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Körper und Geist: Wie gesund ist Landwirtschaft für Frauen? Frauen in der Landwirtschaft

Landwirtschaft ist ohne Zweifel ein anstrengender Job, und zwar egal ob als Landwirt oder Landwirtin. So stellt sich die Frage: Wie beurteilen Frauen in der Landwirtschaft ihre Gesundheit? Wie erleben Sie die Zeit rund um die Geburt der eigenen Kinder und wie schätzen sie ihre Belastungen ein?

Im Rahmen einer Onlinebefragung von 7.345 Frauen, die für die Studie „Lebens- und Arbeitssituation von Frauen in der Landwirtschaft“ durchgeführt wurde, wurden genau diese Fragen zum Alltag von Frauen auf landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland gestellt. Dr. Susanne Padel vom Thünen-Institut hat hier einige wesentlichen Aspekte ausgewählt.

Mutterschutz und trotzdem arbeiten?

Im festangestellten Job ist der Mutterschutz ganz normal – wie erleben selbstständige Landwirtinnen diese Zeit?
Bild: georgerudy - stock.adobe.com

Die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) bietet Informationsmaterial zu Schwangerschaft und Mutterschutz speziell für Frauen auf landwirtschaftlichen Betrieben an (siehe unten: Weitere Informationen). Wissenschaftlich bearbeitet wurde das Thema bisher wenig.

Umso spannender sind daher die Ergebnisse der Umfrage: Gut die Hälfte aller 7.345 Teilnehmerinnen der Onlinebefragung gaben an, Kinder geboren zu haben, seit sie auf dem Betrieb arbeiten oder leben.

Gefragt nach der Zeit um die Geburt sagen etwas mehr als die Hälfte dieser Mütter, dass sie ihr Arbeitspensum rund um die Zeit der Geburt(en) nicht wesentlich verändert haben. Unterschiede gibt es in Hinblick auf die Position im Betrieb – das hängt damit zusammen, dass für selbständige Landwirtinnen und Angestellte nicht die gleichen gesetzlichen Regelungen bezüglich des Mutterschutzes gelten. So haben Betriebsleiterinnen, Geschäftsführerinnen und Altenteilerinnen etwas häufiger angegeben, im Großen und Ganzen wie zuvor weitergearbeitet zu haben, während weibliche Angestellte und Auszubildende erwartungsgemäß häufiger angaben, nicht mehr gearbeitet zu haben.

Allerdings bewerten nicht alle Frauen das Weiterarbeiten als negativ. Obwohl die meisten Mütter nach der Geburt weitergearbeitet haben, stimmten trotzdem mehr als die Hälfte dem Statement zu, „…in den ersten Wochen nach der Geburt genügend Zeit für [sich] und das Baby [gehabt zu haben]“. Im Rahmen der Befragung konnte aber nicht weiter untersucht werden, ob Frauen in dieser Zeit Betriebs- oder Haushaltshilfe in Anspruch nehmen wollten oder konnten. Inwieweit selbständige Landwirtinnen und weibliche Familienangehörige Regelungen zum Mutterschutz in der Landwirtschaft als ausreichend empfinden, ist also schwierig zu beurteilen.

Sind Gefahren bekannt?

Die qualitativen Untersuchungen der Universität Göttingen im Rahmen der Angestelltenstudie haben ergeben, dass nur ein geringes Bewusstsein und wenig Aufklärung über die Gefahren für Frauen durch landwirtschaftliche Tätigkeiten vorhanden sind, wie zum Beispiel ein mögliches Gesundheitsrisiko durch fruchtbarkeitsrelevante Substanzen oder Zoonosen. Ein besonderes Risiko besteht dabei für Quereinsteigerinnen oder Auszubildende, die mit den Gefahren am Arbeitsplatz Landwirtschaft noch gar nicht vertraut sind. Besonders auffällig: Bestimmungen zur Arbeitssicherheit werden bei den Betrieben der Interviewpartnerinnen oft nur nachlässig umgesetzt.

Wie gesund bin ich?

Wie geht es mir überhaupt und was belastet mich? Auch diese Fragen mussten sich die Teilnehmerinnen der Studie stellen.
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Die Teilnehmerinnen wurden außerdem gebeten, ihren Gesundheitszustand auf einer Skala von 0 „sehr schlecht“ bis 10 „sehr gut“ zu bewerten. Dabei lag der Mittelwert der Bewertung bei 5,6 und 75 % der Befragten haben ihren Gesundheitszustand als eher gut bis sehr gut bewertet. Wie zu erwarten, haben Teilnehmerinnen unter 44 Jahren ihre Gesundheit häufiger als eher gut bis sehr gut bewertet, während alle Altersgruppen über 45 Jahren ihren Gesundheitszustand etwas weniger positiv beurteilten. Dieser Alterseffekt spiegelt sich auch in den Antworten hinsichtlich der Position der Frauen im Betrieb wider.

In anderen Untersuchungen wurde zudem festgestellt, dass Landwirtinnen und Landwirte ihren Gesundheitszustand vorwiegend positiv bewerten, auch wenn sie durch eine hohe Arbeitsintensität und die geringe soziale Unterstützung erheblichen Belastungsfaktoren ausgesetzt sind.

Was sagt der Burnoutindex?

Diese erheblichen Belastungen am Arbeitsplatz können auch zu Burnout führen, womit eine extreme Variante einer gesundheitlichen und allgemeinen Belastung bezeichnet wird. Ab 2022 wird Burnout als Syndrom definiert, das als Folge von Stress am Arbeitsplatz, der nicht erfolgreich verarbeitet werden kann, auftritt. Auch in der Landwirtschaft wird in den letzten Jahren vermehrt über Burnout gesprochen, aber bisher gibt es nur wenige wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Thema.

Die vorliegende Studie hat das bewährte Messinstrument Copenhagen Burnout Inventory (CBI) verwendet. Nach den Ergebnissen der Studie zeigen 21,4 % der befragten Frauen Anzeichen einer Burnoutgefährdung.

Doch welche Faktoren können hierauf Einfluss haben? Laut der Wissenschaftler zeigt sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Bewertung der eigenen Gesundheitssituation und der Burnoutgefährdung, was allerdings zu erwarten ist, da die Fragestellung in beiden Fällen ähnlich ist.

Welche Belastungen tragen zu einer Burnout Gefährdung bei?

Wie bereits in anderen Studien, konnte auch hier ein Zusammenhang mit der finanziellen Situation bestätigt werden. Frauen, die ihre persönliche Einkommenssituation negativ bewerten, scheinen deutlich stärker gefährdet zu sein als Frauen, die ihre Einkommenssituation als weder gut noch schlecht oder eher gut bewerten.

Inwiefern die Bewertung der betrieblichen Zukunft in Zusammenhang mit der Burnoutgefährdung steht, wurde bisher in anderen Studien nicht untersucht. Die Ergebnisse dieser Befragung zeigen, dass dies ein relevanter Einflussfaktor für das Risiko einer Burnoutgefährdung zu sein scheint. So sind die Frauen, die es als eher unwahrscheinlich ansehen, dass der Betrieb in zehn Jahren noch existiert, deutlich stärker burnoutgefährdet als die Befragten, die eine bessere Zukunft des Betriebs annehmen.

Balkendiagramm mit sieben horizontalen Stufen der Existenzbewertung des Betriebes und in diesen Stufen der Anteile der Personen, die burnoutgefährdet sind.
Wie sich Zukunftsängste zeigen: Ob der Betrieb nach Einschätzung der Frauen in zehn Jahren noch existiert, scheint mit der Burnout-Gefährdung zusammenzuhängen.
Quelle: Studie "Die Lebenssituation von Frauen auf landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland"; Onlinebefragung 2020/2021; Frage 53

Burnoutgefahr durch schlechtes Image?

Das schlechte Image der Landwirtschaft erhöht die Belastung der dort Beschäftigten.
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Auch die Bedeutung des „Images der Landwirtschaft“ als Belastungsfaktor kann durch die Befragung bestätigt werden. Frauen, die das Image der Landwirtschaft als „sehr stark belastend“ bewerteten, sind häufiger burnoutgefährdet (30 %) als alle Befragten (21 %).

Weiterhin zeigen sich Unterschiede in der Burnoutgefährdung nach Produktionsrichtung des Betriebes. Dabei sind Frauen von Betrieben mit Milchviehhaltung eher burnoutgefährdet als alle Befragten. Auch Pferdehaltung scheint mit etwas stärkerer Burnoutgefährdung verbunden zu sein, während die Arbeitssituation in Veredlungs- und Ackerbaubetrieben eher weniger gefährdend zu sein scheint.

Das Alter der Befragten und die Anzahl kleiner Kinder im eigenen Haushalt scheinen ebenfalls eine Rolle zu spielen. Die Burnoutgefährdung ist höher in den mittleren Altersgruppen von 35 bis 54 Jahren („Rush Hour“ des Lebens), aber geringer bei Frauen, die nur ein Kind oder keine Kinder unter sechs Jahren haben.

Was nehmen wir mit?

Über das Thema Geburt von Kindern und Mutterschutz auf landwirtschaftlichen Betrieben ist wenig bekannt, hier liefert die Untersuchung erste echte Einblicke. Knapp die Hälfte der Frauen, die während ihrer Zeit auf dem Betrieb Kinder geboren haben, veränderte ihr Arbeitspensum in der Zeit rund um die Geburt nicht wesentlich, auch wenn die Mehrheit angab, ausreichend Zeit für sich und das Baby gehabt zu haben. Die Befragungsteilnehmerinnen bewerten ihren Gesundheitszustand subjektiv im Durchschnitt als positiv, was trotz hoher Arbeitsbelastung etwas überrascht, aber auch in anderen Studien so berichtet wurde und für eine hohe intrinsische Motivation der in der Landwirtschaft tätigen Menschen spricht.

Dass etwas mehr als 20 % der Befragten von Burnout bedroht sind, zeigt, wie wichtig es ist, neben der physischen auch die psychische Gesundheit in der Landwirtschaft zu betrachten -  die beiden stehen in einem engen Zusammenhang. Die Auswertungen der Befragung zur Burnoutgefährdung bestätigen einige Einflüsse, die auch in anderen Studien ermittelt wurden: Dazu gehören die Bewertung der persönlichen Einkommenssituation, der Betriebsschwerpunkt (vor allem die Milchviehhaltung), der Belastungsfaktor „Image der Landwirtschaft“, das Alter sowie die Position der Frauen im Betrieb. Klar wird zudem, dass es einen Zusammenhang zwischen der Bewertung der betrieblichen Zukunft und der Burnoutgefährdung zu geben scheint; dieser Einflussfaktor war bisher in anderen Studien im deutschsprachigen Raum noch nicht beleuchtet worden.

Letzte Aktualisierung: 08.09.2023

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