Hier beginnt der Hauptinhalt dieser Seite

Multifunktionalität von Grünland Gründlandwirtschaft

Das bewirtschaftete Grünland ist nicht nur Produktionsgrundlage, es spielt zudem eine entscheidende Rolle für den Erhalt der biologischen Vielfalt und Kulturlandschaften sowie für den Klima-, Umwelt- und Ressourcenschutz. Allerdings gibt es immer weniger Grünland. Wie könnte eine nachhaltige Gründlandnutzung und -bewirtschaftung aussehen? Damit beschäftigt sich diese Forschungsübersicht.

Heuballen auf Wiese
Bewirtschaftetes Grünland liefert Futter für die Tiere und ist als nachwachsender Rohstoff wichtig für die Erzeugung erneuerbarer Energie.
Bild: Pixabay

Mit 4,7 Millionen Hektar (2023) macht Grünland heute ein Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Deutschland aus. In den letzten Jahrzehnten hat das Grünland gegenüber dem Acker jedoch stark an Bedeutung verloren. Viele Grünlandflächen wurden zu Ackerland (u.a. Silomais-Anbau), das verbleibende Grünland wurde stark intensiviert oder nicht mehr genutzt. Dies hat jedoch weitreichende Folgen. 

Das Grünland speichert Kohlenstoff und mindert dadurch Treibhausgase. Zudem schützt die Grasnarbe vor Erosion, fördert die Versickerung von Niederschlagswasser und stabilisiert den Wasserhaushalt in der Landschaft. Außerdem liefert bewirtschaftetes Grünland über die Beweidung und die Grünlandernteerzeugnisse (Heu, Grassilage u. a.) eine Futtergrundlage, die eine Erzeugung von Milch und Fleisch ohne Nahrungsmittelkonkurrenz ermöglicht. Grünland kann zudem als nachwachsender Rohstoff und für die Erzeugung erneuerbarer Energie genutzt werden und ist für das Tierwohl wichtig, weil es Weidetieren artgerechte Bewegungs- und Verhaltensräume und eine wiederkäuergerechte Futteraufnahme bieten kann.

Die Art und Intensität der Grünlandnutzung und -bewirtschaftung bestimmt, welches Spektrum an Ökosystemleistungen entsteht. Diesen kommt heute zudem eine wichtige Rolle bei der Anpassung grünlandnutzender landwirtschaftlicher Betriebe an die zu erwartenden Klimaveränderungen zu.

Innovative Grünlandnutzung

Bereits 2015 hat die Deutsche Agrarforschungsallianz (DAFA) über das Fachforum Grünland eine bundesweite Forschungsstrategie gestartet, um neue Ansätze für eine ökonomisch tragfähige und an Ökosystemleistungen orientierte Grünlandnutzung zu entwickeln. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat von 2018 bis 2024 für die DAFA-Forschungsstrategie vier große Verbundforschungsprojekte unter dem Leitthema „Innovationen für eine nachhaltige Grünlandwirtschaft“ gefördert. In diesen ging es u.a. um satellitengestütztes Grünland- und Weidemanagement, bessere Futterkonservierung, neue Wertschöpfungsketten für die Weidehaltung und umweltschonendere, mechanische Methoden der Unkrautbekämpfung im Grünland.

Viele der in den Folgejahren auf Bundesebene gestarteten Forschungsprogramme und -initiativen knüpfen an die Impulse des DAFA-Grünlandforums an und arbeiten weiter an der Verbesserung der Bedingungen für die nachhaltige Grünlandnutzung und -bewirtschaftung, um die vielfältigen Ökosystemleistungen und die Wertschöpfung des Grünlands zu steigern.

Verbesserung des Grünlandschutzes und der Artenvielfalt im Grünland

Mit einem Messerbalken wird das Grünland insektenfreundlich gemäht.
Bild: BLE / Thomas Stephan

Ein wichtiger Forschungsansatz ist die Bewältigung der Biodiversitätskrise im Grünland. Diesem widmet sich das Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF). Seit 2023 bis 2026 werden drei von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Forschungsprojekte durchgeführt. Das beträchtliche Potenzial des bewirtschafteten Grünlandes für die biologische Vielfalt und die Bereitstellung von Ökosystemdienstleistungen ist einer anhaltenden Verschlechterung ausgesetzt, da die Intensivierung der Grünlandnutzung fortschreitet. 

Im Projekt WeideBioDiv  werden Methoden entwickelt, um den ökologischen Wert von Kuhfladen und Rinderweiden für die Insektenvielfalt zu bestimmen. Das Projekt GreeNet zielt auf die Erhaltung und Entwicklung geschützter oder schützenswerter Grünlandlebensräume. Dazu wird die Kombination von Landnutzungsformen untersucht, in denen die Biodiversitätsförderung in der landwirtschaftlichen Produktion integriert bleibt (Land Sharing) oder eine nachhaltige Intensivierung und Produktivitätssteigerung regionaler Flächen mit der Reservierung größerer Flächen für den Naturschutz (Land Sparing) einhergeht. Im Projekt BEsic untersucht das ZALF den Einfluss von Silizium und Kalzium auf die Ökosystemleistungen im Grünland. Beide Elemente spielen eine wesentliche Rolle für die Biodiversität von Grünlandpflanzen sowie deren Anpassungsfähigkeit an sich wandelnde Umweltbedingungen. 

Grünlandnutzung und Reduktion von Boden- und Klimaemissionen

Einige Grünlandflächen werden zum Teil landwirtschaftlich genutzt und zum Teil als Grünlandlebensräume geschützt.
Bild: BLE / Thomas Stephan

Die Haltung von Nutztieren auf Weiden ist tiergerecht und ist daher gesellschaftlich erwünscht. Das über das BMEL Programm zur Innovationsförderung von der Universität Kassel und der digital workbench gmbh umgesetzte Verbundprojekt ROBOCollect (Laufzeit 2024-2027) entwickelt einen geländegängigen Entmistungsroboter, um die auf Treibwegen, Warteflächen und den Standweiden entstehenden hohen Emissionseinträge in den Boden zu reduzieren

Im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekts "MetGrass" untersucht das ZALF die Auswirkungen einer geringeren Intensität der Grünlandnutzung auf Bodenmikrobiome und Methanflüsse (Laufzeit: 2023–2025). Das Ziel des Projekts besteht in der Entwicklung von Vorhersagemodellen für Methanflüsse in Grünlandböden. Das Vorkommen unterschiedlicher Bodenmikroben sowie die Bodenfeuchte, die Pflanzenarten und Bewirtschaftungspraktiken, beispielsweise Mahd und Düngung, sind dabei maßgeblich für die Höhe der klimawirksamen Methanemissionen.

Im ebenfalls von der DFG geförderten Forschungsprojekt BE_BioMON (2023–2025) des Instituts für Meteorologie und Klimaforschung, Bereich Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU), wird der Fokus auf die Wechselwirkungen zwischen dem Stickstoffkreislauf in Grünlandökosystemen und der Landnutzungsintensität, dem Pflanzenbestand und mikrobiellen Prozessen gelegt. Beide DFG Projekte verfolgen das Ziel, neue Ansätze für die Reduzierung von Umweltauswirkungen im Grünlandmanagement zu entwickeln.

Da die Wiedervernässung von Grünland auf Moorstandorten die herkömmliche Nutzung beeinträchtigt, werden neue Wertschöpfungsketten gesucht. Das Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie e.V. (ATB) erforscht in dem vom BMEL geförderten Verbundprojekt EDELNASS (2023-2026) gemeinsam mit den Universitäten Greifswald und Hohenheim sowie der Hochschule Albstadt-Sigmaringen Möglichkeiten der stofflichen Verwertung des Aufwuchses in verschiedenen Produktlinien (Plattformchemikalien, Verpackungen, Faserguss und Papier).

Weidehaltung, Tierwohl und Verbraucherschutz

Weidemilch soll die Wertschöpfung für Grünlandnutzung verbessern.
Bild: Simon Skafar/iStock/ Getty Images Plus via Getty Images

Die Beweidung von Grünland bietet Vorteile sowohl für die Tiere als auch für die Erhaltung der Biodiversität und Offenhaltung der Landschaft. Mit den Weideprämien aus dem ELER-Förderbudget (Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des Ländlichen Raums) sollen landwirtschaftliche Betriebe dazu motiviert werden, weiterhin oder wieder Weidehaltung auf Grünlandflächen zu betreiben. 

Die Wirkung der Weideprämien auf den Tierschutz wird im Rahmen der Gesamtevaluierung der ländlichen Entwicklungsprogramme (2015-2028) vom Institut für Betriebswirtschaft des Thünen Institutes durchgeführt. Die Evaluierungen sollen zeigen, ob die Weideprämien die Tiergerechtheit verbessern und ob sie auf den geförderten Betrieben wirken. In Niedersachsen werden dazu Betriebe befragt.

Heute gibt es viele Produkte mit den Bezeichnungen Heumilch oder Weidemilch im Lebensmittelhandel. Damit soll die Wertschöpfung für Trinkmilch aus Weidehaltung und Grünlandnutzung verbessert werden. Bei Weide- und Heumilch wird zudem oft damit geworben, dass sie mehr Omega-3-Fettsäuren enthalten. Das Max Rubner-Institut (MRI) führt im Rahmen laufender Arbeiten Authenzitäts-Kontrollen bei Weidemilch durch. Dabei werden Inhaltsstoffe wie Fettsäuren und andere chemische Parameter untersucht. Außerdem wird berücksichtigt, dass Weidemilch nur in bestimmten Monaten produziert werden kann.

Was gibt es bei den EIP dazu?

Für landwirtschaftliche Betriebe ist es eine Herausforderung, Weide- und Grünlandmanagement unter einen Hut zu bekommen.
Bild: Pixabay

Die Projekte der Europäischen Innovations-Partnerschaften befassen sich ebenfalls mit den multifunktionalen Leistungen des Grünlands, legen jedoch einen deutlich stärkeren Schwerpunkt auf die Verbesserung des Weide- und Grünlandmanagements, um Produktions- und Nachhaltigkeitsziele in den landwirtschaftlichen Betrieben besser in Einklang zu bringen.

Zwei in Schleswig-Holstein eingerichtete EIP-Projekte Robotik auf der digitalen Weide und NABiWei (Beginn 2023 bzw. 2024, Status laufend) testen Roboter für die Pflege von Weideflächen. Die Idee dahinter ist, dass die Übernahme von Weidearbeiten wie das Freischneiden von Zäunen, die Zustands- und Ertragskontrolle von Weideflächen oder auch die Unkrautbekämpfung durch Digitalisierung und Roboter zu einer Entlastung der Betriebe und darüber hinaus zu einer besseren Erreichung von Biodiversitätszielen und einer artgerechteren Freilandhaltung mit verbessertem Schutz der Weidetiere (Wolfschutz) führen könnte.

Im bayerischen EIP-Projekt „KI-gestützte Erfassung von Kennarten im Grünland“ (Beginn 2024, Status laufend) wird eine automatisierte, KI-gestützte Erfassung von Kennarten im Grünland entwickelt. Ziel ist es, landwirtschaftlichen Betrieben ein Werkzeug an die Hand zu geben, welches ihnen die Teilnahme an Förderangeboten (Ökoregelungen wie Kennarten im Dauergrünland, ergebnisorientierte Grünlandbewirtschaftung oder auch Vertragsnaturschutzprogramme) erleichtert und den Arbeits- und Verwaltungsaufwand durch automatisch generierbare Anträge und Erhebungsbögen sowie in einer Datenbank verfügbare Informationen zu den Kennarten und den eigenen Flächen reduziert.

Umweltschonende Produktionstechniken in den Bereichen Düngung, Aussaat und Mahd, aber auch Weidetechniken werden seit 2024 in gleich drei EIP-Projekten in Hessen gefördert. Ziel ist es, Erleichterungen und wirtschaftliche Perspektiven für Praxisbetriebe mit Grünlandbewirtschaftung aufzuzeigen. Das EIP-Projekt „Potenziale der oszillierenden Mähtechnik“ des Fachgebiets für Landschaftsökologie und Landschaftsplanung der Justus-Liebig-Universität Gießen beschäftigt sich mit den Auswirkungen der rotierenden und oszillierenden Mähtechnik (Finger- oder Doppelmesserbalken) auf betriebswirtschaftliche Faktoren (Kosten, Ertrag) und ökologische Aspekte (Pflanzenartenvielfalt, Ertrag, Bodeneigenschaften, Wasserhaushalt und Co²-Bilanz). Die oszillierende Mähtechnik wird als eine sehr umwelt- und klimafreundliche Möglichkeit angesehen, mit der die Bewirtschaftung von Naturschutz- und Produktionsgrünland wieder deutlich an Bedeutung gewinnen könnte. 

Einen anderen Ansatz verfolgt das EIP-Projekt „Wildsaatgut in der Landwirtschaft“. Durch den Landschaftspflegeverband Marburg-Biedenkopf e.V. wird modellhaft erprobt, ob sich die Gewinnung von gebietseigenem Saatgut durch Wiesendrusch als neuer Betriebszweig für Grünlandbetriebe entwickeln lässt. Nach dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) ist die Ausbringung von Wildpflanzen in der freien Natur nur noch in den ursprünglichen Vorkommensgebieten erlaubt. Da ein großer Bedarf an gebietseigenem Saatgut besteht, könnte eine solche betriebswirtschaftliche Diversifizierungsstrategie für heimische Betriebe gleichzeitig die Artenvielfalt im Grünland stärken. 

Ob die Siliziumdüngung den Ertrag von Grünland bei Dürre verbessern kann, steht im vom LandesLandesbetrieb für Landwirtschaft Hessen (LLH) durchgeführten EIP- Projekt „Siliziumdüngung zur Erhöhung der Dürre-Resilienz“ bei Winterweizen, Mais und Grünland im Vordergrund. In Parzellenversuchen wird der ökonomischen Nutzen und praktische Anwendungsmöglichkeiten der Siliziumdüngung für die Praxis untersucht. 

Welche Erkenntnisse sind für die Praxis zu erwarten?

Die zahlreichen Projekte und Forschungsaktivitäten zum Thema Multifunktionalität des Grünlandes zielen darauf ab, die Voraussetzungen für eine nachhaltige Grünlandnutzung und -bewirtschaftung in der Praxis zu verbessern. Dabei möchten sie Lösungen für praxisrelevante Probleme anbieten: Ihre Zielsetzung besteht in einer Steigerung der vielfältigen Ökosystemleistungen sowie der wirtschaftlichen Wertschöpfung des Grünlandes

Die Untersuchung neuer Techniken und digitaler Möglichkeiten zur Verbesserung des Weide- und Grünlandmanagements aber auch von Einkommensdiversifizierungen auf Basis der Grünlandbewirtschaftung, sollen die wirtschaftlichen Potenziale grünlandbewirtschaftender Betriebe stärken und Arbeitserleichterungen schaffen. Die Forschung und die Projekte werden in Zusammenarbeit mit Landwirtinnen und Landwirten sowie mit Unternehmen und Beratungsstellen durchgeführt, wodurch deren Perspektiven einbezogen werden. 

Des Weiteren werden Ansätze zur Reduktion der Umweltbelastungen sowie geeignete Strategien zur Anpassung an Klima- und Umweltanforderungen im Grünlandmanagement erforscht. Die Verbraucherperspektive stellt heute eine wichtige Frage für die Praxis dar, weshalb diese in Forschungsaktivitäten zur Weidehaltung, zum Tierwohl und mit Blick auf die Lebensmittelqualität von Grünlandprodukten berücksichtigt wird.

Das könnte Sie auch interessieren

Weitere Forschungsübersichten