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Die Europäische Union möchte den Einsatz chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel bis 2030 um 50 Prozent reduzieren und das Umweltrisiko minimieren. Aufgrund dieser Bestrebungen arbeiten die Universität Hohenheim, die Georg-August-Universität Göttingen und das Julius Kühn-Institut am Projekt "NOcsPS" - Nachhaltige Landwirtschaft 4.0 Ohne chemisch-synthetische PflanzenSchutzmittel.
Das Projekt ist Teil der Initiative "Agrarsysteme der Zukunft", welche seit 2019 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt wird. NOcsPS zielt darauf ab, Prinzipien der ökologischen und konventionellen Landwirtschaft zu vereinen, um hochwertige Nahrungsmittel zu angemessenen Preisen zu produzieren. Zudem soll die Bodenfruchtbarkeit erhalten und weitere Ökosystemleistungen gefördert werden.
Wie gut können Produkte ohne chemischen Pflanzenschutz auf dem Markt bestehen? Für die Klärung dieser Fragestellung werden Betriebsanalysen, Befragungen, Risikoanalysen und Stückkostenrechnungen durchgeführt.
Ziel ist es, einen Preis festzulegen, der zwischen konventionell und ökologisch produzierten Produkten liegen könnte. Erste Ergebnisse aus Hohenheim und Dahnsdorf zeigen, dass NOcsPS-Systeme bis zu 85 Prozent der Ertragsleistung im Vergleich zu konventionellen Systemen erreichen können. Dabei ist die Abhängigkeit von den Standortbedingungen zu beachten. Eine gute Wasser- und Nährstoffversorgung sind Voraussetzungen für hohe Ertragsleistungen im Vergleich zum ökologischen Landbau.
Marktanalysen deuten darauf hin, dass Verbraucher möglicherweise bereit sind, mehr für NOcsPS-Produkte zu zahlen. Dies, kombiniert mit Förderungen aus der GAP, könnte wirtschaftlich vorteilhaft für landwirtschaftliche Betriebe mit NOcsPS-Anbau sein.
Während der Versuche erfolgt eine Bonitur von Flora und Fauna. Es wird unter anderem untersucht, wie sich die unterschiedlichen Produktionssysteme auf Schädlinge und Nützlinge, auch im Kontext der Ertragsniveaus, auswirken.
Intelligente Hack- und Striegelsysteme sollen in Zukunft das Beikraut im Pflanzenbestand regulieren. Diese Systeme nutzen künstliche Intelligenz, um zwischen unerwünschtem und nützlichem Beikraut zu unterscheiden. So könnten zum Beispiel Pflanzen wie das Adonisröschen oder der Acker-Rittersporn verschont werden. Diese können wichtig für nützliche Insekten sein und wirken sich positiv auf deren Bestände aus.
Kern der pflanzenbaulichen Forschungsarbeiten bilden Parzellenversuche in Form zweier Systemversuche an den Standorten Hohenheim und Dahnsdorf in Brandenburg. Das neu zu etablierende NOcsPS-Anbausystem wurde hinsichtlich seiner Qualität und Effizienz analysiert. Die Ertragsergebnisse wurden mit denen eines konventionellen und ökologischen Ansatzes nach EU-Standards unter Berücksichtigung verschiedener Einflussfaktoren verglichen.
Die Versuche umfassen vier beziehungsweise zwei NOcsPS-Systeme mit einer sechsgliedrigen Fruchtfolge und Wechsel von Halm- und Blattfrüchten. Neben Getreide und Mais umfasst die Fruchtfolge auch Eiweißpflanzen und Zwischenfrüchte. Das begünstigt phytosanitäre Aspekte und den Humusaufbau im Boden.
Konventionell I (KI) - Dreijährige Fruchtfolge mit Mineraldüngung und chemisch-synthetischem Pflanzenschutz
Konventionell II (KII) - Sechsjährige Fruchtfolge mit Mineraldüngung und chemisch-synthetischem Pflanzenschutz
Ökologisch (Öko) - Sechsjährige Fruchtfolge ohne Düngung nach EU Standard
NOcsPS I - Sechsjährige Fruchtfolge mit reduzierter Mineraldüngung ohne chemisch-synthetischen Pflanzenschutz
NOcsPS II - Sechsjährige Fruchtfolge mit reduzierter Mineraldüngung ohne chemisch-synthetischen Pflanzenschutz und mit annähernder Gleichstandsaat
NOcsPS III - Sechsjährige Fruchtfolge mit reduzierter und platzierter Mineraldüngung durch Cultantechnik, ohne chemisch-synthetischen Pflanzenschutz, mit annähernder Gleichstandsaat und Einsatz von Biostimulanzien, Mikronährstoffen sowie Algenextrakt
NOcsPS IV - Sechsjährige Fruchtfolge mit reduzierter Mineraldüngung ohne chemisch-synthetischen Pflanzenschutz mit Weidelgras als letzter Kultur
* Im ersten Jahr wurde eine andere Sorte genutzt.
Hinweis: Auswirkungen der veränderten Behandlungen, wie die Reduzierung von Dünger oder Pflanzenschutzmitteln werden generell erst nach einiger Zeit sichtbar. Die vorliegenden Ergebnisse sind demnach lediglich Tendenzen.
Die nachfolgenden Ergebnisse beziehen sich auf das NOcsPS-Anbausystem im Vergleich zum ökologischen und/oder konventionellen Anbausystem.
Erträge und Qualität
Saatmuster
Biodiversität
Nachhaltigkeit
Anbausysteme ohne chemisch-synthetischen Pflanzenschutz erfordern zwingend eine Anpassung der Kulturmaßnahmen an den jeweiligen Standort. Dies hat einen entscheidenden Einfluss auf möglichem Befallsdruck unter anderem durch pilzliche Schaderreger oder Unkräuter.
Hier könnte sich bereits der Aussaatzeitpunkt als entscheidender Faktor herausstellen und eine spätere Aussaat könnte vorteilhaft sein. Vor der Aussaat können dann zunächst noch Pflegemaßnahmen mit Striegel oder Hacke durchgeführt werden, um Unkraut oder Ausfallgetreide in der Fruchtfolge zu reduzieren.
Eine weitere Reihenführung kann die Durchlüftung der Pflanzen begünstigen, womit die Anfälligkeit für Pilzerkrankungen reduziert werden kann. Eine geringere Aussaatstärke kann diesen Effekt verstärken. Es ist jedoch zu beachten, dass Unkräuter, wie die sich auch vegetativ vermehrenden Disteln, ohne ein vorausschauendes Management nur schwer zu bekämpfen sind.
Eine Diversifizierung des Pflanzenschutzportfolios ist im NOcsPS-Anbausystem zur Sicherung des Ertrages und der Qualität unabdingbar, da durch den Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel ein häufigeres Auftreten von Pflanzenkrankheiten wahrscheinlich ist.
Bei Befallssituationen können zum Beispiel „Biological Control Agents“ eingesetzt werden. Mit ihrem Einsatz konnte in Versuchen eine geringere Befallshäufigkeit nachgewiesen werden. Des Weiteren spielt das Monitoring des Bestandes eine sehr wichtige Rolle, um potentielle Infektionsherde schnell zu detektieren. Ein Befall kann zum Beispiel mit einer Multi- oder Hyperspektralkamera unter Verwendung einer Drohne festgestellt werden. Die Daten der Bildaufnahmen können für eine KI-basierte Bildauswertung herangezogen werden. Ein „Deep Learning-Modell“ kann dann die Pathogendetektion unterstützen.
Ein Anbausystem ohne chemisch-synthetischen Pflanzenschutz muss akzeptiert und tragbar für Betriebe sein - Insbesondere wenn es für den Systemwechsel von bestehenden Bewirtschaftungsformen genutzt werden soll. Interviews zur Akzeptanz bei Betriebsleitern haben ergeben, dass Vertriebs- und Vermarktungsstrukturen geschaffen werden müssen. Diese sollten sicherstellen, dass kostendeckend produziert werden kann. Das heißt Mehrpreise sollten zumindest zum Teil vom Verbraucher bezahlt werden.
Die Vorzüglichkeit von NOcsPS richtet sich nach den angebauten Kulturen und regionalen Gegebenheiten. Für die Umsetzung ist daher immer der Standortfaktor zu berücksichtigen. Ergebnisse der Akzeptanz von NOcsPS-Produkten in Umfragen bei Verbrauchern zeigten, dass ein Verzicht auf chemisch-synthetischen Pflanzenschutz von Verbrauchern goutiert wird. Es liegen höhere Zahlungsbereitschaften von NOcsPS-Ackerbau- sowie Milchprodukten im Vergleich zu konventionellen Erzeugnissen vor.
Der Markt für dieses Anbausystem scheint also erschließbar zu sein. Hierfür müssen sich jedoch alle Glieder der Wertschöpfungskette untereinander synchronisieren. Diese Herausforderungen sollten in Abstimmung mit der Politik erfolgen. Gelingt der Systemwechsel, könnte ein nachhaltiger Beitrag zum Umwelt-, Natur- und Klimaschutz geleistet werden.
Für weitere Informationen:
LaNdwirtschaft 4.0 Ohne chemisch-synthetischen PflanzenSchutz
Letzte Aktualisierung 26.06.2024