Wir verwenden Cookies, um Ihnen die optimale Nutzung unserer Webseite zu ermöglichen. Es werden für den Betrieb der Seite nur notwendige Cookies gesetzt. Details in unserer Datenschutzerklärung.
Das Gerücht, Landwirtschaft sei ein allein für Männer geeigneter Beruf, hält sich hartnäckig. Doch aktuelle Zahlen sagen etwas anderes: Der Frauenanteil bei Ausbildungsverträgen in der Landwirtschaft verdoppelte sich laut Statistischem Bundesamt in den Jahren 2011 bis 2021 fast. Er stieg von 12 auf 22 Prozent.
Höchste Zeit also, diesem Themengebiet mehr Aufmerksamkeit zu schenken und die Lebenswelt dieser Frauen näher unter die Lupe zu nehmen. Die Befragungsergebnisse der Studie Frauen.Leben.Landwirtschaft schaffen interessante Einblicke, zeigen positive Aspekte, aber auch eindeutigen Handlungsbedarf auf. Die nachfolgenden Ergebnisse stammen von der Universität Göttingen.
Die Arbeiten auf einem landwirtschaftlichen Betrieb sind vor allem eins: vielfältig. Das zeigt auch die Befragung unter 259 Frauen auf Höfen, die entweder in der Ausbildung sind oder als familienfremde ständig Angestellte ohne Leitungsfunktion arbeiten. Über 75 % der Befragten ist auf Betrieben ab 51 Hektar angestellt.
Tierhaltung und Stallarbeit (67,2 %) sowie Feldarbeit (69,4 %) gehören zu den gängigsten Aufgabenbereichen, gefolgt von der Pflege und Instandhaltung des Betriebsgeländes (57,8 %). Nur 34,9 % der Befragten zählen die Buchhaltung zu ihren Aufgaben. Fast die Hälfte der Auszubildenden hat sich für einen ökologisch wirtschaftenden Betrieb entschieden.
Leben und Arbeiten sind in der Landwirtschaft oft eng miteinander verknüpft, bedingt durch die ländliche Wohnlage und enge Familienanbindung – auch zur Vereinbarkeit von Job und Privatleben bietet die Studie interessante Ergebnisse, auf die wir später eingehen werden.
Die Aussagen zur Lohnzufriedenheit sind unterschiedlich – was auffällt, ist jedoch, dass 39,3 % der Frauen mit ihrem Gehalt gar nicht bis eher nicht zufrieden ist. Dagegen sind nur 7,9 % zufrieden. Dennoch: Über 70 % der Befragten gaben an, dass die Aussage „Ich gehe gerne zur Arbeit“ überwiegend oder voll auf sie zutrifft.
Wenn das Gehalt nicht so positiv bewertet wird, was ist es dann? Auch hierauf gaben die Frauen Antworten: Ein angenehmes Betriebsklima, familiäre Atmosphäre, Gestaltungsfreiheit sowie die Arbeit in der Natur und mit den Tieren sowie die ländliche Wohnlage überzeugen die Befragten – also steckt vielleicht eine intrinsische Motivation hinter ihrer Jobwahl?
Die Befragten gaben jedoch auch klare Impulse zur Verbesserung. Bessere innerbetriebliche Kommunikation, bessere Entwicklungschancen und Weiterbildungsmöglichkeiten würden die Zufriedenheit erhöhen.
In der Landwirtschaft tätige Personen arbeiten oft körperlich. Man könnte dies als Grund dafür annehmen, dass mehr als ein Drittel der befragten Auszubildenden und Angestellten folgender Aussage eher bis voll und ganz zustimmte: „Die Arbeitsbelastung ist dauerhaft zu hoch“. Mehr als die Hälfte fühlt sich mehrmals pro Woche oder sogar immer müde, dicht gefolgt von körperlicher und emotionaler Erschöpfung. Doch weit gefehlt: Als eher belastend wird das Image der Landwirtschaft wahrgenommen – von Arbeitenden auf konventionellen Betrieben stärker als auf ökologischen.
Die zwei Betriebsformen tauchen auch bei einem anderen Thema auf. Etwa ein Drittel der Frauen geht davon aus, dass sie weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen. Auch hier gaben diese Aussage eher Frauen von konventionellen Höfen an. Mehr als 40 % der Studienteilnehmerinnen gehen davon aus, dass es keine Unterschiede beim Gehalt gibt. Ein schwacher Effekt konnte bei der hierarchischen Position im Betrieb festgestellt werden. Angestellte in Leitungspositionen (ohne Familienzugehörigkeit) schätzten die Gleichbehandlung positiver ein.
Auch wenn mehr als zwei Drittel der befragten Frauen davon ausgehen, auch künftig in der Landwirtschaft beschäftigt sein zu können und den Arbeitsplatz damit als sicher einschätzen – beim Thema Altersvorsorge zeigte sich wesentlich mehr Skepsis und Besorgnis. „Fühlen Sie sich für das Alter ausreichend abgesichert?“ lautete die Frage, auf die nur ein Viertel der befragten Angestellten und Auszubildenden mit Ja antwortete. Knapp 40 % gingen davon aus, im Hinblick auf das Alter nicht abgesichert zu sein. 32,9 % gaben an, dies nicht zu wissen. Dies spricht für große Unsicherheit und Ungewissheit beim Thema der finanziellen Altersvorsorge.
Und wie leben die Studienteilnehmerinnen? Die befragten Frauen nannten drei verschiedene Wohnmodelle: ein eigenes Haus oder eine eigene (Miet-)Wohnung (44,2 %), eine Wohnung oder Haus mit mehreren Generationen und getrennten Versorgungseinheiten (20,3 %) sowie eine Wohnung oder ein Haus mit mehreren Generationen und gemeinsamen Versorgungseinheiten (17,4 %).
Etwa zwei Drittel der Angestellten leben in einer Partnerschaft oder Ehe, knapp die Hälfte der Auszubildenden lebt ohne Partner. Die Anbindung des Wohnortes an öffentliche Verkehrsmittel wird oft als mittelmäßig beschrieben, was an der ländlichen Wohnlage liegen dürfte. Auch in Sachen Internetanschluss scheint es Verbesserungsbedarf zu geben.
Im Mittel standen den Befragten von 2017 bis 2019 nur 22 Urlaubstage im Jahr zu. Mittelmäßig in ihrem Privatleben belastet fühlen sich die Frauen vor allem durch Generationskonflikte, Streit in der Partnerschaft und Familie sowie die Arbeit im Haushalt. Die Arbeit auf dem Betrieb wird dagegen als eher nicht belastend empfunden. Im Gegenteil: Eine Arbeit außerhalb der Landwirtschaft wünscht sich der Großteil der befragten Frauen nicht. Nur 4,9 % würden gerne außerhalb der Branche arbeiten. Also scheinen die Auszubildenden und Angestellten die richtige Berufswahl getroffen zu haben.
Doch wie sind die Ergebnisse zum Leben und Arbeiten von familienfremden Angestellten ohne Leitungsfunktion und Auszubildenden auf landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland nun einzuordnen? Insgesamt kann man von einer hohen Arbeitszufriedenheit und einem mittleren Belastungsniveau sprechen.
Das zeigt sich auch darin, dass über 70 % der Frauen angaben, gerne zur Arbeit zu gehen und nur wenige Belastungen in Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit stehen. Sie resultieren eher aus dem als sehr negativ wahrgenommenen Image der Landwirtschaft in der Bevölkerung, gerade auf den konventionellen Betrieben. Dass trotz finanziellen Unsicherheiten eine so große Zufriedenheit vorliegt, dürfte beweisen, dass bei den Frauen eine hohe intrinsische Motivation vorliegt. Die Arbeit in der Natur und mit den Tieren in Kombination mit der ländlichen Wohnlage scheinen hierbei viel auszumachen.
Zu beachten ist in jedem Fall die Tatsache, dass mehr als ein Drittel der Befragten die Arbeitsbelastung als dauerhaft zu hoch einschätzt. Dies könnte nicht nur an den tatsächlichen Arbeitsbedingungen, sondern auch an den wenigen Urlaubstagen und fehlender Erholungszeit liegen.
Auch Aspekte der Gleichbehandlung von Männern und Frauen auf landwirtschaftlichen Betrieben sollten mehr Aufmerksamkeit erfahren und ins Bewusstsein der Verantwortlichen gerückt werden – auch oder gerade im Hinblick auf die finanzielle Entlohnung, einer möglichen Gender Pay Gap und Sorgen bezüglich der Alterssicherung.
Letzte Aktualisierung: 12.09.2023