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Sieht man einmal vom Wasser ab, bestehen Pflanzen etwa zur Hälfte aus Kohlenstoff. Diesen Kohlenstoff nimmt die Pflanze – in Form von CO2 – während ihres Wachstums aus der Atmosphäre auf. Stirbt die Pflanze, wird sie biologisch zersetzt und der aufgenommene Kohlenstoff kehrt in Form von CO2 zurück in die Atmosphäre.
Dieser natürliche Kreislauf kann im Sinne des Klimaschutzes unterbrochen werden: die Biomasse muss vor der Zersetzung in Pflanzenkohle umgewandelt werden. Möglich ist das, indem man die Biomasse pyrolysiert, das heißt unter Luftabschluss bei mindestens 400 °C thermisch behandelt. Ein großer Teil des Kohlenstoffs der Pflanze wird durch diese Verkohlung in molekulare Strukturen gebunden, die über viele Jahrhunderte stabil in Böden verbleiben können und nur sehr langsam wieder freigesetzt werden.
Experten zufolge können auf diese Weise rund 30 bis 50 Prozent des in den Pflanzen enthaltenen Kohlenstoffs auf lange Zeit der Atmosphäre entzogen werden. Die Fachwelt spricht in diesem Zusammenhang auch von „negativen Emissionen“.
Das Binden von CO2 ist ein wichtiger Aspekt, der für Pflanzenkohle spricht. Daneben gibt es noch zahlreiche andere. Denn Pflanzenkohle hat auch bodenverbessernde Eigenschaften und gilt darüber hinaus als außerordentlich guter Wasser- und Nährstoffspeicher.
Diese positiven Eigenschaften waren bereits den Ureinwohnern Südamerikas bekannt. Sie brachten schon vor rund 4.000 Jahren pflanzliche Verkohlungsrückstände zusammen mit Asche, Biomasse, Küchenabfällen, Fäkalien und Tonscherben auf ihre Felder aus. Über Jahrhunderte entstand daraus im Amazonas-Gebiet eine tiefschwarze und sehr fruchtbare Erde – die berühmte Terra Preta.
Das Wissen über die Terra Preta und die damit im Zusammenhang stehende Pflanzenkohle geriet lange Zeit in Vergessenheit. Erst die Herausforderungen durch den Klimawandel haben das Potenzial der Pflanzenkohle vor einigen Jahren wieder stärker in den Fokus gerückt.
In einer Studie des Schweizer Forschungsinstituts Agroscope aus dem Jahr 2021 haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Stand der neuesten 30 Meta-Analysen aus den Jahren seit 2015 zum Thema Pflanzenkohle zusammengefasst und bewertet. Darin sind verschiedenste Böden, Klimazonen und Landwirtschaftssysteme berücksichtigt.
Ihr Ergebnis lautet: In allen betrachteten Meta-Analysen wurde „für sämtliche untersuchten Parameter eine im Durchschnitt positive Auswirkung von Pflanzenkohle festgestellt“.
Pflanzenkohle…
Ein weiteres Fazit der Studie ist, dass die Anwendung von Pflanzenkohle im Durchschnitt aller ausgewerteten Meta-Analysen zu Ertragssteigerungen führt – wenn sie zuvor mit Nährstoffen beladen wird.
Durch das große Porenvolumen ist Pflanzenkohle ein exzellenter Nährstoffspeicher, sowohl für organische (Jauche, Gülle, Kompostextrakte) als auch für synthetische und mineralische Dünger. Die Beladung mit gelösten organischen Düngern habe in einer Reihe von Versuchen sogar bessere Wachstumserfolge ergeben als die Beladung mit mineralischen Nährstoffen, so die Forschenden.
Die Kombination und damit deutliche Effizienzsteigerung von organischen Düngern mit Pflanzenkohle sei eine vielversprechende Perspektive insbesondere für die biologische Landwirtschaft. Zudem seien Kombinationen von organischen und synthetisch-mineralischen Düngern möglich. Dadurch könne eine gleiche oder höhere Düngemitteleffizienz erreicht und synthetische Düngemittel eingespart werden.
Expertinnen und Experten weisen allerdings darauf hin, dass das Ertragssteigerungspotenzial hierzulande aufgrund der zum Teil sehr guten Böden und der sehr intensiven Bewirtschaftung insgesamt deutlich geringer einzustufen sei als in anderen, vor allem tropischen Regionen.
Pflanzenkohle entsteht durch ein Verfahren, das man Pyrolyse nennt. Dabei wird die Biomasse bei hohen Temperaturen, in der Regel zwischen 400 und 750 °C, seltener bis 900 °C, und unter weitgehendem Ausschluss von Sauerstoff thermisch behandelt. In großem Maßstab geschieht das heute in industriellen Großanlagen. Bei der Pyrolyse entstehen zwei Nebenprodukte: das Pyrolyseöl und das Pyrolysegas. Beide werden in den meisten Anlagen durch Verbrennung energetisch verwertet.
Für den Kohlenstoffgehalt der Pflanzenkohle ist vor allem das Ausgangsmaterial von Bedeutung: Während Pflanzenkohlen aus holzigem Ausgangsmaterial mit 70 bis 90 Prozent einen hohen Kohlenstoffgehalt aufweisen, liegt dieser bei Pflanzenkohlen aus Stroh, Laub oder Getreidespelzen etwas niedriger, nämlich bei 40 bis 60 Prozent.
Die Qualität der Rohstoffe ist neben den Prozessparametern der Kohleherstellung entscheidend für die Kohlequalität. Wie die Pflanzenkohle im Weiteren zusammengesetzt ist, hängt sehr stark mit der Pyrolyseintensität zusammen. Je höher die Temperatur und Verweilzeit in der Brennkammer, desto niedriger sind am Ende die Gehalte an Stickstoff und Schwefel. Alle weiteren Mineralstoffe der ursprünglichen Biomasse, einschließlich der Nährstoffe Kalium und Magnesium bleiben jedoch nahezu vollständig in der Pflanzenkohle erhalten. Bei Phosphor sinkt mit steigender Pyrolysetemperatur allerdings die Pflanzenverfügbarkeit.
Enthält die Biomasse organische Schadstoffe oder Verunreinigungen wie Antibiotika, Viren oder Pflanzenschutzmittel, werden diese durch Pyrolyse bei hinreichender Intensität zerstört oder in die Gasphase ausgetrieben, sodass sie in geeigneten Anlagen anschließend verbrannt werden können. Im Sinne der Nachhaltigkeit ist darauf zu achten, dass die Rohstoffe aus der näheren Umgebung und einer nachhaltigen Produktion stammen.
Teilweise wird neben „Pflanzenkohle“ auch noch der veraltete Begriff „Biokohle“ verwendet, der sich aus der wörtlichen Übersetzung des englischen „biochar“ ergibt. Da es sich jedoch nicht notwendigerweise um ein Produkt aus zertifiziert biologischem Anbau handelt, wird seit 2011 für alle nicht energetisch genutzten Pyrolysekohlen einheitlich der Begriff Pflanzenkohle verwendet. Produkte der hydrothermalen Karbonisierung (HTC-Kohlen) werden nicht zu den Pflanzenkohlen gezählt.
Durch die neue EU-Düngeproduktverordnung 2019/1009 können seit Juli 2022 zahlreiche biogene Reststoffe zu Pflanzenkohle pyrolysiert werden und als Düngeprodukt oder Bodenhilfsstoff EU-weit genutzt werden. Diese Harmonisierung erleichtert den Handel innerhalb der EU und eröffnet in Deutschland Optionen für neue Rohstoffkonzepte. Pflanzenkohlehersteller können damit seit Juli 2022 Pflanzenkohle nach der EU-Verordnung 2019/1009 als EU-Düngeprodukt zulassen und diese in der EU und damit auch in Deutschland vermarkten.
Pflanzenkohle ist ein vielfältiges Material, dass in zahlreichen Prozessen, Produkten und Materialien zur Anwendung kommen kann. In der Landwirtschaft wird sie unter anderem als Zusatz zur Herstellung von hochwertigen Komposten, als Trägerstoff für Düngemittel, zur Güllebehandlung sowie in der Tierhaltung als Futtermittelzusatz und Stalleinstreu verwendet. Daneben ist sie zunehmend Bestandteil von Pflanzsubstraten, zum Beispiel für Stadtgrün oder Privatgärten.
Pflanzenkohle erfüllt ihre Funktion als Kohlenstoff-, Nährstoff- und Wasserspeicher und fördert die biologische Aktivität am besten im Wurzelbereich von Pflanzen. Sie sollte daher nach Möglichkeit wurzelnah in den Boden eingearbeitet und wie bereits oben erwähnt vorab mit Nährstoffen „aufgeladen“ werden. Wird Pflanzenkohle unbehandelt in den Boden eingebracht, würde sie Nährstoffe und Wasser aus dem Boden aufnehmen und fixieren und könnte somit das Pflanzenwachstum hemmen.
Die momentan vielversprechendste Möglichkeit, Pflanzenkohle vor ihrer letztlichen Funktion als Bodenverbesserer wirtschaftlich und ökologisch nutzbringend zu verwenden, ist die Kaskadennutzung über die Tierhaltung. Beginnen könnte ein solcher Kaskaden-Prozess zum Beispiel, indem Pflanzenkohle der Silage beigemischt wird und auf diese Weise die Futterqualität verbessert. Untersuchungen zeigen, dass Pflanzenkohle nicht nur die Futteraufnahme der Tiere verbessert, sondern auch für einen verbesserten Verdauungsprozess sorgt. Über die Ausscheidungen der Tiere gelangt die Pflanzenkohle schließlich als hochwertiger Düngemittelträger und Bodenverbesserer auf den Acker.
Eine weitere Möglichkeit der Kaskadennutzung ist, die Pflanzenkohle der Stalleinstreu zuzusetzen. Dort bindet sie flüssige Nährstoffe und mindert die Ammoniakbildung. Auch die Geruchsbelastung im Stall wird dadurch verringert.
Der Pflanzenkohle-Markt wächst sehr schnell, aber auch die Nachfrage wird stetig größer. Neben der Landwirtschaft fragen auch Grünflächenämter, Landschaftsbauer und viele Industriezweige zunehmend große Mengen nach. Mit Blick auf die aktuelle Angebotssituation findet man Preise zwischen 400 und 500 Euro pro Tonne Pflanzenkohle. Der Preis für Futterkohle liegt noch darüber. In den Anwendungen außerhalb des Bodens erhalten Großabnehmer noch bessere Konditionen. „Der Markt für Pflanzenkohle wächst exponentiell“ sagt Leopold Steinbeis vom Fachverband Pflanzenkohle (FVPK).
„Die Preise sind vor allem abhängig von den Herstellungskosten und der Qualität der Pflanzenkohle. Die Energiekrise hat die Holzpreise in die Höhe getrieben, das hat die Preisentwicklung vorübergehend etwas gestört, aber wir sehen nun, dass Skalierungseffekte auf Dauer zu noch günstigeren Preisen führen. Auf dem Spotmarkt können kurzfristig auch höhere Preise abgerufen werden und es wird auch weiterhin Nischen für Pflanzenkohlen mit besonderer Qualität geben, aber im Großen und Ganzen sehen wir, dass Pflanzenkohle nun in die breite Anwendung übergeht“, so Steinbeis weiter.
Die Wirtschaftlichkeit für die Produktion und den Einsatz von Pflanzenkohle sei von Fall zu Fall unterschiedlich, berichtet Steinbeis. Wer Pflanzenkohle aus Holz herstellt, muss künftig ein ausgeklügeltes Energienutzungskonzept haben, um am Markt zu bestehen. Der Trend geht zu größeren und integrierten Anlagen, die aber im Vergleich zu anderen Kraftwerken immer noch dezentral sind. Alternativ können Reststoff-Biomassen herangezogen werden.
Pflanzenkohle-Herstellung rechne sich laut Steinbeis, wenn man biogene Reststoffströme anzapfen könne, für die es keine Konkurrenz-Verwendung gebe oder die andernfalls sogar kostspielig entsorgt werden müssten. Die Produkte der Pyrolyse seien vor allem Pflanzenkohle und Wärme, einige Anlagen erzeugen auch Strom.
„Ein entscheidender Baustein für die Wirtschaftlichkeit von Pyrolyse ist die Nutzung der entstehenden Energie, zum Beispiel in Nahwärmenetzen oder Industrieanlagen“, sagt Steinbeis. Nicht zuletzt hänge es aber auch davon ab, ob man in der Lage sei, die Pflanzenkohle mit entsprechender Qualität zu erzeugen und gewinnbringend zu verkaufen: „Hierbei ist es unerlässlich, sich ein eigenes Netzwerk aufzubauen.“
Die Erzeugung und der Handel mit Kohlenstoffsenken-Zertifikaten ist die Triebfeder des starken Wachstums im Pflanzenkohle-Markt. „In allen Szenarien zur Erreichung des 1,5°C Ziels kommt der Weltklimarat zu dem Ergebnis, dass wir CO2 aus der Luft holen müssen, um die Erderwärmung zu stoppen. Das ist nicht als Ersatz für Emissionsminderungen zu verstehen, wir müssen aufhören CO2 auszustoßen und gleichzeitig das zurückholen, was in der Atmosphäre ist. CO2-Entnahme durch Pflanzenkohle ist schon sehr weit entwickelt, daher ist das Interesse groß. Zu den neuen Investoren gehören große Technologie-Konzerne, aber auch Rückversicherer, die in der Klimakrise vor allem ein gewaltiges wirtschaftliches Risiko sehen“, erklärt Steinbeis.
Der große Vorteil von Pflanzenkohle-Senken-Zertifikaten sei die hohe Zuverlässigkeit, so Steinbeis. „Ein Wald kann zum Beispiel durch Waldbrand unabsichtlich vernichtet werden, ein Moor austrocknen und Humus kann abgebaut werden, wodurch der gebundene Kohlenstoff doch wieder in der Atmosphäre landet. Pflanzenkohle bleibt jedoch stabil, egal was man damit macht, solange man sie nicht verbrennt.“ Die Entwicklung des Zertifikate-Marktes wird aller Voraussicht nach also einen maßgeblichen Einfluss auf den künftigen Pflanzenkohle-Markt haben.
Ende 2021 haben sich mehr als 30 Institutionen und Personen aus Landwirtschaft und Wissenschaft sowie Klima- und Umweltschutz in einem gemeinsamen Positionspapier gegen eine Kompensation von Treibhausgas-Emissionen durch Humusaufbau via CO2-Emissionszertifikaten ausgesprochen. Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner des Papiers unterstützen zwar grundsätzlich die Ziele des Humuserhalts und des Humusaufbaus in Böden. Der Generierung von CO2-Zertifikaten für die Festlegung von Kohlenstoff in Böden und dem Handel damit steht das Bündnis jedoch kritisch gegenüber.
Aus Sicht des Bündnisses ist Humusaufbau als Klimaschutzmaßnahme nur dann wirksam, wenn die Kohlenstoffspeicherung dauerhaft erfolgt und die entsprechende Menge CO2 auch langfristig der Atmosphäre entzogen bleibt. Dies sei jedoch über den Humuszertifikate-Handel im Rahmen des Carbon Farming nur schwer zu gewährleisten.
Mehr Informationen finden Sie im Beitrag „Carbon Farming: Handel mit Humuszertifikaten“ auf Ökolandbau.de
Letzte Aktualisierung: 07.07.2023