Wir verwenden Cookies, um Ihnen die optimale Nutzung unserer Webseite zu ermöglichen. Es werden für den Betrieb der Seite nur notwendige Cookies gesetzt. Details in unserer Datenschutzerklärung.
Das Wichtigste in Kürze:
Herbizide sind im konventionellen Landbau unverzichtbare Betriebsmittel, um Unkräuter zu regulieren und Erträge zu sichern. Allerddings hat der über lange Zeit sichere und einfache Herbizideinsatz zu acker- und pflanzenbaulichen Vereinfachungen geführt, die neue Unkrautprobleme in der Produktion geschaffen haben.
Die Ausbreitung resistenter und schwer bekämpfbarer Unkräuter ist dafür ein aktuelles und viel diskutiertes Beispiel. Erschwert wird die chemische Bekämpfung auch dadurch, dass die Anzahl an verfügbaren Wirkstoffen bzw. Herbiziden durch strengere Zulassungsverfahren abnimmt. Darüber hinaus zwingt die gesellschaftliche Kritik am chemischen Pflanzenschutz den Landwirt zu einem Umdenken. Die Grundsätze des Integrierten Landbaus gewinnen also aus verschiedenen Gründen wieder an Bedeutung.
Auf nationaler Ebene strebt die Ackerbaustrategie 2035 grundsätzlich eine Minderung des Verbrauchs chemischer Pflanzenschutzmittel an, ohne jedoch in Bezug auf Mengen und Zeit konkrete Ziele zu nennen. Darüber hinaus haben einzelne Bundesländer Reduktionsstrategien für Pflanzenschutzmittel initiiert, in denen über Ordnungsrecht oder Förderung und Beratung eine Reduktion erreicht werden soll.
Derzeit ist nicht klar, welche konkreten Vorgaben durch die Farm-to-Fork-Strategie der Europäischen Union für die Mitgliedstaaten zu erwarten sind. Die kontroversen Diskussionen der beteiligten Verbände und Betroffenen auf nationaler und europäische Ebene spiegeln die unterschiedliche Bewertung von Nutzen und Risiken chemischer Pflanzenschutzmittel wider.
Der Integrierte Landbau basiert vor allem auf vorbeugende Methoden, die darauf abzielen, in optimaler Abstimmung das Samenpotenzial der Unkräuter dauerhaft auf einem geringen Niveau zu halten (Abb. 2). Viele dieser Elemente sind ausreichend wissenschaftlich untersucht und erfolgreich erprobt. Zum Teil sind sie daher fester Bestandteil landwirtschaftlicher Praxis (z. B. Anbaupausen bestimmter Kulturen in der Fruchtfolge einzuhalten) oder sind rechtlich vorgeschrieben (z.B. Maßnahmen zur Erhaltung von Ackerflächen in einem guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand - GLÖZ).
Folgende Mechanismen geeigneter acker- und pflanzenbaulicher Maßnahmen greifen dabei ineinander:
a) Förderung des biotischen und abiotischen Abbaus von Unkrautsamen (durch Bodenbearbeitung und Förderung des Bodenlebens)
b) Förderung der Keimung von Unkräutern außerhalb der Kultur (Bodenbearbeitung, Falsches Saatbett)
c) Verringerung der Auflaufrate von Unkräutern in der Kultur (Fruchtfolge, Falsches Saatbett, verzögerte Aussaat)
d) Verringerung des Unkrautwachstums und der Samenproduktion (Fruchtfolge, Sortenwahl, Aussaat, Bestandesführung und direkte Bekämpfung)
Für ein effizientes Unkrautmanagement sind Fruchtfolge-Maßnahmen besonders wirkungsvoll, weil sie vorbeugend und dauerhaft das Samenpotenzial im Boden verringern und vor allem die Selektion von Problemunkräutern verhindern können. Eine vielseitige Fruchtfolge mit an Boden und Klima angepassten Kulturen ist eine sichere planbare Größe, die auch die betriebswirtschaftlichen Risiken streut.
In den meisten Ackerbau-Betrieben läuft es auf die Frage hinaus, wie der dominierende Winterweizen in einseitigen Fruchtfolgen ersetzt werden kann. Ein Wechsel von Winter- und Sommerkulturen verhindert, dass Herbst- oder Frühjahrskeimer einseitig gefördert werden. Umgekehrt hat der hohe Anteil von Winterweizen zu den bereits beschriebenen Problemen mit Ungräsern wie Acker-Fuchsschwanz oder Gemeinem Windhalm geführt.
Der Anteil an Sommerungen wie Kartoffeln, Zuckerüben oder Leguminosen ist aufgrund ihrer oft nur regionalen wirtschaftlichen Bedeutung gering. Darüber hinaus werden Aussaaten im Frühjahr aus klimatischen Gründen immer schwieriger, weil sie zu stark unter der wachsenden Frühsommertrockenheit leiden. Viele dieser Feldfrüchte, zu denen auch der Mais gehört, werden als Hackfrüchte bezeichnet. Sie bieten sich daher für mechanische Bekämpfungsverfahren an, die in den letzten Jahren technisch deutlich verbessert worden sind (siehe unten).
Als wichtiger Hebel für das Unkrautmanagement bietet sich vor allem bei Winterweizen ein verzögerter Aussaattermin an. Aussaaten ab Mitte Oktober reduzieren den Unkrautdruck deutlich und sollten auch dann in Erwägung gezogen werden, wenn für maximale Kornerträge ein früherer Termin empfohlen wird.
Eng verbunden mit einer gezielten verzögerten Aussaat kann zusätzlich das sogenannte Falsche Saatbett, auch Scheinsaat genannt, den Unkrautdruck in der Kultur mindern. Dabei wird der Boden feinkrümelig hergerichtet, so dass möglichst viele Unkräuter auflaufen. Je nach Witterung und Bodenzustand erfolgt 10-14 Tage später ein weiterer Bearbeitungsgang und die Aussaat, mit der die aufgelaufenen Unkräuter zerstört werden.
Das Verfahren birgt jedoch ähnlich wie bei einer verspäteten Saat ein gewisses Risiko: Durch die ungünstigeren Witterungsbedingungen im Herbst verschlechtern sich oft auch die Aussaatbedingungen. Berücksichtigt man den zu erwartenden Klimawandel, können längere Vegetationsperioden und mildere Winter die Nachteile einer späteren Aussaat von Wintergetreide kompensieren. Für Sommerungen ist das Falsche Saatbett jedoch weniger gut geeignet, weil die Auflaufrate der Unkräuter meist nicht ausreichend gesenkt wird und sich andererseits die verkürzte Vegetationszeit ertragsmindernd auswirken kann.
Getreidearten und -sorten unterscheiden sich in ihren morphologischen Eigenschaften (Blatthaltung, Blattfläche, Wuchshöhe) und damit auch in ihrer Unkrautunterdrückung. Feldversuche mit Winterweizen haben gezeigt, dass die Verunkrautung in konkurrenzschwachen Sorten das Vierfache von konkurrenzstarken Sorten betragen kann. Ein weiterer praktischer Nebeneffekt ist, dass durch die Konkurrenzkraft einer Sorte die Wirksamkeit von Herbiziden deutlich gesteigert werden kann.
Neben der Sortenwahl gibt es durch die optimierte Aussaat weitere Ansätze, die Konkurrenzkraft der Kultur gegenüber Unkräutern zu steigern. Entscheidend ist eine zügige Jugendentwicklung und gleichmäßige Bestandesentwicklung. Die Landtechnik konnte hierfür in den vergangenen Jahren mit neuartigen Sämaschinen und Geräten zur Saatbettbereitung einen positiven Beitrag leisten. Durch die Einzelkornsaat zum Beispiel, aber auch schon durch engere Reihenabstände und höhere Saatstärken lassen sich Unkräuter zusätzlich unterdrücken. Leider kommen diese Vorzüge oft nicht zur Geltung, wenn aus arbeitswirtschaftlichen Gründen der optimale Saattermin nicht eingehalten werden kann.
Die Methoden des Integrierten Landbaus sind überwiegend nur dann wirksam, wenn sie frühzeitig und in Kombination eingesetzt werden. Ihr Einsatz erfordert mehr Fachwissen, Beobachtung sowie Erfahrung. Das nachfolgende Beispiel (Tab. 1) verdeutlicht, wie sich die Effekte von Fruchtfolge, Bodenbearbeitung und Aussaattermin im Sinne eines geringen Unkrautdrucks verstärken können. Es zeigt auch, dass Fruchtfolge-Maßnahmen umso wichtiger sind je extensiver der Boden bearbeitet wird (z.B. bei Pflugverzicht) - und umgekehrt. Diese Erkenntnisse sind durch neue Feldstudien vielfach bestätigt worden.
Wirkung von Grundbodenbearbeitung, Saattermin und Kultur auf die Auflaufrate von Acker-Fuchsschwanz (Amann, 1991)
Grundbodenbearbeitung | ||||
wendend | nicht wendend | |||
Saattermin | ||||
Kultur | früh | spät | früh | spät |
Pflanzen/m² | ||||
Winterraps | 46 | 27 | 125 | 131 |
Winterweizen | 51 | 9 | 307 | 58 |
Sommergerste | 53 | 12 | 157 | 66 |
Mais | 9 | 1 | 33 | 6 |
Auch wenn alle vorbeugenden Maßnahmen zum Unkrautmanagement optimal genutzt werden, werden Herbizide in absehbarer Zeit vermutlich weiterhin unverzichtbar sein. Die Grundsätze des Integrierten Pflanzenschutzes setzen hier aber Grenzen, die gesetzlich vorgeschrieben sind. Aus ökonomischen wie ökologischen Gründen müssen Herbizide so eingesetzt werden, dass das notwendige Maß eingehalten wird.
Innovationen in der Applikationstechnik haben zu deutlich gezielteren Anwendungen von Pflanzenschutzmitteln geführt und vor allem im Bereich der chemischen Unkrautbekämpfung Reduktionspotenziale geschaffen. Damit lassen sich sowohl ökonomische Vorteile erreichen als auch ökologische Risiken minimieren. Ein besonders effektives Beispiel ist die sensorgesteuerte, punktgenaue Herbizid-Applikation auf Unkräuter, die durch digitale Automatisierungsprozesse in der stehenden Kultur detektiert und behandelt werden können.
Mit der Einführung neuer aufwändiger Technologien ist meist ein hoher Investitionsbedarf verbunden, der zumindest in der Einführungsphase nur für Großbetriebe und Lohnunternehmen in Frage kommt. Erschwerend kommt hinzu, dass die möglichen Mitteleinsparungen die höheren Kosten für die Technik nicht immer kompensieren. Der Erfolg ist außerdem abhängig von vielen technischen Faktoren und erfordert eine hohe Qualifikation des Anwenders.
Im Gegensatz zu den komplexen Präzisions-Applikationen, die ohnehin nur für Herbizide im Nachauflauf nutzbar sind, bieten sich in Reihenkulturen Herbizid-Bandspritzungen (in Kombination mit Hackmaßnahmen) an. Sie sind technisch deutlich einfacher und robuster, und ihre Einsparungen im Vergleich zur Flächenbehandlung lassen sich vorab recht genau kalkulieren.
Die deutlichsten Einsparungen lassen sich erreichen, wenn der Unkrautdruck gering ist (durch vorbeugenden Pflanzenschutz), wenn überflüssige Anwendungen unterbleiben und wenn Mittelwahl und Dosierung der Herbizide so gezielt wie möglich erfolgt. Ein weiterer innovativer Ansatz zur Reduktion von Herbiziden steht mit der Entscheidungshilfe InnoHerb zur Verfügung, die über das ISIP-Portal genutzt werden kann. Im Gegensatz zu vielen Werkzeugen des Integrierten Landbaus lässt sich mit InnoHerb eine messbare, signifikante Reduzierung erreichen, die neben den allgemeinen ökologischen Vorteilen auch betriebliche Kosten einspart.
In den letzten Jahren ist nicht nur die chemische, sondern auch die mechanische Unkrautbekämpfung deutlich effizienter geworden. Gründe hierfür sind vor allem die Ausweitung des ökologischen Landbaus sowie die Zunahme problematischer, meist herbizidresistenter Unkrautarten. Letztlich sind auch mechanische Lösungen für Gemüse- und Sonderkulturen nötig, für die keine ausreichenden Herbizide zugelassen sind.
Heutige moderne Striegel sind in Bezug auf Flächenleistung, Einsatzmöglichkeiten und Bekämpfungserfolge konstruktiv optimiert worden. Auch Hackgeräte erreichen durch den Einsatz kamerageführter Arbeitswerkzeuge höhere Wirkungsgrade und können enger an der Kulturpflanzenreihe arbeiten, als das mit herkömmlichen Scharhacken der Fall ist.
Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl zusätzlicher Modelle wie z.B. Roll- oder Sternhacken, die entweder unabhängig oder entlang der Pflanzenreihe arbeiten. Mehrere Tage mit trockener Witterung und ein feinkrümeliger, schüttfähiger Boden sind Voraussetzung für ein gutes Kontrollergebnis. Die Terminierung und die richtige Einstellung des Geräts erfordern allerdings viel Erfahrung, um eine gute Unkrautwirkung und Kulturverträglichkeit zu erreichen.
Automatisierungsprozesse finden auch Einzug bei der mechanischen Bekämpfung: Vielfach noch in Forschungs- und Entwicklungsvorhaben, gibt es zunehmend autonome Fahrzeuge in Kulturen, in denen das kostenintensive Handhacken ersetzt werden kann (Abb. 5). Diese Entwicklungen sind bei weitem noch nicht abgeschlossen.
Es gibt gute Gründe und Möglichkeiten, die Grundsätze des Integrierten Pflanzenschutzes wieder stärker in den Vordergrund zu rücken. Die Grenzen des Herbizideinsatzes wie auch der Wunsch der Gesellschaft sprechen dafür, das Unkrautmanagement auf eine breite acker-und pflanzenbauliche Basis zu stellen. Umwelt und Betriebswirtschaft können davon gleichermaßen profitieren.
Auch wenn mit den vielfältigen Programmen und ausgewählten Maßnahmen die angestrebte Herbizidreduktion in Deutschland offensichtlich bislang noch nicht erreicht werden konnte, gibt es für die Zukunft erfolgversprechende Ansätze. Der Begriff Innovation sollte sich dabei nicht nur auf komplexe technische Lösungen oder marktfähige Produkte beziehen, sondern auch Systemlösungen beinhalten.
Viele Werkzeuge des Integrierten Landbaus verursachen keine oder nur geringe zusätzliche Kosten, sie werden aber im Gegensatz zu Herbiziden marktwirtschaftlich nicht beworben oder vertrieben. Es ist daher Aufgabe von Forschung und Beratung, in enger fachlicher Zusammenarbeit die integrierte Wirtschaftsweise noch weiter zu entwickeln und stärker in die Praxis zu bringen.
Letzte Aktualisierung 23.10.2024