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Der Getreideanbau mit erweitertem Reihenabstand ist seit langem erprobt. Er findet insbesondere im ökologischen Getreideanbau Anwendung. Lichtere Bestände sind winddurchlässiger und verringern so das Risiko von Pilzinfektionen. Außerdem wird die Halmstabilität und die Vitalität der einzelnen Pflanzen gefördert, was sich in einer verbesserten Standfestigkeit und einer höheren Kornzahl pro Ähre äußert.
In dem Vorhaben wird der Anbau von Weite-Reihe-Getreide mit blühender Untersaat erprobt. Das Institut für Agrarökologie und Biodiversität (IFAB) Mannheim, zusammen mit dem Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL) und rund 60 konventionelle Betriebe in ganz Deutschland sind daran beteiligt. Das Projekt wird über vier Jahre von 2020 bis 2023 von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) mit Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gefördert.
Doris Chalwatzis, Susanne Wangert, Rainer Oppermann (IFAB) und Oksana Bukhovets (KTBL) haben für Sie zusammengetragen, was Sie darüber wissen sollten.
Untersaaten, etwa von Weißklee, sind ebenfalls etablierte Praxis, um die Vegetationsperiode nach der Ernte optional zu nutzen. Der Klee fixiert durch Symbiosen mit Knöllchenbakterien Stickstoff und trägt zu einer Steigerung des Bodenhumusgehalts bei. Zudem wird aufgrund des schnellen Bodenschlusses eine unkrautunterdrückende Wirkung erzielt. Eine Nutzung als Ackerfutter ist möglich.
Im „Weite-Reihe-Getreide mit blühender Untersaat“ werden diese beiden Anbauverfahren kombiniert und durch die Verwendung einer artenreichen Untersaat ökologisch optimiert. Im Ökolandbau steht bei der Weiten Reihe die Möglichkeit einer mechanischen Unkrautbekämpfung im Vordergrund. Bei der Weiten Reihe mit blühender Untersaat liegt das Hauptaugenmerk auf einer produktionsintegrierten Förderung der Tier- und Pflanzenartenvielfalt sowie des Ressourcenschutzes.
Die Untersaat besteht sowohl aus Kulturpflanzen als auch aus heimisch vorkommenden Arten, die sich in das Ökosystem Acker einfügen. Sie enthält überwiegend Leguminosen, die eine optimale Verbesserung der Bodenstruktur und eine umfangreiche Bindung von Luftstickstoff gewährleisten. Der Stickstoff wird im Verlauf der Verrottung im Boden freigesetzt und steht der Folgekultur zur Verfügung. Weitere Komponenten der Mischung sind Korbblütler, wie Ferkelkraut (Hypochaeris radicata) und wenige Kreuzblütler, wie Gartenkresse (Lepidium sativum). Korbblütler nehmen eine wichtige Rolle in der Ernährung samenfressender Feldvögel, wie dem Stieglitz (Carduelis carduelis), ein. Die Untersaat soll durch unterschiedliche Blütezeitpunkte über einen möglichst langen Zeitraum ein Nahrungsangebot für bestäubende Insekten bieten.
Ein weiteres wichtiges Kriterium ist die zu erwartende Wuchshöhe der einzelnen Arten. Diese soll die Höhe des Ährenstandes unterschreiten, sodass das Getreide problemlos und ohne qualitätsmindernde Untersaatbestandteile zu ernten ist.
Durch den Verzicht auf Herbizide können auch Acker-Wildkräuter auflaufen und zur Blüte gelangen. Das bringt eine Stärkung des Ökosystems mit sich. Hier profitieren Spezialisten wie der Kleine Perlmuttfalter (Issoria lathonia), dessen Raupe sich von Acker-Stiefmütterchen (Viola arvensis) ernährt.
Der Saatreihenabstand beträgt 30 bis 40 Zentimeter. Die überwiegend aus lichtkeimenden Komponenten bestehende Untersaat sollte nur oberflächlich ausgebracht und anschließend angewalzt werden. Bedeutend ist hierbei, dass die Aussaat vor oder spätestens unmittelbar nach der Getreideaussaat erfolgt. Vorteilhaft ist es, wenn die Untersaat zu einer Winterung im September ausgesät wird, damit sie sich vor dem Winter gut etabliert.
In den Versuchsparzellen wird die Saat- sowie die Düngermenge auf 50 bis 70 Prozent der betriebsüblichen Menge reduziert. Auf Herbizide und Insektizide wird verzichtet. Eine gründliche Bodenvorbereitung vor der Einsaat hilft bei der Regulierung von Beikraut. Dafür entfallen nach der Getreideernte Bodenbearbeitung und Zwischenfruchteinsaat sowie die hierfür erforderlichen Betriebsmittel und Arbeitserledigungskosten.
Eine Reduzierung der Düngergabe auf 70 Prozent der betriebsüblichen Stickstoffdüngung während der Kultur ist generell ausreichend, um dem Getreide ein gesundes Wachstum zu ermöglichen. Zudem bietet sie einen ökonomischen Vorteil. Bei einem völligen Düngeverzicht können einige Leguminosen in der Untersaat allerdings in starke Konkurrenz zum Getreide treten, sodass dies nur auf sehr nährstoffreichen Böden ratsam ist.
Die Ernte erfolgt mit einem hohen Schnitt, sodass das Getreide über der Untersaat abgeschnitten wird. Dieses Vorgehen mindert den Grad der Verunreinigung des Ernteguts.
Nach der Ernte kann die Untersaat unmittelbar die Funktion einer Zwischenfrucht übernehmen. Sie erreicht bei ausreichender Bodenfeuchte innerhalb weniger Wochen einen lückenlosen Bodenschluss und unterbindet auch problematische Segetalkräuter wie Kamille (Matricaria sp. bzw. Tripleurospermum sp.) zuverlässig. Damit entfällt für den Landwirt zunächst ein weiterer Arbeitsschritt. Beim Umbruch der Untersaat ist eine sorgfältige Einarbeitung der Untersaat notwendig, um ein Auflaufen in der Folgekultur zu verhindern. Eine Schnittnutzung als Viehfutter ist ebenfalls möglich und kann einen Energiegehalt von bis zu 10 MJ/kg TM liefern.
Eine lange Standzeit der Untersaat trägt wesentlich zur Verbesserung der Bodenstruktur und zur Lockerung des Bodens bei. Die Versuchsergebnisse zeigen, dass überjähriger Klee eine Durchwurzelung des Bodens bis in 45 Zentimeter Tiefe erreichen kann. Eine Vergleichsprobe mit Klee aus einer im Oktober ausgebrachten Zwischenfrucht ergab lediglich eine Durchwurzelung der obersten fünf Zentimeter des Bodens.
Für das Projekt bauen die beteiligten Praxisbetriebe Sommergerste und Winterweizen mit jeweils mindestens drei Varianten an:
Seit Beginn des Projekts untersuchen die Forschenden die Vegetation und die Vielfalt von Insekten und Spinnen (Arthropoden) auf den Versuchsflächen und analysieren die produktionstechnischen Kenndaten des Verfahrens.
In den Weite-Reihe-Parzellen mit Untersaat fanden sich bis zu 32 Pflanzenarten und damit deutlich mehr Vielfalt als in den Parzellen der Variante ohne Untersaat mit bis zu 19 Arten. Aufgrund der betriebsüblichen Herbizidbehandlung in der Normalsaat wuchsen dort nur vereinzelt Beikräuter auf. Ackerwildkräuter kommen auf diesen Flächen in der Regel nicht zur Blüte.
Durch die Vielzahl von gut 15 Pflanzenarten in der Untersaat wird erreicht, dass die Untersaat ein Blütenangebot von April bis November bereitstellt. Unproblematische Ackerwildkräuter wie die Rote Taubnessel (Lamium purpureum) und verschiedene Ehrenpreisarten erweiterten als ausgesprochene Frühblüher das Blütenangebot. Sie leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Ernährung von Bestäuberinsekten.
Das spiegelt sich auch in den Untersuchungen der Insektenvorkommen wider: In der WRmU übersteigt die Anzahl größerer, und damit für die Ernährung von Feldvögeln besonders wichtiger, Arthropoden die in der Normalsaat um bis zu 223 Prozent (vgl. Abb. 1).
Das in der Untersaat entstehende Nahrungsangebot aus Insekten und Samen wurde von Vögeln der Agrarlandschaft wie Bluthänfling (Carduelis cannabina), Stieglitz (Carduelis carduelis) und Sperlingen (Passer sp.) angenommen. Beobachtungen auf vier Versuchsfeldern zeigten durchschnittlich viermal mehr Einflüge zur Nahrungsaufnahme als in den vergleichbaren Normalsaatfeldern (vgl. Abb.2). Offenland-Vogelarten wie Feldlerche (Alauda arvensis), Kiebitz (Vanellus vanellus) und Wiesenschafstelze (Motacilla flava) konnten ebenfalls vermehrt als Brutvögel in den Weite-Reihe-Feldern beobachtet werden.
Während die Biodiversität in der Weiten Reihe mit Untersaat die der konventionellen Normalsaat deutlich übersteigt, sind die Ernteerträge im Mittel um rund 20 Prozent geringer. Getestet wurde die Reduktion auf 70 bzw. 50 Prozent der üblichen Düngermenge sowohl in Sommergerste als auch in Winterweizen (Darstellung Abb. 3: Reduzierung der Saatstärke und der Düngermenge auf 70 Prozent). Darüber hinaus kam es in dem feuchten Jahr 2021 in einigen Regionen zu erhöhter Feuchte in den Erntebeständen, was eine Trocknung und Reinigung des Getreides der Weite-Reihe-Parzellen erforderlich machte.
Biologische Vielfalt und Bodenfruchtbarkeit sichern die Lebensgrundlage für künftige Generationen. Eine Anpassung der Agrarökosysteme an den Klimawandel und eine nachhaltige Versorgung mit Nahrungsmitteln ist daher unverzichtbar.
Der Anbau von Weite-Reihe-Getreide mit blühender Untersaat ist eine Möglichkeit, produktionsintegriert die biologische Vielfalt im Getreidebau zu fördern. Darüber hinaus bietet das Verfahren einige ackerbauliche Vorteile: Die Untersaat wirkt sich positiv auf die Bodenfruchtbarkeit und das Bodenleben aus. Der Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemitteln wird erheblich reduziert. Auf einige Arbeitsvorgänge, etwa Pestizidbehandlungen und die Aussaat von Zwischenfrüchten, kann verzichtet werden. Zusätzlich kann eine sorgfältigere Bodenbearbeitung sowohl vor der Aussaat als auch nach der Ernte des Getreides erforderlich werden.
Letzte Aktualisierung 16.05.2023