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Forschung zur Biodiversität in der Agrarlandschaft Biologische Vielfalt

Wie kann die Biodiversität in Agrarlandschaften verbessert werden und welche Forschungsansätze sind dafür notwendig? In unserer Übersicht gehen wir diesen Fragen nach und werfen einen Blick auf aktuelle Forschungsaktivitäten.

Wildblumen mit Kartoffelacker im Hintergrund.
Eine strukturreiche Agrarlandschaft fördert die Biodiversität.
Bild: HildaWeges/AdobeStock

Die intensive Nutzung landwirtschaftlicher Flächen wird mit dafür verantwortlich gemacht, dass die biologische Vielfalt in den Agrarökosystemen abnimmt. Ökosystemleistungen wie sauberes Trinkwasser, die Bestäubung durch Insekten oder auch Erholungsaspekte werden direkt von landwirtschaftlicher Nutzung und klimatischen Veränderungen beeinflusst. Dem Leibniz-Zentrum für Agrarlandforschung (ZALF) zufolge entsteht durch den Verlust an Ökosystemleistungen jährlich weltweit ein Schaden in Höhe von mehreren Billionen Euro. Auch die Biodiversität wird durch Mensch und Klima herausgefordert: Aktuell gelten eine Million Arten als gefährdet, gleichzeitig decken nur 30 Pflanzenarten 95 Prozent der pflanzlichen Nahrungsmittel ab. 

Zukunft der Pflanzenproduktion

Strukturreiche Agrarlandschaften mit extensiver Bewirtschaftung beherbergen eine große Vielfalt an Arten und Lebensräumen und unterstützen die Agrobiodiversität. Sie sichern die Nahrungsmittelversorgung und bieten Menschen Raum für Naherholung und Tourismus. Da mehr als die Hälfte der Fläche Deutschlands landwirtschaftlich genutzt wird, ist die Rolle der Landwirtschaft bei der Erhaltung und Förderung der Biodiversität besonders wichtig. 

Die Pflanzenproduktion im 21. Jahrhundert soll eine qualitativ hochwertige Nahrungsmittelversorgung sicherstellen. Dabei sollen weniger Dünger und chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel benötigt sowie der Austrag von gesundheitsschädlichen Stoffen und Klimagasen reduziert werden. Die moderne Pflanzenproduktion soll auch den Artenverlust berücksichtigen und das Ziel einer hohen Biodiversität verfolgen. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, muss sie nach Angaben des ZALF vielfältiger werden und die positiven Effekte zwischen (Nutz-)Pflanze, Boden und seinen Mikroben fördern.

Rückgang der Biodiversität

Die Landwirtschaft hat erheblichen Einfluss auf Böden, Gewässer, Luft und die biologische Vielfalt.
Bild: thosti54/AdobeStock

Eine fortschreitende Intensivierung der Bewirtschaftung führt allerdings zur Verschlechterung des Zustands der Biodiversität. Besonders gefährdet sind bestimmte Artengruppen wie Vögel und Insekten durch den Verlust strukturreicher Lebensräume.

Viele Studien zeigen, dass sich der Zustand der Biodiversität insbesondere in Agrarlandschaften verschlechtert. Daher ist der Bedarf an einer Erweiterung der Forschung zur Biodiversität und gleichzeitig auch an einem Biodiversitätsmonitoring in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Maßgeblich war unter anderem die Krefelder Studie über den sehr starken Rückgang der Biomasse flugfähiger Insekten (Publikation im Jahr 2017). Seitdem gab es zahlreiche weitere Untersuchungen zum Rückgang verschiedener Insektengruppen im Agrarraum. 

Forschung zum Biodiversitätsmonitoring

Studien und Stellungnahmen haben gezeigt, dass es notwendig ist, das Biodiversitätsmonitoring in Agrarlandschaften weiter auszubauen und ein breiteres Spektrum geeigneter Indikatoren zu entwickeln. Bisher fehlen umfassende Daten über viele Artengruppen sowie Kenntnisse über die Zusammenhänge der Landnutzungsformen und Ursachen der Veränderungen der Biodiversität.

Um den Zustand der biologischen Vielfalt in der Landwirtschaft anhand belastbarer Daten zu erfassen, sind beispielsweise seit 2019 verschiedene Thünen-Institute (TI), Julius-Kühn-Institute (JKI) und die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) maßgeblich am Aufbau eines Langzeitmonitorings (Projekt MonViA) beteiligt. In diesem Langzeitmonitoring werden für alle drei Ebenen der Biodiversität – Lebensraumvielfalt, Artenvielfalt und genetische Vielfalt – relevante Zielgrößen für den Agrarraum ausgewählt. So wird beispielsweise die genetische Vielfalt mithilfe der Vielfalt einheimischer Nutztierrassen, angebauter Nutzpflanzen und der Vielfalt der Honigbiene abgebildet. Diese sogenannten genetischen Ressourcen sind für die Züchtungsforschung, die Produktion in der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft sowie für die Anpassung an den Klimawandel von enormer Bedeutung. 

Beim Tagfalter-Monitoring wurden Schmetterlinge erfasst
Bild: Friedrich J. Flint

Für die Beantwortung von spezifischen Fragestellungen umfasst MonViA auch Kooperationsprojekte, in denen bereits existierende naturschutzfachliche und landwirtschaftliche Daten gemeinsam ausgewertet werden, um die Zusammenhänge von Landnutzung und Biodiversitätsveränderungen besser zu verstehen. 

Im Jahr 2005 begann zum Beispiel ein Tagfalter-Monitoring in Deutschland, das jährlich Schmetterlinge mit Hilfe von Ehrenamtlichen erfasst. Das Monitoring wird vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) koordiniert. Zusammen mit den Thünen-Instituten für Biodiversität und für Betriebswirtschaft werden die Schmetterlings-Daten mit hochaufgelösten Landnutzungsdaten verschnitten. Damit sollen über diverse räumliche und zeitliche Skalen hinweg Erkenntnisse zum Einfluss der Landnutzung auf die Tagfalter gewonnen werden.

Innovative Anbausysteme im Fokus

Wie die Agrarlandschaft aber auch Anbausysteme gestaltet werden können, wird vom Julius Kühn-Institut (JKI) untersucht. Ziel ist es, die biologische Vielfalt in der Agrarlandschaft zu fördern, ohne dabei die ökonomische Grundlage der Landwirtschaft zu gefährden. Gemeinsam mit anderen Forschungseinrichtungen wie dem Thünen-Institut und ZALF sowie der Landwirtschaftskammer Niedersachsen und der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) wird in Landschaftslaboren in repräsentativen Agrarlandschaften evaluiert und demonstriert, wie sich nachwachsende Rohstoffe, die die Artenvielfalt fördern – von einjährigen Kräutern bis hin zu mehrjährigen Gehölzen - in Anbausysteme integrieren lassen (Projekt FInAL). 

Der Einfluss neuer Anbausysteme wie Agroforstsysteme auf die funktionelle Biodiversität wird erforscht
Bild: BLE/Stefanie Freischem

Andere Projekte zielen darauf ab, die funktionelle Biodiversität in Anbausystemen zu stärken und bestimmte Tier- und Pflanzenarten wie Nützlinge und Bestäuber zu schonen und zu fördern. Außerdem werden neue Anbausysteme erforscht, wie der Streifenanbau, Agroforstsysteme und Intercropping, und die Potenziale neuer Kulturpflanzenarten und Nischenkulturen evaluiert. Letzteres hilft, die Kulturartenvielfalt wieder langfristig zu erhöhen bzw. die Fruchtfolgen, um neue Kulturarten zu erweitern. 

In einer weiteren Forschungsaktivität geht es um die Erforschung des Bodenlebens. Dabei untersucht das Julius Kühn-Institut beispielsweise wie sich die Zusammensetzung der Mikroorganismengesellschaft im Wurzelraum auf Pflanzenwachstum beziehungsweise Widerstandsfähigkeit oder Toleranz gegen abiotischen und biotischen Stress auswirken. 

Eine sichere Nahrungsmittelversorgung mit mehr Biodiversität und vielfältigen Ökosystemleistungen spiegelt sich in der Forschung am Leibniz-Zentrum für Agrarlandforschung (ZALF) wider. Konkret heißt das: bedarfsorientierte Erträge und ein geringerer ökologischer Fußabdruck. Damit sollen breitere Fruchtfolgen und kleinräumigere Anbausysteme umgesetzt werden können. Unter konsequenter Berücksichtigung ökologischer Prinzipien sollen Pflanzenschutz- und Düngemitteleinsatz deutlich reduziert werden. 

Forschung zu Organismengruppen und Nützlingen

In einem weiteren Forschungsschwerpunkt des ZALF geht es darum, dass über ein tieferes Verständnis der positiven Wechselwirkungen von Mikroben im Pflanzen-Boden-System die Anbausysteme insgesamt robuster gegenüber Wetterextremen, Krankheiten und Schädlingen gemacht werden. Anbausysteme sollen an den jeweiligen Standort angepasst sein, um den Verlust an Bodenfunktionen (wie beispielsweise die Wasserspeicherung) zu stoppen und die Bodengesundheit (am Beispiel der Fruchtbarkeit) nachhaltig zu verbessern.

Nützlinge haben eine große Bedeutung für die Artenvielfalt und Bestäubung
Bild: BLE/Thomas Stephan

Das Forschungsvorhaben F.R.A.N.Z. wird wissenschaftlich betreut, unter anderem durch das Thünen-Institut für Biodiversität und die Thünen-Institute für Lebensverhältnisse in Ländlichen Räumen und Betriebswirtschaft. Im Projekt werden die Auswirkungen von ökologischen Maßnahmen auf verschiedene Organismengruppen wie Amphibien, Laufkäfer und wichtige Nützlinge in Demonstrationsbetrieben untersucht. Zudem werden mögliche Auswirkungen auf die Bestäubung (Artenvielfalt und Abundanz von Wildbienen) und auf bodenbiologische Aktivitäten analysiert. Weiterhin findet Forschung zu sozio-ökonomischen Fragen statt, um Hemmnisse im Agrar- und Umweltrecht zur Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen zu bewerten. 

Technische und soziale Innovationen für Biodiversitätsmonitoring

Ein weiterer Schwerpunkt der Biodiversitätsforschung befasst sich mit technischen Innovationen, um Daten kosteneffizienter zu erheben und auszuwerten. Dazu zählen neue Techniken zur Analyse von Satellitendaten (MonViA) und die Nutzung von Drohnen für ein quantitatives und qualitatives Monitoring von Landschaftselementen, wie im Projekt LauMon, das vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) und anderen Partnern durchgeführt wird. 

Auch andere automatisierte digitale Verfahren bieten ein großes Potential, wie die Bioakustik, die Erkennung von Arten mit Hilfe künstlicher Intelligenz (KI) und molekularbiologische Anwendungen. Solche Methoden entwickeln zum Beispiel das Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB), das Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie e.V. und die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) im EU-Projekt BioMonitor4CAP.

Zur Verbesserung der Datengrundlagen verfolgt das nationale Projekt NFDI4Biodiversity das Ziel, wertvolle Datenbestände systematisch zu erschließen, untereinander zu vernetzen und nachhaltig nutzbar zu machen. Das Konsortium NFDI4Biodiversity kooperiert unter anderem mit dem Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR), um die dort gesammelten Daten zu Bodenbedeckung und Landnutzungsveränderungen mit anderen Biodiversitätsdaten gemeinsam auszuwerten und auf diese Weise neue Erkenntnisse zu gewinnen.

Um die Akzeptanz von Zielen und Maßnahmen zu erhöhen und um Partizipation und Wissenstransfer in die Praxis zu fördern, nutzen viele Projekte zunehmend soziale Innovationen wie Citizen Science (Bürgerwissenschaft) und Reallabore (MonViA).

Biodiversitätsforschung in den Bundesländern und in EIP-Projekten

Angewandte Forschung zum Biodiversitätsmonitoring wird in zahlreichen Projekten auch auf Länderebene durchgeführt. Beispielsweise werden in Rheinland-Pfalz im Projekt „Biodiversität und Landwirtschaft Südpfalz“ digitale Methoden zur Erfassung der Effektivität von Greening-Maßnahmen (wie die Anlage von Blühflächen und Biotopvernetzung in intensiv genutzten Äckern) entwickelt und erprobt. 

In einem weiteren Forschungsvorhaben entwickelt die Eberhard Karls Universität Tübingen (UKT) ein Verfahren für die Berechnung robuster Bestandstrends von Pflanzenarten und Lebensräumen in der Ökologischen Flächenstichprobe (ÖFS).

Mehrere EIP-Projekte behandeln ebenfalls Biodiversitätsthemen. Agroforst-RLP ist beispielsweise ein Vorhaben, bei dem unterschiedliche Agroforstsysteme untersucht werden. Das Ziel ist hierbei, die Auswirkungen dieser Systeme auf den Boden und die Biodiversität zu bewerten. Das Projekt möchte weiterhin Erkenntnisse für eine bessere Integration von Agroforstsystemen in die Landwirtschaft und zur möglichen Förderung von Agroforstsystemen als Agrarumweltmaßnahme generieren.

Einen anderen Forschungsansatz verfolgen die Partner des Projektvorhabens CRIFORA. Sie entwickeln gemeinsam mit landwirtschaftlichen Betrieben drohnengestützte Verfahren zur Unterscheidung zwischen Feldmaus- und Feldhamsterbauen in Gebieten, wo sich das Vorkommen beider Arten überlagert. Das Ziel ist, die Erkennung und Beobachtung dieser Arten in Äckern zu verbessern und somit den Interessenskonflikt zwischen dem Artenschutz des seltenen Feldhamsters und der Eindämmung der Feldmaus zu begrenzen. 

Welche Erkenntnisse sind für die Praxis zu erwarten?

In den meisten Forschungsprojekten wird deutlich, dass die Intensität der Landnutzung sowie bestimmte Bewirtschaftungsformen und Maßnahmen eine starke Auswirkung auf die biologische Vielfalt und Ökosystemleistungen haben. Die Forschung liefert beispielsweise wertvolle Informationen über die Auswirkungen von Mähvorgängen und Renaturierungsmaßnahmen im Dauergrünland (MonViA). Außerdem werden praktische Hinweise über die Wirkungen von Landschaftsstrukturen und landwirtschaftlichen Praktiken auf die Artenzusammensetzung und Verteilung von Organismen wie Wildbienen, auf die Bestäubung der Pflanzen und auf das Bodenleben in Grünland und Äckern erwartet (MonViA, F.R.A.N.Z.). Die bisherigen Ergebnisse aus den Auswertungen der Tagfalter-Daten mit Landnutzungsdaten zeigen, dass hohe Viehbesatzdichten mit einer geringen Artenzahl von Schmetterlingen korrelieren und Habitat-Generalisten fördern. Diese Informationen helfen Landwirtinnen und Landwirten bei der Auswahl geeigneter biodiversitätsfördernder und gleichzeitig rentabler Maßnahmen. 

Um ihre Erkenntnisse in die Praxis zu bringen, arbeiten Forschungsteams Hand in Hand mit Bildungseinrichtungen und Landschaftspflegeorganisationen. Der Wissenstransfer erfolgt neben der Öffentlichkeitsarbeit zusätzlich durch Beratungsstellen und Demonstrationsbetriebe. Außerdem ermöglichen die Projekte in vielen Fällen Partizipation und kooperative Ansätze durch die Einbindung relevanter Akteure in allen Phasen der Forschung und des Monitorings (Citizen Science). 

Ausgewählte Forschungsprojekte

Letzte Aktualisierung 23.12.2024

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