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Intakte Moore sind nicht nur faszinierende Lebensräume und Heimstatt vieler bedrohter Tier- und Pflanzenarten, sie sind auch ein wesentlicher Klimafaktor: Unter Wasserüberschuss und Sauerstoffmangel wird organisches Material nicht oder nur sehr langsam zersetzt. In der sich dadurch bildenden Torfschicht sind riesige Mengen an Kohlenstoff gespeichert.
Für die landwirtschaftliche Nutzung und zur Torfgewinnung wurden bis in die 1980er-Jahre jedoch 98 Prozent der Moorflächen gezielt entwässert. Damit wurden aus effektiven Kohlenstoffspeichern immense Kohlendioxidquellen, denn die einst nahezu zum Erliegen gekommenen mikrobiologischen Prozesse laufen auf trockengelegten Moorflächen sofort wieder an: Das organische Material zersetzt sich, die freigesetzten Nährstoffe werden ausgewaschen und gelangen zu großen Teilen ins Grundwasser. Der im Torf gespeicherte Kohlenstoff entweicht in Form des Klimagases Kohlendioxid in die Atmosphäre.
Heute wird aktiv daran gearbeitet, die Fehler der Vergangenheit wieder gutzumachen, angetrieben insbesondere durch den Klimawandel: Mit Unterzeichnen des Pariser Klimaschutzabkommens und der Verabschiedung des nationalen „Klimaschutzplans 2050“ hat sich Deutschland verpflichtet, bis zum Jahr 2050 treibhausgasneutral zu werden.
Das Klimaschutzgesetz verschärfte diesen Plan: Bis 2030 sollen die Treibhausgas-Emissionen im Vergleich zu 1990 um 65 und bis 2040 um 88 Prozent gesenkt werden. 2045 soll Deutschland treibhausgasneutral sein und nach 2050 negative Treibhausgas-Emissionen erzielen. Da hierzulande gut ein Drittel aller aus der Landnutzung stammenden Emissionen von degradierten Moorflächen verursacht werden, das entspricht etwa fünf Prozent der deutschen Gesamtemissionen, wird deren Wiedervernässung nahezu zwingend notwendig sein.
Rund 70.000 Hektar wurden deshalb bis zum Jahr 2018 bereits wiedervernässt und dürfen nur noch torferhaltend oder torfbildend genutzt werden. 92 Prozent der Moorflächen sind allerdings nach Angaben des Umweltbundesamtes noch trockengelegt – diese Entwicklung wird sich künftig also deutlich beschleunigen müssen.
Damit Moore landwirtschaftlich genutzt werden können, wurden sie großflächig entwässert. Die Folge ist eine massive Freisetzung von Kohlendioxid.
Vielen landwirtschaftlichen Betrieben dürfte eine finanziell unterstützte Wiedervernässung sogar entgegenkommen, denn nach 30 bis 40 Jahren intensiver Entwässerung und Nutzung vermulmen die ehemaligen Moorböden: Der verbliebene Torfköper hat sich verfestigt und nimmt kaum noch Wasser auf, Nährstoffe werden ausgewaschen und die Ertragsfähigkeit der Flächen sinkt. Neben dem geringen Ertrag an Biomasse kann beispielsweise auch der Energiegehalt der Weidegräser deutlich abnehmen. Mancher Betrieb agiert auf entsprechenden Flächen bereits heute an der Grenze der Wirtschaftlichkeit.
Die Paludikultur kann vor diesem Hintergrund ein Schlüsselelement sein, denn sie bietet der Landwirtschaft wie auch der Substratindustrie den notwendigen wirtschaftlichen Anreiz zur Wiedervernässung ihrer An- beziehungsweise Abbauflächen.
Das Greifswald Moor Centrum hat sich als Plattform und Schnittstelle für Wissenschaft, Politik und Praxis zu den Themen Moorschutz und Moornutzung etabliert. Auf moorwissen.de informiert es über alle Facetten dieser nachhaltigen Bewirtschaftungsweise. Unter anderem werden dort geeignete Pflanzen- und Nutztierarten vorgestellt. Außerdem wird von Praxisbeispielen und Modellprojekten berichtet sowie nützliche Datenbanken und Tools für interessierte Betriebe bereitgestellt.
Der Begriff stammt vom lateinischen Wort „palus“ für „Sumpf, Morast“ und bezeichnet die Land- oder Forstwirtschaft auf morastigen Flächen – im aktuellen Kontext speziell auf wiedervernässten Moorböden, mit dem Ziel, den Torf zu erhalten oder sogar zu vermehren.
Ein geläufiges Beispiel ist die Kultivierung von Schilf für die traditionellen Reetdächer. Die moderne Paludikultur bietet jedoch noch wesentlich mehr Möglichkeiten. In unseren Breiten kommen prinzipiell etwa 200 Pflanzenarten für den Anbau in Paludikultur in Frage. 15 bis 20 von ihnen sind ökonomisch besonders vielversprechend. Grob lassen sie sich folgenden Nutzungsgebieten zuordnen:
Einige Modellprojekte haben sich bereits über die Projektphase hinaus in der Praxis bewährt und steigern das Interesse an der Paludikultur. Die Entwicklung sowohl geeigneter Kulturverfahren als auch entsprechender Ernte- und Verarbeitungstechnik schreitet entsprechend voran.
Für einige Kulturen ist die Nachfrage seit Jahren deutlich höher als die verfügbare Pflanzenmasse – beispielsweise bei Sonnentau zur Arzneimittelherstellung oder bei Rohrkolben zur Herstellung von Baumaterialien.
Die Haltung von Wasserbüffeln auf Nasswiesen ermöglicht es, Milch- und Fleischerzeugnisse auf artgerechte und nachhaltige Weise zu produzieren. Vielerorts lassen sich derartige Produkte, denen zudem ein Hauch von Exklusivität und Exotik anhaftet, hochpreisig vermarkten.
Energiepflanzen besitzen vor allem mittelfristig ein hohes Potenzial: Wenn sie Übergangsenergieträger wie Erdgas ablösen, könnten sie deutlich höhere Preise erzielen als heute üblich. Eine wirtschaftliche Alternative zu entwässerten Böden, die immer weniger Ertrag bringen, sind sie bereits heute.
Fördermöglichkeiten für den Aufbau von Paludikulturflächen gibt es viele. Da sie von landwirtschaftlichen Förderangeboten über Klimaschutzprogramme bis hin zu Fördertöpfen aus dem Bereich des Natur- und Artenschutzes reichen, ist es allerdings oft nicht ganz einfach, die passenden Angebote herauszufiltern. Hilfestellung dabei sowie eine intensive Betreuung von Anfang an bieten diverse Forschungseinrichtungen, gemeinnützige Organisationen sowie die zuständigen Behörden. Betriebe mit Pioniergeist können zudem an Modellprojekten teilnehmen und wertvolle Beziehungen zu potenziellen Geschäftspartnern knüpfen.
Als verbindendem Element zwischen Landwirtschaft und Landespflege gebührt der Paludikultur ein rechtlicher Sonderstatus. Diese rechtlichen und politischen Grundlagen zügig herbeizuführen, daran wird in den moorreichen Bundesländern ebenso mit Nachdruck gearbeitet wie auf nationaler und auf EU-Ebene. Im Kern geht es vor allem um folgende Punkte:
Mit Blick auf die Bedrohung durch die Klimakrise muss sich die Paludikultur dauerhaft als pflanzenbauliches Teilgebiet etablieren. Landwirtschaft auf entwässerten Moorböden darf daher künftig nur noch eine Ausnahme darstellen.
Letzte Aktualisierung 09.04.2024