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Die Ergebnisse der Studie werden hierfür unter dem Gesichtspunkt der Einflussfaktoren, die die Work-Life-Balance von Frauen auf landwirtschaftlichen Betrieben beeinflussen können, von Zazie von Davier vom Thünen-Institut betrachtet.
Der Begriff der Work-Life-Balance ist in Gesellschaft und Politik ein oft diskutiertes Thema. Im Fokus der Diskussion liegt dabei häufig ein mögliches (Un-)Gleichgewicht zwischen bezahlter Arbeit und Privatleben, verbunden mit der gesellschaftlichen Entwicklung, dass immer mehr Menschen ihr Arbeitsleben anders gestalten möchten. Dass die Diskussion auch vor der Landwirtschaft nicht haltmacht, zeigen zahlreiche in Deutschland und auch im englischsprachigen Ausland erschienene Artikel in landwirtschaftlichen Fachzeitschriften.
Die Lebens- und Arbeitssituation der Menschen auf landwirtschaftlichen Betrieben weist einige Besonderheiten auf. Da wäre zum Beispiel die ständige Abhängigkeit von klimatischen und natürlichen Rahmenbedingungen und die enge Verzahnung von Produktions- und Reproduktionsarbeit in räumlicher und zeitlicher Hinsicht.
Auf Familienbetrieben kommt Frauen in der Regel die Rolle der für die unbezahlte Sorgearbeit zuständigen Familienarbeitskraft zu. Auch die Ergebnisse der durchgeführten Studie zeigen, dass Frauen ganz überwiegend für Haushalt und Familie zuständig sind. Auch die enge Verzahnung von „Arbeit“ und „(Privat-)Leben“ auf dem Betrieb erschwert die Analyse der Work-Life-Balance. Denn die im Haus(halt) verbrachte Zeit ist nicht automatisch mit Freizeit für die betroffenen Frauen gleichzusetzen.
Die Work-Life-Balance unterliegt einer Vielzahl von Einflussgrößen. Das können Anforderungen im beruflichen und privaten Umfeld sowie die „Leit“-Kultur (z. B. Arbeitsethos und Rollenteilung auf landwirtschaftlichen Familienbetrieben) sein. Auch Persönlichkeitsmerkmale wie die Arbeitsorientierung und Fähigkeit der persönlichen Selbstkontrolle sowie Geschlecht, Alter und Lebensphase spielen ebenfalls eine Rolle.
Messbar sind beispielsweise geleistete Arbeitsstunden, freie Zeit und die Rolle der Frauen in der Familie. Was komplizierter zu beurteilen ist: Die Frage, ob das Verhältnis von Arbeit und Privatleben als ausgewogen empfunden wird. Ein „Mehr“ an Privatleben bedeutet nicht für jeden Menschen automatisch auch eine bessere Work-Life-Balance. Darüber hinaus können sich Arbeit und Privatleben auch gegenseitig (positiv oder negativ) beeinflussen.
Verschiedene Anforderungen im Arbeits- und Lebensumfeld können die Work-Life-Balance beeinflussen. Genau diese zwei Bereiche sind jedoch in vielen landwirtschaftlichen Betrieben kaum voneinander abzugrenzen. Was überrascht: Trotz der vielen Aufgaben und Verantwortlichkeiten von Frauen auf landwirtschaftlichen Betrieben wird die Vielfalt der Aufgaben von rund 60 % der Befragten als wenig belastend angesehen. 25 % der Befragten gaben sogar an, dass dieser Aspekt ihres Lebens sie gar nicht belaste. Stattdessen nannten sie die Unsicherheit, wie es mit dem eigenen Betrieb weitergeht, das Image der Landwirtschaft und die Planungsunsicherheit für große betriebliche Investitionen.
Mögliche Belastungsfaktoren im alltäglichen Leben werden von den Befragten recht unterschiedlich bewertet. Über ein Drittel der Befragten fühlen sich von Generations- und innerfamiliären Konflikten belastet, knapp ein Fünftel empfinden die Generationskonflikte sogar als sehr stark belastend.
Die Pflege des Grundstücks, Betriebsgeländes und die Arbeit im Haushalt, die eher zur Carearbeit gehören, werden von deutlich mehr Frauen als belastend bewertet als Aufgaben im landwirtschaftlichen Betrieb und die Arbeit im Garten. Diese Last könnte reduziert werden, wenn die Familienmitglieder stärker auf externe Unterstützung zurückgreifen würden, zum Beispiel für Tätigkeiten im Haushalt oder bei der Pflege des Betriebsgeländes.
Mehr als drei Viertel der Befragten schätzen das Arbeiten mit der Natur und mit Tieren, die Möglichkeit unternehmerisch zu handeln und die freie Zeiteinteilung. Auch dass Kinder auf dem Betrieb aufwachsen können sowie die ländliche Wohnlage schneiden bei den Frauen gut ab. Offenbar überwiegen in letzterem Punkt die Vorteile des Landlebens gegenüber dessen möglichen infrastrukturellen Nachteilen. Am vergleichsweise schlechtesten schneidet das Familienleben mit mehreren Generationen ab, das scheinbar viel Konfliktpotenzial bietet.
Über 80 % der Befragten schätzen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie als gut bis sehr gut ein.
Das Gefühl, zu wenig Zeit zu haben, ist nicht nur ein landwirtschaftsspezifisches Problem: Laut der Zeitverwendungserhebung von 2012/2013 wünschen sich 57 % aller Frauen mehr Zeit für sich selbst. Über zwei Drittel der Antwortenden in der hier vorliegenden Onlinebefragung wünschen sich ebenfalls mehr Zeit für ihre Partnerschaft, Zeit für sich und Zeit für (Enkel-)Kinder. Allerdings sollte der Wunsch nach mehr Zeit nicht als ein Wunsch nach Auszeiten vom Betrieb verstanden werden, denn nur weniger als die Hälfte der Frauen wünschen etwas bis sehr, ab und zu aus dem Betrieb herauszukommen.
Trotz der knappen Zeit werden von den befragten Frauen in der Landwirtschaft zwei Freizeitaktivitäten täglich oder mindestens einmal pro Woche ausgeübt: gegenseitige Besuche bei Nachbarn, Freunden, Verwandten und einem Hobby nachgehen. Besonders selten dagegen sind Besuche von Kino‑, Sport- oder Kulturveranstaltungen sowie Ausflüge oder Kurzreisen. Diese werden nur von rund ein Fünftel der Befragten mindestens einmal im Monat unternommen.
Freizeitaktivitäten, die sich in den Alltag der Frauen recht flexibel integrieren lassen und weniger Vor- und Nachbereitungen erfordern, haben einen deutlich höheren Anteil als Aktivitäten, für die man sich lange vorher festlegen muss oder die eine Vertretung für die laufenden betrieblichen Arbeiten erfordern. Auch ein fehlendes Angebot in erreichbarer Nähe könnte ein Grund dafür sein, zum Beispiel bei Kino-, Sport- oder Kulturveranstaltungen.
Wer arbeitet, braucht auch mal eine längere Pause. Das gilt auch für die Selbständigen. Diese haben keinen gesetzlichen Anspruch auf Urlaub und müssen für sich selbst entscheiden, wie viel Urlaub sie für sich nehmen wollen, einige würden auch sagen „nehmen können“.
Im Durchschnitt haben die befragten Frauen rund 11 Tage im Jahr Urlaub gemacht, aber 7 % der Frauen hatten keinen einzigen Urlaubstag. Dabei machen Betriebsleiterinnen/Geschäftsführerinnen und (Ehe‑)Partnerinnen der Betriebsleitung eher weniger Urlaub, während wegen ihres gesetzlichen Anspruchs die weiblichen Angestellten und Auszubildenden am meisten Urlaub machen. Erwartungsgemäß machen Frauen von Milchviehbetrieben und von anderen Futterbaubetrieben eher weniger Urlaub. Frauen von spezialisierten Ackerbaubetrieben und Betrieben mit Sonder- und Dauerkulturen haben laut den Befragungsergebnissen die meisten Tage Urlaub.
Auch zu dieser Frage gibt die Studie Antworten: Die Frauen bewerteten ihre Lebenszufriedenheit auf einer Skala von 0 „überhaupt nicht zufrieden“ bis 10 „voll und ganz zufrieden“ im Mittel mit 6,9. Der Wert liegt damit nur leicht unterhalb des Wertes, der von der OECD für Deutschland veröffentlicht wurde (Mittelwert von 7,3 im Jahr 2020).
Unterschiede ergeben sich zwischen den Altersgruppen der Befragten: So sind die 65-Jährigen und ältere und die unter 25-Jährigen gegenwärtig mit ihrem Leben am zufriedensten, während die Gruppe der 45- bis 54-Jährigen von allen am wenigsten zufrieden ist. Doch das ist ganz normal: Verschiedene Studien bestätigen, dass die Lebenszufriedenheit mit zunehmendem Alter zunächst abnimmt und dann wieder ansteigt und somit einen typischen U-förmigen Verlauf zeigt.
Der Wunsch nach mehr Zeit, über die Frauen auf landwirtschaftlichen Betrieben frei verfügen können deutet darauf hin, dass die Work-Life Balance bei der ganz überwiegenden Zahl der Befragten aktuell nicht ausgewogen ist.
Dieses Ungleichgewicht kann sich auf die Gesundheit, aber auch auf die sozialen Interaktionen im persönlichen Umfeld negativ auswirken. Konflikte im familiären Umfeld gehören neben dem Image der Landwirtschaft in der Gesellschaft zu den größeren Belastungsfaktoren im Lebens- und Arbeitsumfeld der Frauen.
Auf der anderen Seite bringt das Leben auf einem landwirtschaftlichen Betrieb auch schöne Seiten mit sich, zum Beispiel das Arbeiten in der Natur und mit Tieren. Dazu gehört auch der Umstand, dass Kinder auf einem Hof aufwachsen können. Diese positiven Einflussfaktoren im Lebens- und Arbeitsumfeld der Befragten können sicherlich miterklären, warum trotz eines hohen Arbeitspensums, wenig Urlaub und freier Zeit die befragten Frauen insgesamt mit ihrem Leben nicht unzufrieden sind, sondern eine überraschend hohe Lebenszufriedenheit haben.
Letzte Aktualisierung: 08.09.2023