ökologisch wirtschaftende Betriebe geeignet und es können unterschiedliche Ziele verfolgt werden. Je nach Lage der Flächen stehen der Erosions- und Hochwasserschutz im Vordergrund oder auch die Dürreprävention. Damit ist der Keyline-Ansatz bei richtiger Umsetzung geeignet, die Landwirtschaft nachhaltiger zu gestalten und an die laufenden Klimaveränderungen anzupassen. Derzeit gibt es einige Erprobungsflächen in Deutschland, Österreich und der Schweiz aus den Jahren vor 2020. In den Jahren danach sind bereits Flächen angelegt worden, denen eine ausgereifte Weiterentwicklung des Keyline-Ansatzes zugrunde liegt. 

Es gibt aber auch erhebliche Unterschiede im Wissensstand, sodass sich die „gute fachliche Praxis“ erst durchsetzen muss, bevor überall von einem hohen Qualitätsstandard ausgegangen werden kann. Zur Beurteilung sollten Referenzprojekte mit positiven Effekten vorweisbar sein. Sollen aus betrieblichen oder regionalen Zielstellungen (beispielsweise Erosions- oder Hochwasserschutz) heraus Systeme angelegt werden, ist es wichtig, dass die Planungen solche Erfahrungswerte integrieren. Dann kann der Keyline-Ansatz mit Agroforstkulturen und Sicker- oder Wässergräben seine Wirkung voll entfalten.

Letzte Aktualisierung 18.11.2024

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