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Daher gibt es spezielle erbrechtliche Regelungen bei der Weitergabe eines Hofes. Und diese variieren wiederum von Bundesland zu Bundesland. In Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein gilt die sogenannte Höfeordnung – falls der Betrieb in der sogenannten Höferolle geführt ist.
Besondere Landesgesetze gelten auch in Hessen, Bremen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. In den östlichen Bundesländern, Bayern, Berlin und dem Saarland ist das Erbrecht für die Landwirtschaft nicht durch spezielle landesrechtliche Regelungen ausgelegt, dort gilt das BGB (Bürgerliche Gesetzbuch).
Wie sich die Situation im Bereich des BGB-Erbrechts darstellt, verdeutlich das nachfolgende Beispiel, das Katja Prinz von der Landwirtschaftskammer für das Saarland im Auftrag des Verbandes der Landwirtschaftskammern verfasst hat.
„Das ist doch ganz einfach: Wir machen einen Übergabevertrag. Lisa kriegt den Betrieb wie abgemacht und fertig. Franz lebt doch schon seit 10 Jahren nicht mehr hier, hat außerdem Betriebswirtschaft studiert und verdient als Unternehmensberater eine sechsstellige Summe. Den tollen Posten hat er doch nur deshalb bekommen, weil wir ihm das Studium und das Jahr in Amerika an einer Privat-Universität finanziert haben.“, antwortet Bauer Müller seiner Frau auf die Frage, ob sie nicht endlich “etwas“ regeln sollten.
Wenige Monate später freuen sich Lisa und die Eltern über die Unterzeichnung des Notarvertrages, Franz ist zu diesem Zeitpunkt schon wieder in den USA. Sie wollen ihn später über die Details informieren, wenn er mal Zeit hat. Doch das gerät in Vergessenheit. Drei Jahre später verstirbt Bauer Müller.
Nach der Beerdigung sitzen Mutter, Franz und Lisa zusammen. Franz liest den Hofübergabevertrag nun zum ersten Mal. Er ist entsetzt: Lisa hat den gesamten Betrieb bekommen, sogar der alte Porsche-Traktor, den der Papa ihm eigentlich versprochen hatte, gehört jetzt ihr. Für die Mama ist der „Sitz“ im Haus und eine kleine Leibrente vereinbart, das ist seiner Meinung nach auch richtig so. Nur er geht leer aus. Im Vertrag steht, die Eltern hätten sein Studium und seinen Auslandsaufenthalt in Höhe von 100.000 € finanziert, das sei sein Anteil am Erbe.
Trotz ihres Kummers bemerkt Frau Müller die Sprachlosigkeit ihres Sohnes. Sie versucht zu begründen: „Lisa hat das Vermögen ja nur auf dem Papier. Eigentlich haben wir ihr mit der Hofübergabe ihren Arbeitsplatz bereitgestellt. Du hast ja auch eine gute Ausbildung bekommen. Papa hat für uns lediglich 10.000 € zurückbehalten.“
Das sieht Franz ganz anders: „Der Betrieb hat Papa gehört (Gütertrennung, siehe Tabelle), damit steht mir ein Drittel von allem zu. Wenn wir die Grundstücke einzeln verkaufen, haben wir eine Million schnell beisammen.“
Allerdings war der landwirtschaftliche Betrieb drei Jahre zuvor an die Schwester übergeben worden. Besteht die Erbmasse also nur noch aus den 10.000 €, die Bauer Müller zum Zeitpunkt seines Todes in seinem Eigentum hatte, sodass Franz nur ein Drittel hiervon erhält?
Güterstand | Ehegatte | 1 Kind | 2 Kinder | 3 Kinder und mehr |
Zugewinngemeinschaft | 1/2 | 1/2 | je 1/4 | jeweils gleicher Anteil von 1/2 |
Gütergemeinschaft | 1/4 | 3/4 | je 3/8 | jeweils gleicher Anteil von 3/4 |
Gütertrennung | ½ (1 Kind) | 1/2 | je 1/3 | jeweils gleicher Anteil von 3/4 |
* Die Erbanteile bei der Gütergemeinschaft beziehen sich auf den Anteil des verstorbenen Ehegatten (ca. ½ des Gesamtgutes). Je nachdem, welcher Güterstand von den Eheleuten bei Eheschließung gewählt wurde, ändern sich die Erbquoten der Ehegatten und damit auch der erbberechtigten Kinder. |
Quelle: Aus BZL-Heft „Ehe- und Erbrecht in der Landwirtschaft“, Bestell-Nr. 1202, S. 10
Nein: Der Hof war erst drei Jahre zuvor übergeben worden. Schenkungen werden bei der Berechnung des Erbes für Pflichtteilberechtige 10 Jahre lang mitberücksichtigt. Der Wert des Geschenkes wird 10 Jahre lang um 10 % abgeschmolzen. Daher kann Franz jetzt, nachdem sein Vater verstorben ist, seinen gesetzlichen Pflichtteil beanspruchen. Dieser umfasst die Hälfte seines gesetzlichen Erbteils, also ein Sechstel des Wertes des Betriebes und davon 70 %. Sein Anspruch muss ihm in Geldwert ausgezahlt werden. Franz hat drei Jahre Zeit, seinen Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend zu machen.
ist der Wert, der bei einer jetzigen Veräußerung des Vermögensgegenstandes voraussichtlich zu erzielen wäre (genaue Definition siehe §194 BauGB).
Ist der Gegenwartswert der zukünftigen Nettoerträge des Vermögensgegenstandes. Er kann deutlich niedriger sein als der Verkehrswert.
Lisa hatte damit gerechnet, dass der Betrag, den die Eltern ihrem Bruder für das Studium und den Auslandsaufenthalt gegeben hatten, auf ihre Zahlungsverpflichtung angerechnet werden kann.
Von ihrem Anwalt erfährt sie, dass dies leider nicht möglich ist. Ihre Eltern hatten damals versäumt, den Bruder darauf aufmerksam zu machen, dass dieser Betrag als vorzeitiges Erbe gelten soll. Damit derartige Summen bei Erbauseinandersetzungen angerechnet werden können, muss bereits bei der Zuwendung schriftlich darauf hingewiesen werden, dass die Zahlung als vorzeitiges Erbe anzusehen ist.
Grundsätzlich gilt: ein Testament ist eine einseitige Willensbekundung der Verfasserin oder des Verfassers mit Wirkung ab dem Todesfall. Hierin können nur Verfügungen getroffen werden, die anderen keine Pflichten auferlegen. Deshalb hätte ihr Vater auch nicht verfügen können, dass Lisa ihre Mutter bis zum Tod versorgen muss.
Wäre Lisa als Alleinerbin im Testament eingesetzt worden, würde sie den gesamten Nachlass ihres Vaters erben. Sowohl die Mutter als auch ihr Bruder hätten lediglich Anspruch auf den gesetzlichen Pflichtteil. Dies ist die Hälfte des gesetzlichen Erbteils (siehe Tabelle). Diesen müsste Lisa in Geld auszahlen.
Jedoch können bei einem Testament Teile des Vermögens an Einzelpersonen vererbt werden. Den alten Porsche-Traktor hätte der Vater Franz testamentarisch vermachen können oder auch die 10.000 € an die Mutter.
Weichende Erben können Pflichtteilsansprüche geltend machen. Es sind Geldwerte in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteiles. Über einen sogenannten „Pflichtteilsverzicht“ – ein notarieller Vertrag, der von Seiten der Verzichtenden unterschrieben werden muss – können Ansprüche weichender Erben bei der Hofübergabe für die Zukunft ausgeschlossen werden.
Das Wort Vertrag kommt von „vertragen“. Schon frühzeitig sollten Eltern mit ihren Kindern über den „Fall der Fälle“ reden. Wenn Krankheit und Todesfall keine Tabuthemen sind, Vorsorge für die Eventualitäten des Lebens getroffen werden, sind die von einem Schicksalsschlag Getroffenen in der sowieso schon schwierigen Situation nicht auch noch durch Rechtsfragen und Diskussionen über familiäre Gerechtigkeit gefordert. „Das Schlimmste, was uns passieren konnte, war nach dem Verlust unseres geliebten Vaters der Gang zu Gericht“, meinte Frau Müller nach allem, was geschehen war.
Am besten ist es, sich schon drei bis vier Jahre vor der geplanten Übergabe Gedanken über deren Inhalte zu machen. Bei Fragen über die Art und Weise der Betriebsentwicklung, spielen Betriebswirtschaft und Steuerrecht sowie politische Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle. Hierzu findet man entsprechende Expertise bei den Landwirtschaftskammern und Bauernverbänden sowie in den Landwirtschaftsämtern der Länder.
Dort sind oft auch Steuerberater/-innen und Juristen/-innen beschäftigt, die rechtssichere Auskunft geben. Die abschließenden Überlegungen erörtern die Beteiligten dann in der Regel mit einem Notar oder einer Notarin, die unabhängige Rechtsberatung bezüglich der juristisch sicheren Gestaltung der Verfügungen erteilen.
Letzte Aktualisierung 10.06.2022