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Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts APV-RESOLA wurde im Jahr 2016 in der Region Bodensee-Oberschwaben erstmalig ein landwirtschaftlicher Praxisversuch angelegt. Als eine der ersten Agri-PV-Pilotanlagen wurde diese speziell auf die Anforderungen der Landwirtschaft angepasst: So wird unter anderem durch die Verwendung spezieller bifazialer Solarmodule mit einem erhöhten Reihenabstand eine relativ gleichmäßige Lichtverteilung unter der rund ein Drittel Hektar großen Anlage erreicht. Durch eine Anpassung der Stahlkonstruktion auf die Arbeitshöhen und -breiten der Landmaschinen kann die Fläche weitestgehend normal bewirtschaftet werden.
Ziel des Versuchs war erstmalig in größerem Maßstab unter mitteleuropäischen Bedingungen zu untersuchen, wie sich der Anbau unter den Solarpanelen auf die Lichtverfügbarkeit, die mikroklimatischen Bedingungen und folglich auf das Wachstum und die Erträge der darunter angebauten Kulturen auswirkt.
Angelegt auf einem ökologisch-bewirtschafteten Mischbetrieb mit Milchviehhaltung und Marktfruchtanbau, wurden exemplarisch verschiedene Kulturen der betriebseigenen Fruchtfolge gewählt, welche sich neben ihrer Nutzung auch in ihren Vegetationsperioden und Wachstumseigenschaften unterscheiden: Kartoffeln, Kleegras, Knollensellerie und Winterweizen.
Die Ergebnisse aus den ersten beiden Versuchsjahren 2017-2018 haben gezeigt, dass das für die Pflanzen verfügbare Licht unter der Anlage um rund 30 % reduziert wurde. Der Umfang der Lichtreduktion hängt stark von der jeweiligen technischen Ausführung ab und kann zum Beispiel mit steigender Moduldichte zunehmen.
Infolge der Beschattung haben sich die mikroklimatischen Bedingungen im Pflanzenbestand verändert: Insbesondere in den Sommermonaten wurde eine reduzierte Luft- und Bodentemperatur festgestellt.
Während in vergleichbaren Studien in Südfrankreich in Abhängigkeit von der angebauten Kultur zum Teil eine verminderte Blatt- und Bodenverdunstung (Evapotranspiration) unter Agri-PV gezeigt werden konnte, waren die Ergebnisse am Bodensee dahingehend weniger eindeutig. So war die Bodenfeuchtigkeit im Mittel in den Wintermonaten niedriger, wohingegen im Sommer keine signifikanten Unterschiede verzeichnet wurden. Neben kulturspezifischen Unterschieden scheint hierbei vor allem die Regenverteilung eine entscheidende Rolle zu spielen.
Wie der Versuch gezeigt hat, ist die Niederschlagsverteilung auf der darunterliegenden Fläche durch die teilweise überdachende Wirkung der Solarpaneele relativ ungleichmäßig: Während zwischen den Modulreihen geringere Niederschlagsmengen erfasst wurden, laufen die Regenfälle unter der Abtropfkante der Module konzentriert ab.
Durch den konzentrierten Ablauf unter der Abtropfkante der PV-Module kann es nach starken Niederschlägen, insbesondere bei einem unbewachsenen Boden sowie in offenen Kulturreihen, zu einer Verschlämmung der Bodenoberfläche kommen. Dies konnte im Versuch beispielsweise in frühen Stadien von Hackkulturen wie Sellerie und Kartoffeln beobachtet werden.
Andererseits kann sich dieser Effekt der Überdachung auch gezielt nutzen lassen, wie beispielsweise Ansätze zur Agri-PV im Obst- und Sonderkulturbereich zeigen: Durch Auffangvorrichtungen unter den Abtropfkanten der PV-Module werden die Regenfälle aufgefangen und für eine zielgerichtete Bewässerung genutzt. Durch die partielle Überdachung der Kulturreihen können die Pflanzen außerdem vor einer übermäßigen Wettereinwirkung (wie z.B. Hagel- oder Hitzeschäden) geschützt werden.
Abgesehen von der Wasserverteilung ist vor allem eine ausreichende Lichtverfügbarkeit als entscheidendes Kriterium für die acker- bzw. pflanzenbauliche Anwendung der Agri-PV zu sehen. Infolge der Beschattung durch die PV-Module zeigten alle im Versuch angebauten Kulturen ein verstärktes vegetatives Wachstum, was sich durch eine vergrößerte Blattfläche und Wuchshöhe der angebauten Pflanzen zeigte.
Zugleich entwickelten sich die Pflanzen im Vergleich zur nicht-überbauten Variante leicht verzögert. Dies ist neben der verminderten Sonneneinstrahlung mutmaßlich auch auf die verringerten Luft- und Bodentemperaturen und eine infolgedessen verlangsamte Jugendentwicklung der Pflanzen, insbesondere im Frühjahr, zurückzuführen.
Infolge der mikroklimatischen Veränderungen waren die landwirtschaftlichen Erträge unter der Agri-PV-Anlage im dreijährigen Mittel um rund 13 % reduziert. Dabei gilt es zusätzliche Ertragsverluste zur berücksichtigen, welche infolge der verminderten Anbaufläche (durch die Aufständerung der Anlage) entstehen und sich im Versuch auf rund 8 % beliefen.
In den drei Versuchsjahren zeigten sich sowohl zwischen den verschiedenen Kulturpflanzen als auch den Anbaujahren teils deutliche Unterschiede.
Während die Agri-PV somit in heißen und trockenen Jahren dazu beitragen kann, die Anbaubedingungen durch ein verändertes Mikroklima (z.B. durch eine Reduktion der Boden- und Lufttemperatur) zu verbessern, können in anderen Jahren die negativen Effekte der verminderten Sonneneinstrahlung überwiegen. Dies hat auch das Jahr 2019 gezeigt, wo unter vergleichsweise ausgewogenen klimatischen Bedingungen stärkere Ertragseinbußen von bis zu 33 % zu verzeichnen waren.
Die Ertragsschwankungen zwischen den einzelnen Jahren waren insgesamt auf der nicht-überdachten Vergleichsfläche deutlich stärker ausgeprägt, wie am Beispiel Winterweizen gezeigt werden konnte. Während die Kornerträge auf dieser zwischen den Jahren 2017-2019 um bis zu 1,5 t variierten, lag die Schwankung unter der Agri-PV-Anlage im gleichen Zeitraum bei nur rund 0,2 t. Ein Resultat, das sich auch mit den Ergebnissen einer italienischen Studie deckt, welche zum Schluss kam, dass die Agri-PV langfristig zu einer Stabilisierung der landwirtschaftlichen Erträge (hier: im Silomaisanbau) beitragen kann.
Als einer der ersten Anbauversuche zu Agri-PV unter mitteleuropäischen Bedingungen zeigen die Ergebnisse, dass bei den meisten landwirtschaftlichen Kulturarten leichte Ertragsreduktionen zu erwarten sind, wobei deren Umfang stark abhängig ist von
Hierbei zeigte sich, welches Potenzial die Agri-PV insbesondere unter heißen und trockenen Bedingungen bergen und damit zukünftig in Anbetracht des Klimawandels noch gewinnen kann.
Zugleich bedarf es für eine Gesamtbewertung der Agri-PV immer auch der Betrachtung der gleichzeitigen Energieproduktion und der damit einhergehenden Steigerung der Flächennutzungseffizienz.
Dennoch benötigt es weitere Versuche, um die Resultate der dreijährigen Anbauversuche zu verifizieren und mögliche langfristige Effekte genauer zu erforschen sowie den Anbau weiterer Kulturarten zu erproben. Hierbei gilt es auch die möglichen Auswirkungen auf die Qualität der landwirtschaftlichen Erzeugnisse zu untersuchen:
Im Versuch am Bodensee zeigte sich bei Kartoffeln und Winterweizen eine Tendenz hin zu kleineren Knollen- und Korngrößen unter Agri-PV, was neben der Vermarktbarkeit auch die Qualität (z.B. Backqualität und Mehlausbeute) beeinflussen kann. So war beispielsweise bei den Kartoffeln der Anteil an schwerer vermarktbaren Kartoffeln (Durchmesser >50 mm) auf der Referenzfläche größer, wohingegen der Anteil an gut vermarktbaren, mittelgroßen Knollen (35-50 mm) im Jahr 2018 unter der Agri-PV-Anlage signifikant erhöht war.
Darüber hinaus gibt es bisweilen nur geringe Erfahrungswerte zu möglichen Auswirkungen auf die Inhaltsstoffe der angebauten Kulturen. Auch wenn erste Analyseergebnisse zur chemischen Zusammensetzung der Sellerieknollen weitestgehend unauffällig waren, zeigten sich kleine Effekte auf den Gehalt von Spurenelementen sowie auf den Kohlenstoff- und Fasergehalt der Knollen.
Neben hochaufgeständerten Agri-PV-Anlagen wie am Bodensee gilt es auch die landwirtschaftliche Eignung bodennah-aufgeständerten Agri-PV-Systeme zu untersuchen, welche gemäß DIN SPEC 91434 (Vornorm zu Agri-Photovoltaik) eine weitere Variante von Agri-PV-Anlagen darstellen. Vorteile ergeben sich hierbei vor allem durch die im Vergleich zu hoch-aufgeständerten Systemen deutlich niedrigeren Investitionskosten, wobei deren ackerbauliche Anwendung bis dato noch weitestgehend unerforscht ist.
Letzte Aktualisierung 26.04.2023