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Strategien gegen Frostschäden Weinbau

Während Spätfröste im Obstbau regelmäßig verheerende Wirkung zeigen und sich die Betriebe entsprechend intensiv mit Schutzmaßnahmen befassen, spielt das Thema im Weinbau bislang eine Nebenrolle – zu Unrecht.

Quelle: Franco Nadalin - stock.adobe.com

Zwar haben Reben eine kleine Frostschutzversicherung schon mit eingebaut, da beim Ausfall des Hauptauges die beiden Nebenaugen einspringen. Die damit einhergehenden Ertragseinbußen können dennoch erheblich sein – und das mittelfristig wohl immer häufiger: Klimamodellen zufolge verlagert sich der Austrieb bedingt durch den Klimawandel immer früher ins Jahr; der Zeitraum, in dem mit Spätfrösten zu rechnen ist, verschiebt sich hingegen kaum.

Wie also mit der steigenden Spätfrostgefahr umgehen? Markus Müller vom Fachbereich Rebschutz und Rebphysiologie an der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) empfiehlt Winzern nachdrücklich, sich mit den verschiedenen bekannten und neuen Frostschutz-Strategien auseinanderzusetzen – und zwar im Idealfall individuell für jeden einzelnen Weinberg, denn nicht jede Methode ist für jede Lage, jede Rebsorte oder jede Wetterlage geeignet. So muss zum Beispiel Strömungsfrost, also Kaltluftfronten, die eisige Luft durch die Reihen treiben, mitunter anders begegnet werden als Strahlungsfrost, der bei Inversionswetterlagen entsteht, wenn sich wärmere Luft auf kalte Luft in Bodennähe schichtet.

Hier folgt daher ein Überblick über die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Methoden:

Bodenbewuchs kurzhalten

geeignet für: Strahlungsfrost; Strömungsfrost

Vorteile:

  • einfach anzuwenden
  • effektiv: kann Temperaturunterschiede um die 2 Grad Celsius bewirken
  • kostengünstig
  • macht die Anlage weniger attraktiv für Mäuse

Nachteile: -

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Frostschutzberegnung

geeignet für: Strahlungsfrost; Strömungsfrost

Vorteile:

  • einfach anzuwenden
  • sehr effektiv: die Erstarrungswärme, die beim Gefrieren des Wassers frei wird, schützt die Blütenknospen je nach Rebsorte und Entwicklungsstadium bis -6 Grad Celsius
  • der im Zuge der Beregnung ebenfalls durchfeuchtete Boden kann tagsüber mehr Wärme speichern und nachts an die Luft abgeben – bei mehreren aufeinanderfolgenden Frostnächten also ein doppelter Schutzeffekt
  • positiver Bewässerungseffekt bei anhaltender Trockenheit

Nachteile:

  • einmalige Investition notwendig; je nach Infrastruktur extrem hohe Kosten, z.B. für Wasserhaltebecken, Pumpen, Zuleitungen; möglicherweise infrastrukturelle Synergieeffekte, wo konventionelle Beregnungsanalagen zur Überkronenberegung vorhanden sind (als Neuinstallation nicht mehr zu empfehlen aufgrund der erhöhten Gefahr von Pilzinfektionen und der suboptimalen Wasserausnutzung)
  • wartungsintensiv
  • an vielen Standorten ist schlicht nicht genug Wasser vorhanden; Abhilfe schaffen können Wasserspeicher, die möglicherweise auch in Kooperation mit anderen Betrieben anzuschaffen sind; alternativ Regner mit geringem Wasserverbrauch; da sie dennoch auch bei Wind eine ausreichende Benetzung gewährleisten müssen, laufen derzeit entsprechende Regner-Versuche an der LWG
  • für bindige Böden nur bedingt geeignet, da erhebliche Wassermengen in den Boden gelangen
  • Befahrbarkeit der Böden nach langen Einsätzen eingeschränkt
  • Nährstoffauswaschung

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Frostschutzkerzen

geeignet für: Strahlungsfrost; Strömungsfrost

Vorteile:

  • einfach anzuwenden; bei den "Kerzen" handelt es sich um Brennpaste im stapelbaren feuerfesten Weißblecheimer mit Deckel
  • flexibel einsetzbar
  • Bevorratung ist möglich
  • an die Geländeform anpassbar – in Senken kann entsprechend dichter gestellt werden
  • an die Zahl der benötigten Kerzen je Hektar, kann man sich durch anfängliche kontinuierliche Temperaturkontrolle herantasten
  • gut vorzubereiten, die Kerzen können im Vorfeld bereits in den Rebzeilen verteilt werden, in der Frostnacht werden sie dann nur noch angezündet

Nachteile:

  • teuer
  • arbeitsaufwändig, pro Hektar müssen je Minusgrad ca. 100 Kerzen gerechnet werden
  • Bevorratung mitunter auch zwingend notwendig, da die Kerzen kurzfristig nicht immer in den erforderlichen Mengen vorhanden sind; Brenndauer max. 6-8 Stunden je Kerze
  • Rußabgabe (allerdings deutlich geringer als frühere Varianten)

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Heizdraht

geeignet für: Strahlungsfrost; Strömungsfrost

Vorteile:

  • einfach anzuwenden, in Versuchen an der LWG wurde gewöhnlicher Dachrinnenheizdraht um den Spanndraht gewunden und dann an Fruchtrute oder Kordonarm festgebunden. Alternativ kann er direkt um Stamm und Kordonarm gewickelt werden. Je näher der Draht an der Knospe, desto effektiver; Verbrennungen müssen nicht befürchtet werden, da der Draht nur handwarm wird.
  • flexibel einsetzbar
  • in Versuchen mit getopften Reben Schutzwirkung bis -4 Grad Celsius; die Versuche laufen weiter, das Modell wurde aber schon von einigen Betrieben in die Praxis umgesetzt

Nachteile:

  • teuer, Anschaffungskosten von ca. 12.000 Euro pro Hektar
  • zudem muss für einen Stromanschluss oder Generator gesorgt werden
  • einmalig arbeitsaufwändig

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Vernebeln als Räucherersatz

geeignet für: Strahlungsfrost

Vorteile: Soll in der Theorie einen ähnlichen Effekt erzielen wie echter Nebel, der ein Absinken der Kaltluft verhindert und durch die feinen Wassertröpfchen Wärmeenergie speichert; Nebelkerzen und Nebelmaschinen sollen das mittlerweile verbotene Räuchern ersetzen

Nachteile:

  • nicht umsetzbar; funktioniert nur bei vollständigem Einnebeln der Anlage, was in der Praxis nicht leistbar ist
  • hohe Emissionen

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mobile Gas- oder Ölbrenner mit Gebläse

geeignet für: Strahlungsfrost; Strömungsfrost

Vorteile:

  • bedarfsgerecht und flexibel einsetzbar
  • hohe Flächenleistung
  • nach Anschaffung vergleichsweise günstig im Unterhalt

Nachteile:

  • hohe einmalige Investitionskosten
  • in den meisten Weinlagen nicht einsetzbar aufgrund des Gefälles und der Zeilenbreite, die den Mindestabstand vom Brenner zur Rebe in der Regel unterschreitet
  • Mitarbeiter müssen die ganze Nacht durchfahren
  • erfordert hohe Sorgfalt: die Fläche muss nach spätestens 10 min. erneut passiert werden; Verbrennungen/Austrocknungen sind möglich, wenn der erforderliche Mindestabstand von einem Meter nicht konsequent eingehalten wird

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stationäre Gas- oder Ölbrenner mit Gebläse

geeignet für: Strahlungsfrost; Strömungsfrost

Vorteile:

  • bei schmaler Abmessung auch im Weinbau bedarfsgerecht und flexibel einsetzbar (dank kompakter Maße auch recht gut zu transportieren)
  • Flächenleistung bis zu einem Hektar
  • nach Anschaffung vergleichsweise günstig im Unterhalt

Nachteile:

  • hohe einmalige Investitionskosten
  • Verbrennungen/Austrocknungen sind möglich, wenn der erforderliche Mindestabstand nicht konsequent eingehalten wird

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Hubschrauber

geeignet für: Strahlungsfrost

Vorteile:

  • prinzipiell gute Schutzwirkung, indem kalte und warme Luftschichten verwirbelt werden
  • flexibel einsetzbar
  • sehr hohe Flächenleistung (typabhängig bis zu 40 Hektar)
  • unabhängig von Kultur und Geländeform
  • gerade im Weinbau mit seinen gestückelten Anbaugebieten sind Kooperationen mit anderen Winzern sinnvoll und oft auch notwendig
  • kostengünstig

Nachteile:

  • laut, durch gute Kommunikation im Vorfeld lassen sich etwaige Konflikte jedoch erfolgreich vermeiden
  • erfordert ggf. Zusatzmaßnahmen aufgrund des in Deutschland geltenden Nachtflugverbots für Hubschrauber; frühestmöglicher Startzeitpunkt: 30 Minuten vor Sonnenaufgang
  • Hubschrauber und Piloten nur begrenzt verfügbar

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Motor-Windräder

geeignet für: Strahlungsfrost

Vorteile:

  • prinzipiell Temperaturerhöhung bis 3,5 Grad Celsius möglich
  • einige Modelle sind flexibel einsetzbar
  • hohe Flächenleistung: je nach Größe und Motorleistung bis 7 Hektar

Nachteile:

  • abhängig vom Abstand zum Windrad starke Schwankungen im Temperaturanstieg; bei Wind deutlich geringere Flächenleistung
  • hohe einmalige Investitionskosten; gerade im Weinbau mit seinen gestückelten Anbaugebieten sind Kooperationen mit anderen Winzern sinnvoll und oft auch notwendig
  • ab 10 m Höhe Baugenehmigung erforderlich, was zum Einhalten von Mindestabständen zu Wohngebieten führen kann
  • hoher Lärmpegel (ähnlich hoch wie bei einem Hubschrauber) erfordert in den meisten Fällen ein Lärmgutachten und im Vorfeld eine gute Kommunikation mit den Nachbarn

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Selective-inverted-sink-Geräte

geeignet für: Strahlungsfrost

Vorteile:

  • Temperaturanstieg bis 2 Grad Celsius möglich, eine günstige Geländeformation vorausgesetzt; das Gerät saugt Kaltluft an und stößt sie oberhalb der Gehölzkronen wieder aus
  • flexibel einsetzbar
  • Flächenleistung je nach Größe und Motorleistung 1 bis 4 Hektar
  • kostengünstiger als Windräder
  • leiser als Windräder

Nachteile: in Versuchen der LWG nicht wirksam; prinzipiell nur in geschlossenen Tallagen einsetzbar, denn ein seitliches Nachfließen von Kaltluft muss ausgeschlossen sein

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Austriebsverzögerung durch Double Pruning

geeignet für: Strahlungsfrost; Strömungsfrost

Vorteile:

  • einfach durchzuführen: die Fruchtruten (Kordon) werden im Winter nur bis auf 60 Zentimeter zurückgenommen; die obersten Hauptaugen treiben aufgrund der Apikaldominanz zuerst aus, die unteren bilden die "Frostschutzversicherung"; drohen keine Spätfröste mehr, wird wie gewohnt auf 1-2 Augen eingekürzt
  • Austriebsverzögerung bei Versuchen an der LWG: 20-30 Tage

Nachteile:

  • arbeitsintensiv; der Vorschnitt im Winter kann maschinell erfolgen, der 2. Rebschnitt im Mai muss per Hand durchgeführt werden
  • in Sortenversuchen mit Müller-Thurgau, Silvaner und Weißburgunder geringere Weinqualität
  • in Sortenversuchen mit Müller-Thurgau, Silvaner und Weißburgunder geringerer Ertrag
  • noch unzureichend erforscht; belastbare Ergebnisse bleiben abzuwarten

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Austriebsverzögerung durch Rapsöl-Applikation

geeignet für: Strahlungsfrost; Strömungsfrost

Vorteile:

  • flexibel einsetzbar
  • preiswert
  • einfach durchzuführen: mithilfe der gewohnten Pflanzenschutztechnik werden die Reben mit Rapsöl (10%-ige Mischung; erwies sich in LWG-Versuchen als das effektivste Pflanzenöl) benetzt; das Öl verklebt die Knospenschuppen, der Austrieb stockt
  • teils drastische Austriebsverzögerung, abhängig von Rebsorte, Häufigkeit der Applikation, Wetterlage (vor allem Niederschlägen)
  • positiver Nebeneffekt auf Spinnmilbenpopulation

Nachteile:

  • derzeit keine Zulassung
  • je nach Versuchsbedingungen derzeit teils deutlich geringere Erträge

Eine Zulassung als Pflanzenschutzmittel wird erwartet, ist aber noch nicht erfolgt, daher darf diese Methode derzeit laut Pflanzenschutzgesetz nicht angewendet werden. Auch sortenspezifische Empfehlungen stehen noch aus, dennoch handelt es sich um eine vielversprechende Methode mit Zukunft.

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Fazit

Frostschutzkerzen und der Einsatz von Hubschraubern sind im Weinbau zuverlässige und universell einsetzbare Strategien, um Schäden durch Spätfröste abzuwehren. In Lagen mit ausreichendem Wasserzugang kann auch eine Frostschutzberegnung eine lohnende Investition sein. Rapsöl-Applikationen werden sich mittelfristig mit hoher Wahrscheinlichkeit als weitere bedeutende Methode etablieren. Ein kleiner aber nicht zu unterschätzender Beitrag lässt sich in allen Anlagen leisten, indem man den Bodenbewuchs kurzhält.

Generell sollten Betriebe beim Thema Frostschutz jeden Weinberg für sich genommen betrachten, nur auf diese Weise kann man den oft sehr unterschiedlichen Bedingungen vor Ort gerecht werden. Ein Austausch der Winzer untereinander sowie mit regionalen wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen und Beratungsverbänden ist äußerst empfehlenswert, um stets auf dem aktuellen Stand zu sein und von regionalen Erfahrungen und neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu profitieren.

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