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Hofnachfolge: Ein Veränderungsprozess Hofnachfolge

Viele landwirtschaftliche Familien stehen vor der großen Herausforderung, die Nachfolge auf ihrem Hof zu regeln, ohne dass es einen potenziellen Nachfolger gibt. Der Veränderungs- prozess kann in fünf Schritten gemeistert werden.

Was geschieht mit dem Milchviehbetrieb nach vielen Jahren erfolgreicher Arbeit?

Der sechste „runde“ Geburtstag ist für viele Landwirte ein guter Zeitpunkt, um über die Zukunft ihres Betriebes nachzudenken – auch wenn der Gedanke daran allzu leicht verdrängt wird. Quelle: Marizza/iStock/E+ via Getty Images

Das Landwirtsehepaar Josef und Marianne Huber haben 1982 den elterlichen Betrieb übernommen und diesen in knapp 40 Jahren zu einem erfolgreichen Milchviehbetrieb mit zufriedenstellenden Ergebnissen ausgebaut. Keines ihrer vier Kinder möchte jedoch in die Fußstapfen der Eltern treten.

Mit dem 60. Geburtstag des Betriebsleiters wird dem Unternehmerehepaar bewusst, dass es so wie bisher nicht mehr lange weitergehen kann. Die Unterstützung der Kinder im Alltag wird immer geringer, da diese nicht nur beruflich, sondern auch persönlich und familiär ihre eigenen Wege gehen. Trotzdem tun sich Josef und Marianne Huber schwer, über ihre Fragen und Ängste innerhalb der Familie zu sprechen.

Doch dann kommt der Einschnitt: Der Josef Huber erleidet einen Herzinfarkt, befindet sich zwei Wochen auf Intensivstation, weitere zwei Wochen im Krankenhaus und im Anschluss vier Wochen in einer Rehabilitationsmaßnahme. Alle in der Familie stellen bereits nach wenigen Tagen fest – es muss sich etwas ändern!


Video: Wie die Hofnachfolge gelingt

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Was heißt Veränderung?

Einfach formuliert, ist es der Wechsel von einem (alten) Zustand in einen anderen (neuen) Zustand. Schaut man genauer hin, findet man verschiedene Beweggründe für eine Veränderung:

  • Die Korrektur: Ein problematischer Ist-Zustand soll aufgehoben werden.
  • Die Optimierung: Ein besserer Zustand wird im Rahmen der eigenen Möglichkeiten angestrebt.
  • Die Prävention: Durch vorausschauendes Handeln und Vorsorge soll das Eintreten eines problematischen Zustandes verhindert werden.

Sollen Veränderungen in Gang gesetzt werden, so sind hierfür immer Energie und Motivation erforderlich. Man muss also im wörtlichen Sinn in Bewegung kommen.

Warum fällt es vielen schwer Veränderungsprozesse anzustoßen?

Wer sich aus der Komfortzone herausbewegt, dem stellt sich schnell die Frage: Wo und wie fangen wir an, was braucht es dazu und was ist richtig oder falsch?
Bild: DigitalVision Vectors Maria Stavreva/iStock/Getty Images

Wir wünschen uns zu gerne, dass alles so bleiben soll, wie es ist. Idealerweise ist man zufrieden und denkt sich: Warum sollten wir etwas ändern? Wir kommen doch über die Runden. Es wird schon irgendwie gut gehen.
Das nennt man Verbleib in der Komfortzone. Dort spürt man vermeintliche Sicherheit und Ruhe. Veränderungen geschehen jedoch normalerweise außerhalb dieser Komfortzone.

Auch das Ehepaar Huber möchte seine Komfortzone jetzt verlassen. Seine Fragen lauten etwa so:

  • Was ist für uns und unsere Familie das Beste?
  • Gibt es jemanden, der uns beraten kann? Hat Beratung überhaupt Sinn, wenn wir noch nicht einmal wissen, was wir wollen?
  • Wie reagieren wohl die Kinder, wenn wir die Zukunft des Betriebes und unsere Absicherung im Alter zum Thema machen?

Fünf Stufen zum Ziel einer erfolgreichen Veränderung

Auf dem Weg zum Ziel ist es hilfreich, sich die fünf Stufen eines Veränderungsprozesses anzusehen, bewusst zu machen und Schritt für Schritt anzugehen. Es sind: Bewusstsein, Verständnis, Loslassen, Neuausrichtung und Umsetzung (Tun). Jede grundlegende Veränderung sollte diese fünf Stufen durchlaufen. Fehlt nur eine davon, ist die Veränderung in der Regel nicht dauerhaft tragfähig.

1. Bewusstsein

Viele Menschen legen sich Verhaltensmuster zurecht, die bei Herausforderungen schnell funktionieren. Diese individuellen Reiz-Reaktions-Muster gilt es, sich wertfrei bewusst zu machen.

Von der Haltung „Die letzten Jahre waren schwierig, aber das wird schon wieder. Man muss nur die Zähne zusammenbeißen.“ kann Familie Huber übergehen zu „Ich bin auch bei der Aufgabe meines Betriebes ein wertvoller Mensch und darf mich an neue Wege und Erlebnisse gemeinsam mit meinen Familienmitgliedern herantrauen und an diesen erfreuen.“

2.  Verständnis für das eigene Denken und Handeln

In der zweiten Stufe geht es darum, Verständnis für das scheinbar unliebsame und gegenwärtig nicht förderliche Verhalten zu schaffen. Beispielsweise die spontan ablehnende Reaktion auf die Betriebsaufgabe. Die eingeübten Muster kann man sich beispielsweise mit den folgenden Fragen erschließen und verstehen:

  • Was gibt mir dieses Verhalten, welche Funktion hat es für mich?
  • Was würde geschehen, wenn ich dieses Verhalten nicht mehr hätte?
  • Würde ich weniger Aufmerksamkeit und Wertschätzung innerhalb und außerhalb der Familie erfahren, wenn ich mein Verhalten ändern würde?

3. Loslassen

Im Wissen, was hinter seinem eigenen Denken und Verhalten steht (Muster, Werte, Interessen, Bedürfnisse), kann man wesentlich leichter loslassen, was einem bisher von Veränderungsschritten abgehalten hat.

An dieser Stelle des Prozesses ist der Punkt erreicht, sich von Gedanken zu trennen, die nicht guttun. Das ist im Fall der Hofübergabe beispielsweise die Vorstellung, dass der Betrieb so wie bisher weitergehen, jede Veränderung eine Verschlechterung darstellen muss.

4. Neuausrichtung

Nun ist der Raum für die Neuausrichtung und Zukunftsplanung frei. Wie will ich, wie wollen wir die Zukunft gestalten? Was sind unserer Ziele in den Bereichen Gesundheit, neuer Lebensabschnitt, Geld und Finanzen, Gemeinschaft, Familie und Partnerschaft, Glück und Lebenssinn? Und warum wollen wir das jeweilige Ziel erreichen?

Beispiele für Fragen bei der Neuausrichtung des Bauernhofs:

  • Was macht uns als Paar, Familie oder Mitarbeiterschaft zufrieden und stark?
  • Wo braucht es für uns neue, bessere Verhaltensmuster?
  • Welche Entscheidungen stehen konkret an?
  • Gibt es Menschen, die diesen oder einen ähnlichen Weg schon gegangen sind?
  • Gibt es Seminare und Beratungskräfte, die Familien und Betriebe in solchen Prozessen begleiten?
     

Diese und ähnliche Fragen sollten im Kreis der beteiligten Personen schriftlich beantwortet werden. An dieser Stelle sollte man sich auch „Bilder“ vorstellen und damit „ausmalen“, wie es in Zukunft sein könnte. Bei der Probe, wie es sich anfühlt, wenn man bestimmte Bilder vor Augen hat, findet man Hinweise auf die Richtung der Veränderung.

5. Umsetzung & Tun

In der fünften und letzten Stufe der Veränderung geht es darum, die Dinge, die man im vierten Schritt konkret überlegt und formuliert hat, auch tatsächlich zu tun. Dies ist natürlich nie mit einer einzelnen Entscheidung und Handlung abgetan. Neue Verhaltensmuster verinnerlichen sich nun jedoch Schritt für Schritt, Ängste werden abgebaut. Das Vertrauen in die eigene schöpferische Kraft und das Selbstwertgefühl nehmen weiter zu. Das beginnt ganz langsam und wird bei erfolgreichem Verlauf immer stärker.

Die Lösung für Familie Huber: ein gelungener Veränderungsprozess

Klare, gemeinsam erarbeitete Vereinbarungen erleichtern die Formulierung des Übergabevertrages bei der Notarin. Nachdem alle aktuell erkennbaren Fragen beantwortet und deren Lösung schriftlich festgehalten wurde, kann unterzeichnet werden. Quelle: agrarfoto

Auch Familie Huber ist ihren Veränderungsprozess aktiv angegangen. Nachdem keines der Kinder Interesse hatte, den Hof weiterzuführen, hat man sich für eine Umstrukturierung und Aufteilung entschieden. Die gemeinsamen Ziele und Einzelschritte wurden ausformuliert und im Anschluss daran umgesetzt:

  • Die aktive Bewirtschaftung wird bis Ende des kommenden Jahres eingestellt.
  • In der Zeit bis dahin wird ein gezielter Abbau des Viehbestandes, der Zahl der Maschinen und Geräte vorgenommen.
  • Die Eltern gründen zusammen mit ihren Kindern eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), um das Eigentum an Gebäuden und Flächen später real aufteilen zu können. So kann jedes der Kinder nach der Umstrukturierung in verschiedene Formen der Umnutzung etwas mit seinem Anteil anfangen und ihn nutzen.
  • Das Ehepaar formuliert für sich die Ausgestaltung und Absicherung des weiteren Lebens. Notwendige Bausteine werden konkret geplant und schrittweise umgesetzt (Geld, Wohnung, Versorgung im Alter etc.).
  • Nicht mehr benötige Wirtschaftsgebäude werden zurückgebaut und einer anderen Nutzung zugeführt (z. B. Vermietung als Gewerbefläche, Unterstellflächen, Lagerräume für andere Landwirte).
  • Die Kinder schaffen Wohnraum für sich und ihren Familien.
  • Projekte der regenerativen Energien (z. B. Photovoltaik, Windrad) werden geplant und schrittweise umgesetzt.

Die Familie hat für die Begleitung des Prozesses von Anfang an Beratung in Anspruch genommen. Sie hat als Gemeinschaft ihren gemeinsamen Weg gefunden und spürt Aufbruchstimmung, Zukunftsperspektive und Zufriedenheit. Ein gelungener Veränderungsprozess.

Letzte Aktualisierung: 08.06.2022

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