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Frauen sind in vielerlei Funktionen in der Landwirtschaft tätig. Sie sind mitarbeitende Familienangehörige als Mutter oder Partnerin des landwirtschaftlichen Betriebsleiters, ungelernte Arbeitskraft im Mini-Job, Herdenmanagerin, leitende Angestellte im Agrarbüro großer Unternehmen, eigenständige Agrar-Unternehmerin und vieles mehr. Doch oft wird ihre Rolle auf den Betrieben, in der Dorfgemeinschaft, auf Gemeindeebene bis hin zum gesamten ländlichen Raum immer noch unterschätzt und wenig wertgeschätzt. In agrarstatistischen Erhebungen wurde die Leistung von Frauen in der Landwirtschaft in der Vergangenheit häufig nicht separat erfasst und die Arbeiten und Tätigkeiten rund um die Landwirtschaft wurden nicht geschlechtsspezifisch ausgewertet.
Laut Agrarstrukturerhebung 2023 arbeiteten in Deutschland auf 255 Tausend landwirtschaftlichen Betrieben rund 876 Tausend Menschen. Rund 35 Prozent aller Arbeitskräfte in der Landwirtschaft waren weiblich. Der Frauenanteil bei den Familienarbeitskräften und den ständig Beschäftigten lag jeweils bei 32 Prozent. Etwas überrepräsentiert sind Frauen bei den Saisonarbeitskräften mit 44 Prozent. Hingegen sind nur 11 Prozent der Betriebsleitenden weiblich.
Zum europäischen Vergleich: Laut Eurostat-Daten für das Jahr 2017 waren in den Niederlanden fünf Prozent aller Betriebsleitenden Frauen und in Dänemark acht. In Österreich, Italien, Estland und Rumänien wurde rund ein Drittel der Betriebe von Frauen geleitet. Den höchsten Anteil an Betriebsleiterinnen erreichten Litauen mit 47 Prozent und Lettland mit 45 Prozent.
Bei den Auszubildenden stellt sich das Geschlechterverhältnis laut Statistik über die praktische Berufsbildung in der Landwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland ähnlich dar. Im Jahr 2022 waren im Durchschnitt knapp 25 Prozent der Auszubilden in den Grünen Berufen weiblich. In den letzten 15 Jahren lag der Frauenanteil relativ konstant bei rund 22-24 Prozent.
Bei den Studierenden ist der Frauenanteil vergleichsweise hoch. So waren 2022/2023 rund 48 Prozent der rund 15.100 Studierenden der Agrarwissenschaften beziehungsweise Landwirtschaft Frauen, im Studienfach Gartenbau lag der Frauenanteil bei rund 46 Prozent, im Studienbereich Forstwissenschaften und Holzwirtschaft lag er bei 37 Prozent.
2019 wurde im Auftrag des Deutschen Landwirtschaftsverlags (dlv) durch das Unternehmen AgriExperts zum Thema Frauen in der Landwirtschaft eine Umfrage durchgeführt. Die 514 teilnehmenden Frauen sind insgesamt gut ausgebildet. 68 Prozent von Ihnen haben eine Berufsausbildung absolviert, davon 29 Prozent eine landwirtschaftliche Lehre und 22 Prozent eine kaufmännische. 32 Prozent der Umfrage-Teilnehmerinnen haben studiert, davon 22 Prozent an landwirtschaftlichen Hochschulen.
Ein Drittel der befragten Frauen gab an, dass sie mehr als 40 Stunden pro Woche im Betrieb arbeiten. 17 Prozent arbeiten 30 bis 40 Stunden im landwirtschaftlichen Betrieb. Weniger als 20 Stunden Tätigkeiten in der Landwirtschaft pro Woche gaben 32 Prozent der Frauen an.
Die Haupttätigkeiten liegen in der Stallarbeit und Tierversorgung (Mehrfachnennungen waren möglich). Dies gaben knapp zwei Drittel der Befragten an, gefolgt von Buchführung und Büromanagement mit 62 Prozent. Weniger als ein Viertel der Frauen gaben Feldarbeit an, gefolgt von Öffentlichkeitsarbeit (14 Prozent) und der Direktvermarktung (12 Prozent).
Gut die Hälfte der Frauen trifft betriebliche Entscheidungen gemeinsam mit ihrem Partner, bei knapp 30 Prozent sind die Frauen zwar in die Entscheidung mit eingebunden, das letzte Wort hat aber der Partner, so die Umfrage. Jede 10. Frau gab an, gar keinen Einfluss auf die betrieblichen Entscheidungen in der Landwirtschaft zu haben.
Die vielfältige Lebenswirklichkeit von Frauen auf landwirtschaftlichen Betrieben untersuchte auch die Studie „Die Lebenssituation von Frauen auf landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland“. Regionale Unterschiede wurden hier ebenso berücksichtigt wie unterschiedliche Betriebsformen und Lebensentwürfe. Sowohl Betriebsleiterinnen und Geschäftsführerinnen, mitarbeitende Familienangehörige, (ehemals) angestellte Frauen als auch Altenteilerinnen kommen zu Wort. Es geht um Arbeitsbelastung, Ehrenamt und Familie. Was macht Freude? Was Sorgen?
Das Forschungsprojekt lief bis Februar 2023 und wurde im Auftrag des BMEL von Wissenschaftlerinnen des Thünen-Instituts für Betriebswirtschaft und des Lehrstuhls für Soziologie Ländlicher Räume der Georg-August-Universität Göttingen durchgeführt. Kooperationspartner war der Deutsche Landfrauenverband.
Mit dem Projekt sollten die gegenwärtigen Lebensverhältnisse und die Zukunftsperspektiven der Frauen in der Landwirtschaft und deren Bedeutung für den sozialen Zusammenhalt in ländlichen Regionen näher beleuchtet werden. Im Rahmen des Projekts wurden biografische Interviews sowie Workshops durchgeführt, in denen die Frauen nach Themen gefragt wurden, die sie bewegen. Dazu kamen eine Online-Umfrage und circa 50 weitere qualitative Interviews.
Das Forschungsprojekt zeigte: Die Hofnachfolge gestaltet sich für Frauen schwieriger als für Männer, so die Wissenschaftlerinnen Janna Luisa Pieper und Susanne Padel. Die Eigentumsverhältnisse seien auch heute noch patriarchal geprägt. Da häufig noch an der Tradition der männlichen Hofnachfolge festgehalten werde, hätten Frauen kaum Chancen, geerbten Zugang zu Hofstellen und Land zu erhalten. Oft kommen Frauen nur durch Existenzgründung, außerfamiliäre Hofübernahme oder Einheirat zu einem landwirtschaftlichen Betrieb.
Frauen, die einen Hof übernommen haben, berichteten in den Interviews und Workshops im Rahmen des Projekts, dass ihnen nur die Verhinderung des Bruders, etwa durch Krankheit oder Desinteresse an der Landwirtschaft, die Hofübernahme ermöglicht hätte. Dies sei bedauerlich, so die Autorinnen, denn oft seien gerade die Frauen Impulsgeberinnen für neue Bewirtschaftungsweisen, Betriebszweige oder Vermarktungskonzepte auf den Höfen.
Auch in der sozialen und rechtlichen Sicherung von Frauen gebe es noch Nachholbedarf: Auffällig sei, dass die eingeheirateten Frauen beziehungsweise Partnerinnen sich zwar als Miteigentümerinnen der neuen Betriebszweige oder des kompletten Betriebes verstehen, sie es aber auf dem Papier oft nicht sind. Dieser Umstand hat schwere Konsequenzen im Fall einer Trennung, Scheidung oder im Erbfall, da die Frauen dann keine Ansprüche auf die von ihnen gegründeten und geführten Unternehmen haben.
Frauen, die auf einem landwirtschaftlichen Betrieb leben, jedoch außerlandwirtschaftlich beschäftigt sind, empfinden ihre Lebenskonstellation zum Teil als viel ausgewogener, berichten Pieper und Padel. Die Berufstätigkeit verschaffe ihnen „Auszeiten vom stressigen Hofalltag“.
Gleichwohl könne die außerlandwirtschaftliche Berufstätigkeit aber auch zu Überlastungssituationen bei den Frauen führen. Beispielsweise wenn sie beim Wiedereinstieg in den Beruf nach einer Familienphase keine Entlastung in ihren bisherigen Aufgabengebieten im Betrieb oder in der Familie erhalten würden.
Auch Zukunftssorgen wurden in den Interviews und Gruppendiskussionen thematisiert: Durch die sich stetig verändernden (agrar-)politischen Rahmenbedingungen und die vermehrten gesellschaftlichen Ansprüche an die Landwirtschaft sehen viele Frauen die Existenz der Höfe und damit auch ihr Arbeits- und Lebensumfeld bedroht. Da sie oft für die Buchhaltung des Betriebs verantwortlich sind, haben sie einen genauen Einblick in die Zahlen und damit die Wirtschaftlichkeit der Betriebe.
Letzte Aktualisierung 17.07.2024