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Agri-Photovoltaik: Stromerzeugung und Nutzpflanzenbau auf einem Acker Agri-Photovoltaik: Stromerzeugung und Nutzpflanzenbau auf einem Acker

Lebensmittel anbauen und gleichzeitig Strom erzeugen, das geht mit Agri-Photovoltaik. Sie bietet die Chance, die Flächenkonkurrenz zwischen landwirtschaftlicher Nutzung und Energiegewinnung zu entschärfen.

Die Module sind etwa fünf Meter über der landwirtschaftlichen Nutzfläche angebracht, sodass auch der Mähdrescher darunter durchfahren kann.
Bild: Heggelbachhof

Wohnungsbau, Gewerbeflächen, Infrastruktur und Erneuerbare Energien – landwirtschaftliche Flächen werden für diverse Zwecke umgenutzt. Diese Flächen sind dann dauerhaft oder zumindest langjährig der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen.

Auf landwirtschaftlichen Flächen entstehen auch immer mehr Freiflächen-Photovoltaikanlagen (PV-FFA). Sie wandeln Sonnenlicht in elektrischen Strom um. Zwar sind in den letzten Jahren die Kosten für PV-FFA gesunken und Experten erwarten, dass sie sich in einigen Jahren auch ohne finanzielle Förderung tragen, trotzdem bleibt die Frage nach der „Entnahme“ landwirtschaftlicher Flächen auch im Hinblick auf die Ernährungssicherung. Eine Entschärfung dieses Nutzungskonfliktes könnte die Agri-Photovoltaik (Agri-PV) oder auch Agrar-Photovoltaik bringen. Sie ermöglicht Energiegewinnung und Landwirtschaft auf der gleichen Fläche.

Agri-Photovoltaik – kurz zusammengefasst

  • Doppelte Flächennutzung möglich: Nahrungs- und Futtermittelproduktion bei gleichzeitiger Energieproduktion.
  • Agri-Photovoltaik eröffnet neue Bewirtschaftungsmöglichkeiten für die Landwirtschaft neben der klassischen Landnutzung.
  • Dezentrale Energiegewinnung, dadurch Wertschöpfung bei Landwirt, Gemeinde oder kleinen und mittelständigen Unternehmen. Ländlicher Raum wird aufgewertet.
  • Nicht jede Kultur ist für Anbau unter PV-Modulen geeignet. Es werden Langzeitstudien zu den Ertragsentwicklungen benötigt.
  • Sonderkulturen können durch die Solarmodule vor Witterungsextremen geschützt werden.
  • Zukünftig könnten Methoden geschaffen werden, mithilfe der Solarmodule Regenwasser aufzufangen, zu speichern und zu einem späteren Zeitpunkt in der landwirtschaftlichen Kultur zu nutzen.
  • Agri-PV-Anlagen sind über das Erneuerbare-Energien-Gesetz auf Ackerflächen, Flächen mit Dauerkulturen und Grünlandflächen (ausgenommen Moorböden und Naturschutzgebiete) grundsätzlich förderfähig, dabei sind bestimmte Anforderungen einzuhalten. Die Bundesregierung verabschiedete 2023 zudem das sogenannte Solarpaket. Es sieht vor, dass mindestens 50 Prozent des PV-Zubaus als Dachanlagen erfolgen sollen, um den Druck auf landwirtschaftliche Flächen zu reduzieren.

Modellprojekt zu Agri-Photovoltaik

Unter der Leitung des Fraunhofer-Instituts für Solare Energietechnik (ISE) schlossen sich sieben Partner zusammen, um die Agri-Photovoltaik zu erproben. Der Forschungsverbund Agri-Photovoltaik-Ressourceneffiziente Landnutzung (APV-RESOLA; siehe Kasten) initiierte ein Pilotprojekt auf dem Heggelbachhof am Bodensee, einem 165 Hektar großen Demeter-Betrieb in der Region Bodensee-Oberschwaben.

Die Versuchsfläche umfasste 2,5 Hektar. Ein Drittel Hektar wurde mit PV-Modulen ausgerüstet, die auf mehrere Meter hohen Unterkonstruktionen installiert wurden, damit darunter weiter eine landwirtschaftliche Nutzung möglich war. Die restliche Versuchsfläche diente als Referenzfläche zum Vergleich der Erträge.

Die installierte Anlage hatte eine Leistung von 194,4 Kilowatt Peak und könnte 62 Vier‑Personen-Haushalte mit einem angenommenen Stromverbrauch von 4000 Kilowattstunden versorgen. Die Agri-PV-Anlage auf dem Heggelbachhof sollte den Eigenverbrauch durch den Betrieb unter Nutzung eines Energiespeichers decken, der restliche Strom wurde in das Stromnetz eingespeist.

Die Idee zu APV-RESOLA

Die Überlegungen hin zu einer doppelten Flächennutzung reichen zurück in die 1980-er Jahre: Schon im 1981 erkannten Prof. Adolf Goetzberger, der Gründer des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE, und Dr. Armin Zastrow die mögliche Flächenkonkurrenz zwischen Nahrungsmittel- und Energieerzeugung auf landwirtschaftlichen Flächen. Sie schlugen damals eine veränderte Ausrichtung der PV-Module vor, um die Erträge der kombinierten Nutzung zu steigern. Dieser Gedanke wurde in der Innovationsgruppe APV-RESOLA – Agrophotovoltaik – Ein Beitrag zur ressourceneffizienten Landnutzung weiterentwickelt.

Das Projekt APV-RESOLA wurde gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und FONA (Forschung für nachhaltige Entwicklung) und lief von 2015 bis 2021. Es war ein gemeinsames Projekt von: Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme, BayWa r.e. renewable energy GmbH, Elektrizitätswerke Schönau, Hofgemeinschaft Heggelbach, Karlsruher Institut für Technologie, Regionalverband Bodensee-Oberschwaben und der Universität Hohenheim.

Aufgeständerte PV-Module ermöglichen weiterhin Ackernutzung

APV-Anlage aus der Vogelperspektive - Klick öffnet Großansicht in neuem Fenster
Die PV-Module beschatten die landwirtschaftliche Fläche darunter. Dies kann sich in heißen und trockenen Jahren positiv auf die Erträge auswirken.
Bild: Heggelbachhof

Die halbtransparenten PV-Module wurden in drei bis fünf Metern Höhe mit Abstand aufgeständert, damit die landwirtschaftlichen Kulturen auf der Fläche darunter genügend Sonnenlicht bekommen. Auf der Versuchsfläche wurden vier Kulturen untersucht: Kleegras, Sellerie, Kartoffeln und Winterweizen. Diese wurden wie lokal üblich nicht bewässert. In dem Projekt wurden unter anderem auch die photosynthetisch aktive Strahlung (PAR), Luft- und Bodentemperatur, Luft- und Bodenfeuchte sowie die Niederschlagsmenge erfasst und der Wasserhaushalt untersucht.

Erkenntnisse aus dem Modellprojekt Heggelbachhof

  • Eine APV-Freiflächenanlage benötigt einen etwa 1,4-fach höheren Reihenabstand zwischen den PV-Modulen als eine PV-FFA, um die landwirtschaftliche Nutzung darunter zu ermöglichen. Im Vergleich zur PV-FFA hat eine Agri-PV-Anlage etwa 30 Prozent weniger PV-Leistung pro Flächeneinheit.
  • Die Strahlungsverteilung hat einen großen Einfluss auf das Wachstum der Pflanzen. Für eine gleichmäßigere Strahlungsverteilung auf der Ackerfläche und eine höhere Erntequalität sollten die PV-Module nicht wie bei herkömmlichen PV-Freiflächenanlagen nach Süden ausgerichtet sein, sondern in Richtung Südwesten oder Südosten.
  • Nutzpflanzen eignen sich entsprechend ihres Lichtbedarfs unterschiedlich gut für den Anbau unter einer APV-Anlage. Weniger geeignet sind Pflanzen mit einem sehr hohen Lichtbedarf wie zum Beispiel Mais, Weizen oder Obstkulturen. Sie reagieren schon bei geringer Beschattung mit einem Ertragsrückgang. Bei anderen Kulturen wie Raps, Erbsen oder Spargel wirkt sich eine mäßige Beschattung kaum auf die Erträge aus. Bei einigen Ackerkulturen wie Kartoffeln, Hopfen oder Leguminosen wirkt sich Beschattung sogar positiv auf die quantitativen Erträge aus.
  • Es ergeben sich zusätzliche Einkommensquellen und Synergieeffekte für die Landwirtinnen und Landwirte, wenn der Solarstrom direkt vor Ort gespeichert und genutzt werden kann.

Senkrechte Aufstellung von PV-Modulen

Für Agri-Photovoltaik-Anlagen können die einzelnen PV-Module alternativ ohne meterhohe Unterkonstruktionen senkrecht aufgestellt werden. Dabei werden Reihenzwischenräume von mindestens acht Metern veranschlagt, um beispielsweise die Grünlandwirtschaft mit Mähweide und Futterbergung oder die Beweidung mit Rindern, Schafen oder Hühnern zu ermöglichen.

Bei diesem Konzept bleiben bis zu 90 Prozent der Fläche für die landwirtschaftliche Nutzung erhalten. Der Wasserhaushalt ist nahezu unverändert, es erfolgt keine Veränderung der Niederschlagsverteilung. Im Bereich der gegen Verbiss geschützten Modulreihen können mit Blühstreifen, Totholz und Steinschüttungen Lebensräume für Insekten, Vögel und Reptilien geschaffen werden.

Agri-PV bei Sonderkulturen

Freiflächen-Photovoltaikanlage - Klick öffnet Großansicht in neuem Fenster
Der Blick von oben auf eine Freiflächen-Photovoltaikanlage.
Bild: ollo/E+/GettyImagesPlus via Getty Images

Auch über Sonderkulturen wie Obst, Beeren oder Wein ist Agri-Photovoltaik denkbar. Bei Sonder- und Dauerkulturen wird erwartet, dass die Überdachung durch die PV-Module dabei helfen kann, die Kulturen vor Starkregen, Hagel oder direkter Sonneneinstrahlung zu schützen. Damit könnte auf den Einsatz von Folienschutztunneln verzichtet werden, wodurch Arbeitszeit und Kosten gespart und Müll reduziert würde.

Im Rahmen des EU-Programmes Horizon 2020 untersuchen Fraunhofer-Wissenschaftler mit Partnern in Algerien, wie sich die APV-Anlagen durch die geringere Verdunstung und die niedrigeren Temperaturen unter den Modulen auf den Wasserhaushalt auswirken. Besonders die Regenwassergewinnung mit PV-Modulen könnte zukünftig die Landwirtschaft revolutionieren.

In anderen Anlagen soll untersucht werden, wie sich die Agri-PV-Module auf die Pflanzengesundheit und das Fruchtwachstum von Johannisbeeren, Heidelbeeren, Brombeeren und Erdbeeren auswirken.

Auch in Kombination mit Aquakultur-Anlagen ist Agri-Photovoltaik denkbar. Fraunhofer-ISE-Studien erwarten, dass eine Aqua-PV die Landnutzungsrate im Vergleich zu einer reinen Freiflächen-Photovoltaikanlage annähernd verdoppelt.

Fazit

Agri-Photovoltaik ist ein vielversprechender Lösungsansatz, um die Effizienz in der Landnutzung zu erhöhen. Sie kann grundsätzlich über allen Böden errichtet werden, auch auf fruchtbaren Ackerböden. Agri-Photovoltaik ermöglicht dabei die gleichzeitige Stromerzeugung und Nahrungsmittelproduktion auf derselben Fläche. Die landwirtschaftliche Nutzfläche bleibt weitestgehend erhalten, der Schlag wird weiter pflanzenbaulich genutzt und muss nicht in Grünland umgewandelt werden, wie es bei Freiflächenanlagen der Fall ist.

Mit der Gewinnung erneuerbarer Energien wird die Diskussion um Teller, Trog oder Tank entschärft. Es bleibt jedoch die Frage nach der Wirtschaftlichkeit, konkret ob und nach welcher Zeit sich eine Stromproduktion auf landwirtschaftlichen Flächen, gegebenenfalls auch ohne Förderung, amortisiert. Auch sind weitere Untersuchungen mit verschiedenen landwirtschaftlichen Kulturen in Forschungs- und Praxisanlagen notwendig, die die Langzeit-Effekte auf die Bestandsführung und den Ertrag untersuchen.

Letzte Aktualisierung 09.04.2024

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