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Die Mahd von Grünland und Energiepflanzen fällt mitten in die Brut- und Setzzeit vieler Wildtiere. Jedes Jahr wird daher die Ernte Rehkitzen und Junghasen zum Verhängnis: Obwohl sie bereits wenige Stunden nach der Geburt laufen können, ducken sie sich bei Gefahr tief ins Gras, anstatt wegzulaufen. Außerdem können diverse bodennah lebende Kleinsäuger und Amphibien, Bodenbrüter sowie deren Gelege und auch Insekten bei der Mahd verletzt oder getötet werden.
Für Landwirtinnen und Landwirte kommt neben der psychischen Belastung durch das unbeabsichtigte Vermähen und Verletzen von Tieren auch die Gefahr hinzu, dass Kadaver in der Silage landen und diese kontaminieren. In Tierkadavern kann sich das Bakterium Clostridium botulinum vermehren, welches den Giftstoff Botulinumtoxin produziert. Fressen Tiere die kontaminierten Futtermittel, kann es zu Botulismus kommen, einer lebensbedrohlichen Vergiftung.
Alle Grünlandbewirtschaftenden, also Landwirtinnen und Landwirte, Lohnunternehmerinnen und Lohnunternehmer, Landschaftspflegeunternehmen und Privatpersonen sind nach dem Gesetz verpflichtet, vorbeugende Maßnahmen zur Wildtierrettung zu ergreifen. Da es keine Maßnahme gibt, die alle Tiere zu allen Zeitpunkten gleichermaßen schützt, sollten verschiedene Maßnahmen sinnvoll miteinander kombiniert werden, je nachdem, welche Tiere sich auf der Fläche befinden. Wichtig ist auch die anstehenden Grünschnitt-Termine rechtzeitig mit dem Jagdpächter abzustimmen.
Das Absuchen der Fläche durch Begehen ist einfach durchzuführen und kann durch den Einsatz geeigneter Hunde unterstützt werden. Technische Unterstützung beim Absuchen bietet der Einsatz von bis zu sechs Meter breiten Infrarot-Sensorbalken, die Wildtiere aufspüren sollen. Da das Ablaufen mit dem Infrarotgerät viel Zeit in Anspruch nimmt, können die Geräte auch auf ein Quad montiert werden, der die zu mähende Fläche abfährt. Besonders gut geeignet sind die tragbaren Infrarotsensoren für kleinere Flächen wie Erosionsschutz- oder Gewässerrandstreifen. Ein Nachteil der Technik: Bei höheren Temperaturen, beispielsweise ab dem späten Vormittag, kommt es vor, dass die Infrarotsensoren Rehkitze nicht mehr zuverlässig detektieren.
Seit einigen Jahren werden auch Drohnen mit Wärmebildkameras zum Absuchen von Flächen eingesetzt. Diese haben sich als sehr effektive Maßnahme zum Orten und Retten von Rehkitzen erwiesen. Dabei ist der Zeitpunkt des Drohneneinsatzes sehr wichtig: Wird am Abend vor der Mahd geflogen, damit keine direkte Sonneneinstrahlung mehr vorhanden ist, können von der Fläche entfernte Kitze über Nacht wieder ins hohe Gras zurückflüchten. Deswegen sollte der Drohneneinsatz möglichst unmittelbar vor dem Mähen erfolgen.
Die gefundenen Kitze werden am besten mit einem Wäschekorb abgedeckt und erst kurz vor dem Mähbeginn – ohne sie mit bloßen Händen anzufassen – weggebracht, damit sie nicht zurück in die zu mähende Fläche laufen. Neuere Drohnen verfügen über eine verbesserte Technik und arbeiten beispielsweise mit Hotspot-Technologie, bei der sich der Schwellenwert als Unterschied zur Umgebungstemperatur beliebig einstellen lässt. Damit wird der Drohneneinsatz unabhängiger von Wetter- und Lichteinfall. Je nach Lage der Fläche und Drohnenmodell sollten die jeweils gültigen Rechtsvorschriften zum Flug beachtet werden.
Wildtiere kann man auf verschiedene Weise vergrämen. Zum einen durch das Begehen der Fläche, gegebenenfalls mit geeigneten Hunden. Mit gekauften oder selbstgebauten Scheuchen werden Wildtiere durch optische oder akustische Reize vergrämt. Eine weitere Möglichkeit ist die Verstänkerung mit Geruchsstoffen. Diese Maßnahmen sollten allerdings erst ein bis maximal zwei Tage vor der Mahd vorgenommen werden, da sonst ein Gewöhnungseffekt bei den Tieren eintritt. Während der Mahd können außerdem am Mähwerk montierte akustische Wildretter eingesetzt werden.
Zudem empfiehlt sich das Anmähen der Vorgewende oder eines Schnittstreifens am Vorabend der eigentlichen Mahd. Vor dem Anmähen sollte der betreffende Bereich allerdings abgesucht werden. Ein Vorteil dieser Maßnahme: Die Tiere verlassen die Flächen von alleine und Ricken haben Zeit, über Nacht ihre Kitze aus der Fläche zu führen. Ein Nachteil: Diese Maßnahme entbindet nicht von der Absuche der gesamten Fläche unmittelbar vor der Mahd.
Seit vielen Jahren wird das Mähen von innen nach außen empfohlen. Diese Mähweise ermöglicht Wildtieren die Flucht von der Fläche durch noch ungemähten Aufwuchs. In einigen Bundesländern wie zum Beispiel Nordrhein-Westfalen und Bayern ist das Mähen von außen nach innen von Grünlandflächen ab einer Größe von einem Hektar – ausgenommen von stark hängigem Gelände - inzwischen sogar verboten.
Bei sehr schmalen und langen Parzellen kann auch von einer Seite zur anderen gemäht werden. Dabei sollte auf die Fluchtrichtung der Tieregeachtet werden, beispielsweise von Straßen weg und hin zum Wald. Größere Schläge sollten am besten in Portionen gemäht werden. Grundsätzlich empfiehlt es sich, die Fahrtgeschwindigkeit zu reduzieren, um Tieren die Flucht zu ermöglichen. Häufig gestaltet sich das in der Praxis aufgrund von Zeitdruck als schwer durchführbar, sodass anderen Maßnahmen zum Schutz der Wildtiere bevorzugt werden.
Mit der Wahl eines möglichst frühen Schnittzeitpunktes vor oder bis zum Ähren- und Rispenschieben der Hauptbestandsbildner schwindet die Wahrscheinlichkeit, dass Rehkitze in den wenig hohen Bewuchs gesetzt werden. Bei einem späten Schnittzeitpunkt nach dem 15. Juli sind die Rehkitze schon flüchtig. Wenn zwischen dem ersten und zweiten Schnitt mindestens sieben, besser acht Wochen liegen, haben zudem bodenbrütende Wiesenvögel die Chance, ein zweites Gelege auszubrüten, insofern das Gelege beim ersten Schnitt zerstört wurde.
Beim Mähen werden auch viele Insekten verletzt oder getötet. Um die Insektenwelt zu schonen, sollte daher nicht bei starkem Bienenflug gemäht werden. Außerdem verringert die Mahd vor und nach dem täglichen Bienenflug sowie bei bedecktem Himmel und kühleren Temperaturen den Insektenverlust. Auch der Verzicht auf den Aufbereiter schont die Insektenwelt.
Grundsätzlich gilt: Je höher die Schnitthöhe, desto geringer sind die Verluste bodennah lebender Kleinsäuger und Amphibien. Eine Schnitthöhe von mindestens acht bis zehn Zentimetern rettet ihnen das Leben. Bei der Ernte der Ganzpflanzensilage verspricht die Begrenzung der Schnitthöhe auf etwa 15 bis 20 Zentimeter in der kritischen Aufzuchtzeit zusätzlichen Erfolg bei der Rettung von Rehkitzen, die sich instinktiv ducken. Diese Maßnahme schütz auch Bodenbrüter.
Die Mähwerk-Hersteller reagieren ebenfalls mit technischen Anpassungen. Zum einen gibt es Sensorbalken, die direkt am Frontmähwerk angebracht sind. Wenn der Sensor ein Kitz detektiert, gibt er ein Signal an die Mähwerkshydraulik, die unmittelbar darauf automatisch angehoben wird. Eine andere Variante ist ein Zwischenrahmen mit Sensorbalken. Dieser wird zwischen Schlepper und Frontmähwerk eingefügt. In der Arbeitsstellung ist er nach außen geklappt und erfasst die Arbeitsfläche des Heckmähwerkes oder, wenn nur mit einem Frontmähwerk gearbeitet wird, die nächste Schnittbahn. Beim Fund eines Kitzes erhält der Fahrer ein optisches und akustisches Signal und kann das Heckmähwerk anheben. Laut Herstellerangaben detektieren die Sensoren auch bei voller Sonneneinstrahlung.
Spezielle Mähtechnik (z.B. Balkenmäher) kann ebenso helfen, die Wildtierverluste zu verringern. Außerhalb der Landschaftspflege ist der Einsatz von Balkenmähern jedoch begrenzt, da sie zum einen verstopfungsanfällig sind und zum anderen eine geringe Flächenleistung aufweisen.
Ein vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) gefördertes Projekt hat die Lebensraumnutzung von Wildtieren und die Effektivität von Wildtierrettungsmaßnahmen erforscht. Jäger, Landwirte, ehrenamtliche Wildtierretter und alle Interessierten konnten das Projekt durch Meldungen zu Wildtier- und Rehkitzfunden und zum Einsatz verschiedener Wildtierrettungsmaßnahmen aktiv unterstützen.
Grundsätzlich gilt: Wo immer möglich, sollten mehrere Maßnahmen von der Vergrämung über die Suche bis hin zur direkt am Mähwerk angebrachter Wildrettungstechnik oder auch Drohnen eingesetzt und auch dokumentiert werden. Wenn es dennoch zu einem Wildunfall kommen sollte, dient die Dokumentation auch der Beweissicherung.