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Pflanzenschutz im Wandel Pflanzenschutz

Chemischer Pflanzenschutz hat in den vergangenen Jahrzehnten steigende Erträge abgesichert. Doch Resistenzen von Schadorganismen nehmen zu und die Zahl der Zulassungen nimmt ab.

Quelle: CEA+

In Zukunft werden der biologische Pflanzenschutz, aber auch klassische ackerbauliche Instrumente an Bedeutung gewinnen.

Unter Fungiziden, Insektiziden wie Herbiziden bleibt die Zahl der Wirkmechanismen und damit die Zahl ihrer Wirkungsgruppen überschaubar. Forschung und Entwicklung von Herbiziden spüren schon seit über 30 Jahren keine zusätzlichen Zielorte in Unkrautpflanzen auf. Alle in den letzten Jahrzehnten eingeführten Getreideherbizide stammen aus bereits bekannten Wirkungsgruppen.

Ein Innovationsschub, der Stoffe mit neuen Wirkmechanismen bereithält, steht nicht bevor. Wie etwa bei fungiziden Carboxamiden, werden zwar neue Wirkstoffe innerhalb bekannter Wirkungsgruppen gefunden. Allerdings drohen bewährte Mittel und Verfahren, wie schon die neonicotinoiden Beizen im Raps, ihre Zulassung zu verlieren. Darüber hinaus entwickeln Schadorganismen immer häufiger Resistenzen, die sich in intensiv geführten Ackerbauregionen schnell verbreiten. In dieser Situation ist die Landwirtschaft gefragt, pflanzenbauliche und phytosanitäre Schaltstellen zu überdenken; auch mit dem Ziel, eine Bandbreite wirkungsvoller chemischer Pflanzenschutzmittel für die Zukunft zu erhalten.

Resistenzbildung

Populationen von Pflanzen oder tierischen Schaderregern sind in der Lage, sich im Laufe von Genrationen an neue Umweltbedingungen anzupassen. Resistenzen liegen zunächst als natürliche und vererbbare Fähigkeit einzelner Individuen einer Schaderregerpopulation vor. Denn regelmäßig überstehen einzelne Organismen eine chemische Behandlung und geben ihre Erbinformationen weiter. Wiederholen sich Umweltbedingungen, wie durch den Einsatz gleicher Wirkstoffe, werden Individuen mit resistenten Eigenschaften selektiert. In der Folge setzen sie die Empfindlichkeit ganzer Populationen gegenüber dem jeweiligen Mittel der Wahl mehr und mehr herab.

Resistenzbildung ist damit eine natürliche Antwort auf eine veränderte Umwelt. Mittlerweile haben sich in Deutschland sehr viele unterschiedliche Resistenzen gegenüber Herbiziden, Fungiziden und auch Insektiziden entwickelt.

Veränderte Zulassungssituation

Mit der Verordnung EG 1107/2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln ist die EU vom Prinzip der risikobegründeten Zulassung weggegangen und stattdessen zu einer gefahrenbezogenen Beurteilung von Pflanzenschutzmitteln übergegangen. Bewertet wird mittlerweile das Gefährdungspotenzial des reinen Wirkstoffs. Anwendungstypische Begleitumstände wie Formulierung, Konzentration oder Anwendungsauflagen treten in den Hintergrund. Außerdem gelten sogenannte Cut-off- Kriterien, das heißt Ausschlusskriterien. Wirkstoffe, die entweder giftig sind, sich in der Umwelt anreichern oder sich negativ auf den Hormonhaushalt auswirken, finden keinen Platz mehr auf der Annex-1-Listung für eine EU-Genehmigung. Sie werden also entweder gestrichen oder bei erneuter Prüfung nicht mehr aufgenommen. Diese neue Regelung ist besonders für hormonell wirksame Substanzen, kurz ED (Endokrine Disruptoren), noch stark umstritten.

Außerdem sollen nach Vorgabe der Verordnung, Wirkstoffe mit schädlichen Eigenschaften ersetzt werden. Und zwar dann, wenn andere Produkte oder Wirkstoffe von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) günstiger beurteilt werden. Die so ermittelten Kandidaten für eine Substitution verschwinden vom Markt, werden nur verkürzt zugelassen oder erhalten Auflagen für ihre Anwendung. Dieses Verfahren betrifft Altwirkstoffe wie zum Beispiel die Fungizid-Gruppe der Azole und trifft auch wichtige Herbizide. Auf welche Wirkstoffe die Praxis in Zukunft verzichten muss, steht noch nicht fest. Damit Resistenzmanagement möglich bleibt, sollen für alle Befallssituationen Mittel aus mindestens drei Wirkungsgruppen verfügbar bleiben.

Was ist zu tun?

Resistenzen werden immer durch Selektionsdruck ausgelöst, also durch wiederholten Einsatz von Mitteln gleicher Wirkmechanismen. Dem gilt es in der pflanzenbaulichen Praxis, mit einem Bündel von Maßnahmen entgegen zu wirken:

Das heißt vor allem, unterschiedliche Wirkungsgruppen soweit verfügbar abzuwechseln und mögliche Fehlerquellen bei der Applikation, konsequent im Auge zu behalten. Um möglichst viele Schaderreger auszuschalten, hat die Wirksamkeit einer Maßnahme absoluten Vorrang. Wirkstoff- und Wassermenge sind an der Bestandsentwicklung und den Umweltfaktoren auszurichten.

Wenn es um pilzliche Schaderreger geht, sind Wirkstoffwahl, Aufwandmenge und Applikationszeitpunkt wichtige Steuergrößen. Gerade bei anfälligen Sorten im Anbau, kommt es darauf an, die bekämpfbaren Stadien des Pilzzyklus zu treffen. Hier unterstützen Prognosemodelle für die Region die eigenen Erfahrungswerte und Bestandsbeobachtungen. Aktive Feldkontrolle und erregerspezifische Mittelwahl entscheiden über den Bekämpfungserfolg. Zu späte, rein kurative Maßnahmen erhöhen den Selektionsdruck. Resistente Mutanten setzen sich in den Erregerpopulationen umso schneller durch. 

Pflanzenschutz wird ganzheitlich

Die Praxis ist heute herausgefordert nachhaltige, betriebs- und standortspezifische Wege zu gehen. Eine Reihe klassischer ackerbaulicher Instrumente für das Gesundheitsmanagement auf dem Acker bieten sich an. Resistente und unempfindliche Sorten sind ein bewährtes Mittel, Pflanzenkrankheiten zu begegnen. Erweiterte Fruchtfolgen, Sommerungen, Stoppelbearbeitung, biologische Bodenaktivität, Zwischenfrüchte, Saatzeitpunkt, Wachstumsregler und Düngestrategien liefern ein breites Spektrum möglicher Stellschrauben. Digitale Helfer unterstützen dabei, pflanzenbauliche Maßnahmen besser zu verzahnen.

Biologischer Pflanzenschutz trägt in Zukunft stärker zum Gesundheitsmanagement auf dem Acker bei. Entwicklung und Forschung sind weniger kostenaufwändig als im chemischen Pflanzenschutz. Und die Chancen für eine Zulassung von Biologicals für den europäischen Markt stehen ungleich besser. Biologische Fungizide und Insektizide, biologische und physikalische Saatgutbehandlung sowie biologische Hilfsmittel, um die Nährstoffaufnahme anzuregen, halten Einzug in die pflanzenbauliche Praxis. Und für die Unkrautkontrolle kommen zunehmend mechanische Verfahren auf den Acker.

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