Praxisbeispiel Fernerkundungsmethoden: Braunrost in Weizen Dossier: Digitalisierung im Ackerbau Teil 6

Das Experimentierfeld „Digitale Wertschöpfungsketten für eine nachhaltige kleinstrukturierte Landwirtschaft“ (DiWenkLa) untersucht den Einsatz digitaler Technologien in den Produktionszweigen Ackerbau, Feldgemüsebau, Grünlandbewirtschaftung sowie Rinder- und Pferdehaltung. In Teilprojekt 6 geht es um Pflanzenschutz-Monitoringsysteme für Sonderkulturen. Ziel des Projekts ist die Analyse von Möglichkeiten drohnenbasierter optischer Sensoren zur Effizienzsteigerung des Pflanzenschutzes.
Christian Trautmann und Prof. Dr. Ralf Vögele haben für Sie zusammengefasst, was Sie über Fernerkundung im Ackerbau wissen müssen.
Der Erfolg einer Feldkultur ist von vielen Faktoren abhängig. Dazu zählen genügend Wasser, das Ausbleiben von Unwettern, die rechtzeitige Durchführung der notwendigen Kulturmaßnahmen wie Düngung, Pflanzenschutz und Ernte. Für erfahrene Praktikerinnen und Praktiker stellt die Einschätzung über den Zustand eines Feldes während einer Feldbegehung kein Problem dar.
Heute muss jedoch die Feldbeobachtung (Monitoring) einer Vielzahl von Flächen in unterschiedlichen Lagen mit unterschiedlichen Bedingungen und Kulturen zeitgleich bewältigt werden. DasFachwissen über Fehlentwicklungen einer Feldkultur ist notwendig. Um Abhilfe schaffen zu können, müsste die Information „Dort oben am linken Feldrand ist ein Distelnest“ in das Terminal einer Feldspritze geladen werden können. Dies ist aber in der Form nicht möglich.
Dennoch sind entsprechende Daten die Basis einer teilschlagspezifischen Bewirtschaftung, zu der auch die teilschlagspezifische Ausbringung von Pflanzenschutz- und Düngemitteln gehört.
Insbesondere für die Bereiche Pflanzenschutz und Düngung sind möglichst aktuelle, fortlaufend gewonnene Daten der Kulturen notwendig. Nur so kann auf kurzfristig eintretende Ereignisse, wie zum Beispiel einen Blattlausbefall, schnell und zielgerichtet reagiert werden. Als Datenquelle für die Erstellung entsprechender Befallskarten bieten sich im Wesentlichen zwei Verfahren der Fernerkundung an: Die Nutzung von Satellitenbildern und die Befliegung der Felder mit Drohnen.
Sowohl die ESA (European Space Agency) als auch die NASA (National Aeronautics and Space Administration) betreiben Erdbeobachtungssatelliten. Die Daten werden kostenlos zur Verfügung gestellt und sind via Download verfügbar.
In Europa werden im Rahmen des Copernicus Programms die Sentinel-Satelliten betrieben. Für dieses Programm wird eine ganze Flotte von Satelliten unterschiedlichster Bauart verwendet. Die für die landwirtschaftliche Anwendung Relevantesten sind unter anderem die beiden Sentinel-2-Satelliten, die in einer Höhe von rund 800 km die Erde umkreisen. Sie fotografieren alle fünf Tage jeden Punkt auf der Erde. Da die beiden Satelliten mit Multispektralsensoren ausgerüstet sind, lassen sich mit den Bilddaten die für die Landwirtschaft wichtigen Vegetationsindizes, wie zum Beispiel der NDVI (Normalized Difference Vegetation Index), berechnen.
Die räumliche Auflösung der Bilder liegt im Fall der Sentinel-2-Satelliten bei minimal 10 x 10 Meter pro Pixel, was insbesondere in Gebieten mit kleinen Flächenstrukturen ein Nachteil sein kann. Länger anhaltende Schlechtwetterphasen können außerdem dazu führen, dass bedingt durch die Wolkendecke das eigene Feld nicht auf den Bildern zu erkennen ist oder dass die Daten nicht verwertbar sind.
Landwirtschaftliche Flächen können mit Drohnen beflogen werden, um die für die weitere Analyse notwendigen Rohdaten selbst zu generieren.
Auch bei schwierigen Wetterlagen sind Drohnen in der Lage, Daten zu erfassen, weil die Drohne unter der Wolkendecke fliegt. Befliegungen bei Regen und zu starkem Wind sind jedoch nicht möglich. Es muss außerdem berücksichtigt werden, dass unter suboptimalen Bedingungen die Qualität der Bilddaten negativ beeinflusst werden kann. Die beste Qualität der Bilder entsteht entweder bei wolkenlosem Himmel und direkter Sonneneinstrahlung oder bei einer geschlossenen Wolkendecke und somit diffuser Einstrahlung. Letzteres führt zu Bildern mit geringem Schattenwurf. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass Drohnen je nach Anforderung mit unterschiedlichen Sensoren (Kameras) bestückt werden können. Eine Ausrüstung mit Multispektralsensoren zur Berechnung von Vegetationsindizes ist somit einfach umzusetzen.
Bei der Verwendung von Drohnen müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland und der EU beachtet werden. So ist es nicht erlaubt, die Drohne ohne Sichtkontakt des Piloten zur Drohne oder diese automatisiert fliegen zu lassen. Es ist somit erforderlich die Drohne zu jedem Feld zu bringen und sie vom Feldrand aus zu starten.
Je nach verwendetem Modell sind mehr oder weniger große Abstände zu Siedlungen, Verkehrswegen und Naturschutzgebieten einzuhalten. Liegt das zu befliegende Feld in einem solchen Gebiet, dürfen Befliegungen oftmals nur nach vorheriger Genehmigung durchgeführt werden.
Auf der Digitalen Plattform unbemannte Luftfahrt des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr können Flugverbotszonen eingesehen werden.
Über das Erstellen von Bildmaterial hinaus können Drohnen für weitere Aufgaben im Pflanzenbau eingesetzt werden. Dazu zählt das Ausbringen von Nützlingen (Trichogramma) in Mais oder das Streuen von Saatgut, zum Beispiel zum Anlegen einer Untersaat. In schwierigen Lagen, wie in Steillagen im Weinbau, ist die Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln ebenfalls in der Praxis etabliert.
Auf dem Markt findet sich ein breites Angebot von Drohnen verschiedener Bauarten, für unterschiedliche Anwendungen und (fast) jedes Budget. Grundsätzlich lässt sich zwischen Starrflüglern und Multicoptern unterscheiden.
Starrflügler sind Drohnen, die in ihren Flugeigenschaften einem Flugzeug ähneln. Aufgrund einiger Besonderheiten werden sie vorwiegend im professionellen Bereich, wie Landschaftsmonitoring und Vermessung, angewandt. Sie müssen beim Start in die Luft geschleudert werden und benötigen bei der Landung eine Art Landebahn. Außerdem können Starrflügler eine längere Flugzeit als Multicopter erreichen.
Multicopter sind Drohnen, die ihren Auftrieb ähnlich einem Hubschrauber durch abwärts gerichtete Propeller erzeugen. Multicopter können auch bei geringen Geschwindigkeiten fliegen und sogar stehend schweben.
Die kleinsten Modelle wiegen inklusive Kamera ungefähr 250 Gramm und sind bereits mit guten RGB-Kameras ausgerüstet. Größere Modelle bieten den Vorteil, dass die Sensorik austauschbar ist. Das ermöglicht den Wechsel der Kamera.
Der Einstieg ist bei den kleinen Modellen derzeit bereits ab 250 Euro möglich.
Gesteuert wird die Drohne mit einer App, die in der Regel auf der Fernsteuerung der Drohne installiert ist. Hier gibt es zwischen den Modellen teils massive Unterschiede. Für Feldbefliegungen sind bestimmte Flugmodi, sogenannte Kartierungsmodi, vorteilhaft. Diese sind nicht bei allen Modellen verfügbar.
Deshalb ist darauf zu achten, dass die Durchführung von Kartierungsflügen in der Software implementiert ist. Dies ist oftmals erst ab der gehobenen Mittelklasse, nicht aber bei den Einstiegsmodellen für den Hobbybereich, der Fall.
In der Regel verfügen bereits die einfachen Modelle über eine GPS-basierte Positionsbestimmung. Dies dient einerseits dem Einhalten von Flugverboten (Geofencing). Andererseits lässt sie sich für die Georeferenzierung der Bilddaten nutzen. Dabei werden die GPS-Koordinaten der Drohne zum Zeitpunkt der Bildaufnahme „in“ die Bilddatei, also in ihre Metadaten, geschrieben. Die Geodaten sind während der späteren Verarbeitung wichtig.
Die Genauigkeit hängt dabei auch davon ab, ob die Drohne mit einem gewöhnlichen GPS-Signal arbeitet. Ein RTK-Modul (Real Time Kinematic) steigert die Genauigkeit enorm. RTK-Module präzisieren allgemein die Positionsbestimmung von GPS-Signalen.
Wenn Bilddaten generiert werden sollen, sind zwei Baugruppen der Drohne zentral:
Bei den meisten Drohnen im Hobbybereich und der Mittelklasse sind die Kameras fest verbaut und können durch Anwenderinnen und Anwender nicht gewechselt werden. Daher sollten bei der Anschaffung die für die spätere Nutzung relevanten Sensoreigenschaften beachtet werden. Mit den auch in günstigen Modellen verbauten RGB-Kameras lassen sich bereits qualitativ hochwertige Luftbilder aufnehmen.
Durch physikalische Gesetzmäßigkeiten ergibt sich, dass das von einer gesunden Pflanze abgegebene Licht eine charakteristische, spektrale Signatur besitzt. Wird eine Pflanze krank, oder steht sie zum Beispiel unter Trockenstress, verändert sich die spektrale Signatur. Der Vergleich der spektralen Signatur ermöglicht so die Differenzierung zwischen einer gesunden und einer unter Stress stehenden Pflanze.
Je nach Aufbau und Funktion der verwendeten Sensoren können unterschiedliche Veränderungen im Pflanzenbestand erkannt werden, oftmals sogar bevor man sie mit den eigenen Augen, zum Beispiel bei einer Feldbegehung, erkennen könnte.
Das Verfahren funktioniert analog zu RGB-Bildern auch mit Daten von Multispektral- und Thermalkameras.
Zur Sichtbarmachung der Veränderungen gibt es verschiedene Vorgehensweisen, wie mit den gewonnenen Rohdaten umgegangen werden kann. Die Einfachste, das Berechnen von Vegetationsindizes, wird im Folgenden erläutert. Hierfür sind Daten einer Multispektralkamera erforderlich.
Nach der Befliegung eines Feldes liegen die Bilddaten in der Regel als Bündel von Einzelbildern vor. Genau genommen liegen so viele Einzelbilder pro Aufnahmezeitpunkt vor, wie die Kamera Kanäle hat. Jedes Einzelbild zeigt entsprechend nur einen Teilausschnitt des Feldes. Um ein Bild des kompletten Feldes zu erhalten, müssen die Einzelbilder zu einem Gesamtbild, auch Orthomosaik, zusammengesetzt werden. Dieser Vorgang wird als Stitching bezeichnet.
Für das Stiching ist Software unterschiedlicher Anbieter verfügbar. Ein Beispiel für frei verfügbare Software ist OpenDroneMapTM
Die Software von kommerziellen Anbietern bietet erfahrungsgemäß die größere Anwenderfreundlichkeit. Die Kosten für die notwendigen Lizenzen sind jedoch nicht zu unterschätzen.
Alternativ kann auf Open Source Anwendungen zurückgegriffen werden. Die Software ist nicht mit direkten Kosten verbunden und im Hinblick auf die Qualität der Ergebnisse keine schlechtere Alternative. Die Nachteile liegen eher in einer weniger intuitiven Benutzung.
Am Ende der Verarbeitung mit einem der genannten Programme steht das bereits erwähnte Orthomosaik. Seine Bilddaten werden in ein Geoinformationssytem (GIS) übertragen. Wie beim Stitchen steht eine Anzahl von Anbietern proprietärer wie freier Software zur Verfügung. In diesem Beispiel wird mit qGIS gearbeitet. qGIS ist zum Download frei verfügbar und kann kostenlos genutzt werden. Für Einsteiger gibt es eine Bandbreite an Lernvideos auf gängigen Videoportalen, in denen der Umgang mit einem GIS erläutert wird.
Für die Berechnung von Vegetationsindizes können Daten herangezogen werden, die mit Multispektralkameras erhoben wurden. Dabei ist es egal, ob die Daten von der Befliegung mit einer Drohne oder einem Satelliten, wie dem Senitel-2, erhoben wurden.
Die Verwendung von Vegetationsindizes ist eine Methode, Oberflächen zu klassifizieren. Vegetationsindizes geben beispielsweise darüber Aufschluss, wie viel Prozent der Erdoberfläche verbaut sind, oder wie viel Fläche ackerbaulich genutzt wird. Vegetationsindizes sind hierfür eine einfache, wenig rechenintensive Methode. Dabei macht man sich den Umstand zu Nutze, dass Pflanzen im sichtbaren Spektrum des Lichts insgesamt relativ wenig Licht reflektieren. Im Nahinfrarotbereich steigt die Reflektion aufgrund der Eigenschaften des Chlorophylls auf etwa das Sechsfache an. Tote Oberflächen wie Fels, Stein, oder Wasser, zeigen ein anderes Reflektionsverhalten. Während der letzten Jahrzehnte wurden Vegetationsindizes für die verschiedenen Anwendungen entwickelt.
Auf einer Website der Universität Bonn findet sich eine Übersicht mit publizierten Vegetationsindizes.
Die Berechnung eines Vegetationsindizes wird über einen sogenannten Rasterrechner, ein Verarbeitungstool in gängigen Softwareanwendungen, nach der entsprechenden Formel vorgenommen. Für den NDVI lautet diese: (NIR-Rot) / (NIR+Rot)
Die Berechnung wird für jeden Pixel des Orthomosaiks erstellt. Pro Pixel erhält man einen Wert in einem vorher definierten Wertebereich, zum Beispiel von -1 bis 1. Im genannten Beispiel steht ein Wert von 0 für keine photosynthetisch aktive Vegetation, also für Asphalt oder für Bäume ohne Laub. Ein Wert von 0,8 oder höher steht für sehr aktive (gesunde) Vegetation. Das Resultat ist eine bunt gefärbte Karte des beflogenen Feldes.
Im Pflanzenbau geht es darum, Fehlentwicklungen im Feld frühzeitig zu erkennen.
In einem gesunden Pflanzenbestand kann von einer hohen Photosynthese-Leistung ausgegangen werden. Somit ist mit einem hohen NDVI zu rechnen. In Bereichen des Feldes, in denen sich die Pflanzen weniger gut entwickeln, ist von einem niedrigeren NDVI auszugehen. Ursächlich dafür können schlechte Bodenbedingungen oder ein Krankheitsbefall sein.
Letztendlich ermöglicht die Verwendung von Vegetationsindizes das Sichtbarmachen von Heterogenität im Feld. Das bedeutet nicht, dass ein Rückschluss auf einen bestimmten Krankheitserreger oder den Mangel eines bestimmten Nährstoffes gezogen werden kann. Zur Interpretation der Ergebnisse ist somit weiterhin pflanzenbauliche Erfahrung und eine genauere Untersuchung möglicher Problembereiche notwendig. Dementsprechend ist die Anwendung in der Praxis vor allem dann interessant, wenn ein drohnengestütztes System vorhanden ist, das die Daten eines NDVI in Echtzeit auf das Display der Fernsteuerung übertragen kann. In diesem Fall können große Flächen in kurzer Zeit auf entsprechende Problemzonen hin untersucht, direkt aufgesucht und begutachtet werden.
Im nächsten Teil des Dossiers werden anhand eines Praxisbeispiels die Vor- und Nachteile sowie resultierende Möglichkeiten eines solchen Systems erläutert.
Lottes, P. et al. (2019): UAV-based Field Monitoring for Precision Farming. Conference Paper. 25. Workshop Computerbildanalyse in der Landwirtschaft.
Raeva, P. et al. (2018): Monitoring of crop fields using multispectral and thermal imagery from UAV. DOI 10.1080/22797254.2018.1527661.
Strathmann, M. & Bauer, C. (2022): Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) zur Bestandsbeurteilung. Projekt BoniKI für eine pflanzengenaue und autonome Bonitierung. In LandInfo 2/2022.
Experimentierfeld DiWenkLa der Universität Hohenheim: https://diwenkla.uni-hohenheim.de/
Teilprojekt im Experimentierfeld DiWenkLa der Universität Hohenheim: https://diwenkla.uni-hohenheim.de/tp6
Letzte Aktualisierung 08.01.2024
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