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Viele Grünlandflächen in Baden-Württemberg liegen auf sogenannten ungünstigen Standorten. Besonders im Schwarzwald und auf der Schwäbischen Alb befindet sich ein überdurchschnittlich hoher Anteil an Grünlandflächen, die nur schwer bewirtschaftet werden können. Dabei übernehmen diese Flächen sehr wichtige Funktionen: Sie tragen dazu bei, den Wasserhaushalt zu regulieren, sie verhindern das Abtragen des Bodens, sie binden Kohlendioxid und mindern Nährstoffausträge, sie erhalten oder erhöhen die biologische Vielfalt und sie sorgen für eine strukturierte und vielfältige Kultur- und Erholungslandschaft.
Die nachhaltige Bewirtschaftung dieser Grünlandflächen ist oft nur schwer möglich, da die Flächen schlecht mit großen Maschinen bearbeitet werden können und ein hoher Anteil der Flächen dem Natur- und Landschaftsschutz unterliegt. Im Rahmen eines Projektes der Innovationspartnerschaft landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit (EIP Agri) wurden deshalb Ansätze erarbeitet, die eine Grünlandnutzung in den benachteiligten Gebieten Baden-Württembergs für landwirtschaftliche Betriebe ökonomisch attraktiv machen und dabei auch ökologisch und sozial tragfähig sind.
Das Projekt „Nachhaltige Grünlandnutzung in ausgewählten Problemgebieten Baden-Württembergs“ startete im April 2016 und endete im März 2019. In der Operationellen Gruppe arbeiteten die Beteiligten an der Entwicklung von Maßnahmen zur Förderung einer nachhaltigen Grünlandnutzung. Beteiligt waren 24 Landwirte, Wissenschaftlern der Universität Hohenheim sowie Mitarbeitende des Landwirtschaftlichen Zentrums Baden-Württemberg Aulendorf, der Landesanstalt für Landwirtschaft, Ernährung und Ländlichen Raum Schwäbisch Gmünd, der Landwirtschaftsämter Breisgau-Hochschwarzwald, Göppingen und Reutlingen sowie der Gemeinde Fröhnd.
Die teilnehmenden Betriebe, mehrheitlich Milchviehbetriebe mit einem hohen Anteil an Grünland, lagen im südlichen und mittleren Schwarzwald sowie auf der Schwäbischen Alb und waren durch einen hohen Anteil an Steillagen, Flächen im Natur- und Landschaftsschutz (sogenannte FFH-Flächen, FFH = Flora Fauna Habitat) oder Streuobstwiesen gekennzeichnet.
Eine Betriebszweigauswertung von 15 Projektbetrieben zeigt, dass eine ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltige Landwirtschaft in benachteiligten Gebieten durchaus möglich erscheint. Ausschlaggebend hierfür ist jedoch, dass der größte Teil des bewirtschafteten Grünlands ausreichend produktiv ist und für die Milchproduktion oder Rindermast genutzt werden kann.
In der Operationellen Gruppe „Nachhaltige Grünlandnutzung“ profitierten vor allem diejenigen Betriebe von den Maßnahmen zur Produktivitätsoptimierung, die sich innerhalb der Projektkulisse auf den besseren Standorten befanden. Für die ganz schwierigen Lagen konnten nur sehr wenige Ansätze zu einer Verbesserung der betriebswirtschaftlichen, arbeitswirtschaftlichen und sozialen Situation gefunden werden. Ökologisch wirtschaftende Betriebe erzielten aufgrund staatlicher Zuwendungen (Fördermittel) bessere Betriebsergebnisse als konventionell wirtschaftende Betriebe.
Trotzdem können innovative Produktionsverfahren und der fachliche Austausch mit Berufskollegen oder anderen Experten dabei helfen, Lösungsansätze zu finden, die die Nutzung von Grünland auf ungünstig liegenden Standorten wirtschaftlich interessanter machen.
Grünland im Schwarzwald stellt Landwirte vor Herausforderungen: Hanglagen und Naturschutzvorschriften schränken die Bewirtschaftung ein. Dass sich tierwohlgerechte und naturverträgliche Weidehaltung aber auch ökonomisch rentieren kann, zeigt der Film über den Hierahof in Lenzkirch der Deutschen Vernetzungsstelle Ländliche Räume (DVS).
Folgende Produktionsverfahren wurden im Projekt ausprobiert:
Landwirtinnen und Landwirte mit reinen Grünlandbetrieben sind auf die bestmögliche Nutzung ihrer Wiesen und Weiden angewiesen. Daher sollten sie ihr Grünland gezielt nutzen und über den Ertrag ihrer Flächen stets Bescheid wissen. Eine Möglichkeit ist das Erstellen sogenannter Futterzuwachskurven. Das Futter wird dazu nach einem festgelegten Schnittregime geerntet und die Ertragskennzahlen jeweils in ein Diagramm eingetragen. Durch das Verbinden der einzelnen Punkte ergibt sich eine Kurve, die sich leicht mit den Kurven anderer Standorte vergleichen lässt. So kann die Ertragsfähigkeit eines Standortes gut dargestellt werden.
Im Projekt wurden Futterzuwachskurven für sechs verschiedene Standorte erstellt und mit den Erträgen eines Gunststandortes verglichen. Die Auswertungen zeigen einen deutlichen Unterschied zwischen den Standorten (Tabelle 1). So wiesen die untersuchten Mähwiesen in Titisee-Neustadt und im Siedelbachtal einen bis zu 25 Prozent geringeren Trockenmasse-Ertrag auf als der Gunststandort Aulendorf. Die Weiden im Gebiet um Bernau (südlicher Hochschwarzwald) verzeichneten sogar einen 74 Prozent geringeren Trockenmasse-Ertrag.
Standort | Ertragsanteile Gräser : Kräuter : Leguminosen (in Prozent) | Mittlere Futterwertzahl | Ertrag, dt Trockenmasse/ Hektar | Rohprotein (in Prozent) | MJ NEL/ Kilogramm |
---|---|---|---|---|---|
Aulendorf | 76: 17: 7 | 7,6 | 108 | 16,6 | 6,2 |
Ebene Titisee-Neustadt (Mähwiese) | 72: 21: 7 | 5,2 | 88 | 13,1 | 6,0 |
Sonnhang Titisee-Neustadt (Mähwiese) | 74: 20: 6 | 6,7 | 88 | 12,3 | 6,1 |
Winterberg, Siedelbachtal (Mähwiese) | 57: 31: 12 | 6,5 | 76 | 14,4 | 6,1 |
Sommerberg Siedelbachtal (Mähwiese) | 46: 31: 23 | 6,6 | 75 | 13,8 | 6,1 |
Winterberg Bernau (Weide) | 40: 50: 2 | 35 | 15,1 | 5,2 | |
Sommerberg Bernau (Weide) | 50: 45: 2 | 21 | 14,5 | 5,2 |
Quelle: Abschlussbericht zum Projekt, MJ NEL = Netto-Energie-Laktation in Megajoule
Die Untersuchungen zeigten, dass auch die Art der Nutzung einer Grünlandfläche einen großen Einfluss auf deren Ertragsfähigkeit ausübt. Dies wurde insbesondere beim Vergleich von guten Flächen mit FFH-Flächen auf der Schwäbischen Alb deutlich.
Die extensiv genutzten FFH-Flächen wiesen bei standortangepasster zwei- bis dreimaliger Nutzung einen im Durchschnitt um 50 Prozent geringeren Trockenmasseertrag auf als die guten Flächen. In einigen Regionen war der Ertrag durch die dort wachsenden Giftpflanzen sogar noch geringer. Trotz der erschwerten Bedingungen fanden sich in den benachteiligten Regionen des Schwarzwaldes und der Schwäbischen Alb aber auch günstige futterbauliche Bedingungen.
Streuobstwiesen sind in Baden-Württemberg ein wesentlicher Teil der Landschaft und sie sind Lebensraum für viele Pflanzen- und Tierarten. Ihre Bewirtschaftung ist jedoch aufgrund des Strukturwandels in der Landwirtschaft sowie fehlender Nutzungskonzepte oft nicht nachhaltig. Die Operationelle Gruppe fragte sich, welche landwirtschaftlichen Nutzungsformen für Streuobstwiesen besonders geeignet sind.
Bei den Erhebungen wurde vor allem der negative Einfluss der Beschattung auf die Trockenmasseerträge deutlich. Er machte bei Weideflächen 25 Prozent gegenüber sonnenexponierten Flächen aus, bei den gemähten Flächen (Schnittnutzung) waren es sogar 29 Prozent. Auch die technische Bewirtschaftung gestaltete sich aufgrund der Einschränkungen durch die Bäume sehr schwierig.
Im Nachsaatversuch sollten Grünlandflächen mit gezielten Nachsaatmischungen verbessert werden, damit sie bei schwierigen Witterungsverhältnissen im Frühjahr und bei Trockenheit im Sommer eine höhere Produktivität erzielen. Die Mischungen wurden als Übersaat ausgebracht.
Obwohl das Saatgut anfangs gut keimte und auflief, vertrockneten die jungen Pflänzchen zum Teil sehr schnell wieder – ein Phänomen, das in der Praxis regelmäßig auftritt. Die eingesäten Mischungen konnten sich deshalb nicht auf der Fläche etablieren.
Obwohl die Nachsaat nicht den gewünschten Erfolg brachte, gewannen die Landwirte wichtige Erkenntnisse über die Standorte, das Wachstumsverhalten der Pflanzen sowie über Erträge und Zuwachsraten und konnten daraus Strategien für eine standortangepasste und effiziente Schnitt- und vor allem Weidenutzung des Grünlandes ableiten.
In einem weiteren Versuch wurden die Einflüsse von Herbst- und Frühjahrsdüngung mit Gülle auf den Ertrag des Grünlandes verglichen. Die Effekte wurden auf 15 Standorten getestet, die entsprechend des Wachstumsbeginns in drei unterschiedliche Gruppen aufgeteilt wurden (gutes Wachstum im frühen Frühjahr, mittlerer beziehungsweise später Vegetationsstart).
In allen Gruppen wurde einheitlich am 02. November 2016 (Herbstgüllevarianten) und am 22. März 2017 (Frühjahrsgüllevarianten) verdünnte Rindergülle ausgebracht, die von einem Projektbetrieb stammte. Aus der Güllegrube des Betriebes waren vorher Proben gezogen und in Bezug auf ihren Nährstoff- und Trockensubstanzgehalt untersucht worden. Unmittelbar vor der Ausbringung wurde an jedem Standort der Bodengehalt an verfügbarem mineralisiertem Stickstoff erhoben und analysiert. Der Aufwuchs auf den Flächen wurde das erste Mal nach zwei Wochen ermittelt und dann im zweiwöchigen Rhythmus wiederholt erfasst (drei Wiederholungen).
Bei der Auswertung der Ergebnisse konnte kein statistisch gesicherter Vorteil der Herbstgülledüngung auf den Trockenmasseertrag festgestellt werden. Dazu kommt, dass eine Ausbringung im späten Herbst ein witterungsbedingt hohes Risiko der Auswaschung und damit verbundene Nährstoffverluste mit sich bringt. Herbstgülle nach dem letzten Schnitt auszubringen, ist deshalb aus Ertrags- und Umweltsicht nicht sinnvoll.
Für manche Milchbetriebe in benachteiligten Grünlandregionen könnte der Verzicht auf Kraftfutter wirtschaftlich durchaus sinnvoll sein. Deshalb beschäftigte sich eine weitere Erhebung mit diesem Thema. Jeweils zwei Kühe mit ähnlichem Leistungsniveau und ähnlichem Laktationsstand wurden miteinander verglichen. Eine Kuh erhielt (wie zuvor) 550 kg Kraftfutter pro Jahr, bei der anderen Kuh wurde auf Kraftfuttergaben vollständig verzichtet. Insgesamt 18 Paare wurden in den Versuch einbezogen.
Die Kraftfutterherde erzielte (nur) 0,97 Kilogramm Milch pro Kilogramm eingesetztem Kraftfutter. Gleichzeitig wiesen die Kühe ohne Kraftfutter eine bessere Grundfutterleistung auf. In den Tiergesundheitsparametern unterschieden sich beide Tiergruppen kaum voneinander (Tabelle 2).
Ergebnisse für den Zeitraum April 2016 bis März 2017 | Gruppe mit Kraftfutter | Gruppe ohne Kraftfutter |
---|---|---|
Kraftfuttermenge pro Kuh, Kilogramm | 501 | 0 |
durchschnittliche Anzahl Laktationsmonate pro Kuh | 9,4 | 9,1 |
Milchmenge pro Kuh (Kilogramm) | 4,996 | 4,457 |
Um Laktationsmonate bereinigte Milchmenge pro Kuh (Kilogramm) | 4,996 | 4,509 |
Milch der Kühe mit > 9 Laktationsmonaten (Kilogramm) | 5,705 | 5,052 |
Fettgehalt (Prozent) | 3,83 | 3,89 |
Eiweißgehalt (Prozent) | 3,38 | 3,36 |
Harnstoffgehalt in der Milch | 27 | 25 |
Body Condition Score (Körperkondition) | 3,5 | 3,5 |
Kalkulierte Kilogramm Milch pro eingesetztem Kilogramm Kraftfutter | 0,97 |
Quelle: Abschlussbericht zum Projekt
Milchvieh, das in (benachteiligten) Grünlandgebieten gute Leistungen erbringen soll, muss in einem System aus Vollweide, geringem Kraftfuttereinsatz und saisonaler Abkalbung sehr gut zurechtkommen. Gerade in Mittelgebirgsregionen wie dem Schwarzwald oder der Schwäbischen Alb kann es deshalb sinnvoll sein, robuste Doppelnutzungsrassen wie das Vorderwälder Rind einzusetzen. Dass bestätigte sich bei einem Leistungsvergleich zwischen Kühen der Rasse Deutsche Holstein und dem Vorderwälder Rind unter unterschiedlichen Umweltbedingungen (in Bezug auf den Weidegang, die Futterration, den Kraftfutteranteil, die Grundfutterleistung). Dazu wurden die Daten von 15 Milchviehbetrieben ausgewertet.
Es stellte sich heraus, dass die Holstein-Kühe zwar insgesamt die höchste Milchleistung erbrachten, bei geringen Kraftfuttergaben von weniger als 100 Gramm Trockenmasse pro Kilogramm Milch ihre Überlegenheit jedoch verloren. Darüber hinaus schnitten die Vorderwälder sowohl in Bezug auf den Proteingehalt der Milch als auch auf den Fettgehalt besser ab. Das traf insbesondere dann zu, wenn die Tiere auf Vollweide gehalten wurden und ihre Futterration überwiegend aus Gras und Heu (und wenig Kraftfutter) bestand. Unter diesen Bedingungen hatte das Vorderwälder Rind große Vorteile und zeigte bei vergleichsweise geringen Milchleistungseinbußen eine deutlich bessere Eutergesundheit und Fruchtbarkeit.
Die Wissenschaftler hielten fest, dass in zukünftigen Zuchtplanungen nicht nur Milchleistungsmerkmale, sondern auch die Nutzungseffizienz von Gras, die Fruchtbarkeit sowie die Langlebigkeit eine Rolle spielen sollten.
Landwirte aus Ländern, in denen die Milcherzeugung fast ausschließlich an Grünland gebunden ist (Neuseeland, Irland) haben gelernt, ihre Weideflächen optimal an den Futterbedarf der Kühe anzupassen. Sie bestimmen den Aufwuchs auf ihren Flächen mit Hilfe eines so genannten Rising Plate Meters. Das Gerät misst die Höhe des Aufwuchses auf der Weide und kann daraus die tatsächliche Flächenleistung berechnen. So werden unnötige Futterverluste minimiert.
In Einzelfällen kann auch das Umstellen des Melkrhythmus von zweimal täglichem Melken auf einmal tägliches Melken eine Option sein, zum Beispiel bei niedriger Milchleistung oder sehr hoher Arbeitsbelastung.
Wirtschaftlich stellte sich das einmal tägliche Melken als sehr grenzwertig dar: Bereits in der ersten Laktationshälfte musste der Projekt-Betrieb 20 Prozent Milcheinbußen hinnehmen. In der zweiten Laktationshälfte war eine Leistungsminderung von 35 Prozent zu verzeichnen (zum Teil durch eine Trockenheitsperiode im Sommer begründet). Der Vorteil des einmaligen Melkens lag vor allem in der Steigerung der Lebensqualität für die Bewirtschafter.
Letzte Aktualisierung 15.07.2024