Wir verwenden Cookies, um Ihnen die optimale Nutzung unserer Webseite zu ermöglichen. Es werden für den Betrieb der Seite nur notwendige Cookies gesetzt. Details in unserer Datenschutzerklärung.
Viele Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter wissen mit 55-Plus nicht, ob sie ihren Betrieb an die nächste Generation weitergeben können oder nicht. Manche Kinder können sich ein Leben auf dem Hof zwar grundsätzlich vorstellen, aber keine Bewirtschaftung im Vollerwerb, so wie es die Eltern gelebt haben. Gleichzeitig möchten viele Eltern gerne auf dem Hof leben bleiben, am besten auch ihn bewirtschaftet wissen und eines der Kinder bei sich wohnen haben.
Wie das gelingen kann, zeigen zwei Beispiele, die Anne Dirksen von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen im Auftrag des Verbandes der Landwirtschaftskammern ausgearbeitet hat.
Helmut Meier ist 58 Jahre alt. Gemeinsam mit seiner gleichaltrigen Frau Elke bewirtschaftet er einen Milchviehbetrieb mit Bullenmast, den er vor 25 Jahren von seinen Eltern übernommen hat. Die beiden haben drei Kinder, die alle abgeschlossenen Berufsausbildungen außerhalb der Landwirtschaft absolviert haben.
Alle helfen in Erntezeiten zu Hause mit, aber keines der Kinder kann sich ein Leben auf dem Milchviehbetrieb in Vollzeit vorstellen. Also hat Helmut Meier seit einigen Jahren nicht mehr viel investiert, sondern eher repariert. Wozu auch? Für ihn und seine Frau hat es gereicht, so wie es war. Allmählich wird den beiden die Arbeit aber zu viel. Das Melken im Laufstall fällt Elke aufgrund zunehmender Rückenprobleme nicht mehr so leicht. Da keines der Kinder Interesse an der Fortführung des Hofes hat, denken beide immer häufiger darüber nach, wie es für sie einfacher werden kann.
Bis zur Rente soll es noch weitergehen
Komplett aufzuhören kommt für die Meiers nicht in Frage. Dazu hängen sie noch viel zu sehr an den Tieren. Von den Milchkühen könnten sie sich aber trennen. Bis zum Renteneintritt wollen sie auf jeden Fall durchhalten. Finanziell wäre es auch sehr eng, den Betrieb vorzeitig aufzugeben. Die zu erwartenden Pachteinnahmen aus den 30 ha Grünland reichen nicht, um die Zeit zu überbrücken. Das wird zusammen mit Alterskasse und gesetzlicher Rente schon eng genug.
Wie gut, dass die Meiers vor 10 Jahren in eine PV-Anlage investiert haben. Diese ist jetzt abbezahlt und sichert ein gutes Auskommen, von dem sie auch noch mal was „zur Seite legen“ können. Die Kapitalversicherung, die sie für die Altersvorsorge angespart hatten, musste leider in den Jahren der Milchkrise wieder aufgelöst werden.
Elke hat vor einigen Jahren eine Qualifizierung zur Bauernhofpädagogin absolviert und hat seitdem immer wieder Kindergruppen auf dem Hof. Sie könnte sich vorstellen, diesen Bereich weiter auszubauen. Außerdem steht das Altenteilerhaus leer, das sich mit relativ wenig Aufwand zu zwei Ferienwohnungen umbauen ließe.
Sohn Michael wohnt in der Nachbarschaft. Ihm machen die Schlepperarbeiten viel Spaß, die er deshalb auch gerne nach Feierabend als Ausgleich zu seinem Beruf verrichtet. Seine Frau hat Spaß an der Tierhaltung. Sie könnte sich außerdem vorstellen, ihre Schwiegermutter in der Gästebetreuung zu unterstützen. Das würde gut zu ihrer Familiensituation mit kleinen Kindern passen. Ihre Teilzeitstelle kann sie in absehbarer Zeit ohnehin nicht aufstocken.
So entsteht im Laufe der Zeit ein interessantes Konzept, den Betrieb doch noch an eines der Kinder zu übergeben, die den Familienbetrieb in der nächsten Generation fortführen. Elke und Helmut können auf ihrem Hof wohnen bleiben und weiterarbeiten. Die Familie ist in der Nähe und beide Generationen können sich gegenseitig unterstützen.
In den Beratungsgesprächen wurden auch die Arbeitsbelastung, die Wirtschaftlichkeit und das Miteinander auf und mit dem Hof besprochen und gut geklärt. Es muss sowohl verhindert werden, dass die Bewirtschaftung ein mit dem außerlandwirtschaftlichen Einkommen subventioniertes Hobby wird, als auch, dass der Hof zur Arbeitsfalle für alle wird. Alle vier müssen ausreichend Freiräume für eigene Aktivitäten und für die Verwirklichung persönlicher Ziele haben. Auch für das Miteinander auf dem Hof müssen Vereinbarungen getroffen werden, damit die Zukunft möglichst konfliktfrei gelingen kann.
Anke und Dieter Schmidt wohnen in einem denkmalgeschützten Wohn- und Wirtschaftsgebäude nahe der Küste. Wie in dieser Gegend üblich, haben sie von Milchwirtschaft und Ackerbau gelebt. Das alte Backhaus im Garten wurde schon von der vorigen Generation als Ferienhaus hergerichtet und vermietet. Die Schmidts sind also seit jeher daran gewöhnt, fremde Menschen um sich zu haben.
Alle vier Kinder haben andere Berufswege eingeschlagen und leben weit weg vom Hof. Als Dieter sein Rentenalter erreicht hatte, haben Anke und Dieter gemeinsam mit den Kindern beschlossen, die Tierhaltung aufzugeben und das Land zu verpachten. Die Gebäude standen – abgesehen von einigen Wohnwagen – leer. Nur Feriengäste belebten im Sommer den Hof.
Vor zwei Jahren bekam der älteste Sohn ein interessantes Jobangebot in Nähe seines Elternhauses. Auch für seine Ehefrau ergab sich eine Beschäftigungsperspektive. Beide hatten zudem das Stadtleben satt und wollten für die Familiengründung zurück aufs Land. Das Leben auf dem elterlichen Hof entsprach nun genau ihren Vorstellungen.
Zur Nutzung der umfangreichen Gebäudesubstanz entwickelte die Familie gemeinsam ein neues Konzept: Per Anzeige suchten und fanden sie zwei junge Paare, die mit auf den Hof gezogen sind und dort einen Gemüsehof in Form einer solidarischen Landwirtschaft aufgebaut haben. In den Stallgebäuden befinden sich die Aufbereitungs- und Ausgabevorrichtungen sowie die Kühlräume. Innerhalb kürzester Zeit konnte etappenweise ein Betrieb mit 120 „Mitmachern und Mitmacherinnen“ aufgebaut werden.
Der alte Kornboden wurde zu Wohnungen umgebaut. Vor dem Umbau fand die Übergabe an den Sohn statt, der ebenso wie seine Frau weiterhin im außerlandwirtschaftlichen Beruf tätig ist.
Anke und Dieter Schmidt bewirtschaften weiterhin das Ferienhaus. Anke hat zudem ihr Hobby zum Beruf gemacht und bietet nach Absprache mehrmals wöchentlich in ihren Räumlichkeiten kreatives Kochen für Kleingruppen an. Im Sommer helfen Dieter und Anke bei Bedarf gerne in der Ernte mit, reisen aber auch gerne oder pflegen ihre Freundeskreise. Das kam in der Vergangenheit viel zu kurz. Sie genießen die gute Gemeinschaft sehr und freuen sich über das Leben auf ihrem Hof.
Beide Beispiele zeigen, dass sich Umstrukturierungen durchaus eignen können, um einen Betrieb übergabefähig zu machen. Allerdings müssen finanzielle, arbeitswirtschaftliche, steuerliche und soziale Aspekte sehr genau berücksichtigt werden, damit die Übergabe an die nächste Generation nachhaltig gelingen kann.
Zu den sozialen Aspekten zählt beispielsweise auch die Kommunikation mit den weichenden Erben und deren „gerechte“ Abfindung. Wo so viele Personen beteiligt und so viele Aspekte zur berücksichtigen sind, sollte ein solcher Prozess von fachkundiger Beratung begleitet werden. Das erhöht die Chancen, dass am Ende eine dauerhaft tragfähige Lösung gefunden und realisiert wird.
Letzte Aktualisierung: 20.05.2022