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Einsatz der Nahinfrarotspektroskopie (NIRS) zur Untersuchung von flüssigen Wirtschaftsdüngern Düngeeffizienz

Wirtschaftsdünger sind für viele landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland ein unverzichtbarer Baustein für die Versorgung der Pflanzenbestände mit Nährstoffen sowie für die Humusreproduktion. Unsachgemäßer Einsatz kann jedoch zu Überdüngung führen. Welche Chancen bietet das Verfahren der Nahinfrarotspektroskopie (NIRS)?

Wirtschafsdünger im Spannungsfeld zwischen Landwirtschaft und Umwelt

Der Gehalt an wichtigen Pflanzennährstoffen wie Stickstoff, Phosphor oder Kalium in organischen Düngemitteln verringert den Bedarf an mineralischen Düngemitteln deutlich. Darüber hinaus enthalten Wirtschaftsdünger auch organische Substanzen, die Ausgangsstoff für die Humusbildung und von großer Bedeutung für die biologische Aktivität im Boden sind. Mit Wirtschaftsdüngern gedüngte Böden zeigen daher unter anderem eine schnellere Regenwasserinfiltration, eine höhere Wasserspeicherkapazität und insgesamt eine verbesserte Bodenfruchtbarkeit.

Der unsachgemäße Einsatz von Wirtschaftsdünger kann jedoch zu Überdüngung führen. Nachfolgend können die Nährstoffe in nicht landwirtschaftliche Ökosysteme eingetragen werden. Hier sind insbesondere der Nitrateintrag in das Grundwasser, der Phosphateintrag in Oberflächenwasser sowie gasförmige Ammoniak- und Lachgas-Emissionen in die Atmosphäre von Bedeutung. Daher ist ein zielgerichteter Einsatz organischer Düngemittel wichtig, um diese schädlichen Auswirkungen zu vermeiden und im Rahmen einer nachhaltigen Landbewirtschaftung optimale Erträge zu erzielen.

Gehalte an Inhaltsstoffen und Eigenschaften von Wirtschaftsdüngern schwanken stark

Auf landwirtschaftlichen Betrieben fallen Wirtschaftsdünger bei der Tierhaltung und in Biogasanlagen an. Faktoren wie Tierart, Fütterung, Haltungssystem, Lagerung und Jahreszeit beeinflussen die Nährstoff- und Trockensubstanzgehalte der Wirtschaftsdünger aus der Tierhaltung. Zusätzlich können Stickstoffverluste in Form von Ammoniak sowohl im Stall als auch bei der Lagerung, aber auch die Menge und Auswahl des Einstreumaterials, Wassereintrag oder Zusatzstoffe die Fließeigenschaften und Nährstoff- und Trockensubstanzgehalte verändern.

In Biogasanlagen werden verschiedene Substrate eingesetzt: Rinder- oder Schweinegülle, Hühnertrockenkot, Energiepflanzen und Reste aus der Lebensmittelindustrie. Auch dies führt in Wechselwirkung mit der jeweiligen Biogastechnik sowie Temperatur und Dauer des Gärprozesses zu unterschiedlich zusammengesetzten Gärresten.

Bestimmung der Nährstoffgehalte von flüssigen Wirtschaftsdüngern

Zur Bestimmung der Nährstoffgehalte von flüssigen Wirtschaftsdüngern gibt es verschiedene Möglichkeiten. Laut Vorgabe der Düngeverordnung dürfen Schätzwerttabellen der Offizialberatungsstellen der Bundesländer verwendet werden. Die Beprobung der Wirtschaftsdünger auf einem landwirtschaftlichen Betrieb für eine exakte Laboranalyse ergibt individuelle Werte. Dafür ist aber eine repräsentative Probenahme die entscheidende Voraussetzung. Unter Praxisbedingungen ist dies schwierig, weil die Wirtschaftsdünger im Vorfeld gut homogenisiert werden müssen. Weitere Nachteile sind die Kosten für die Untersuchung und die Zeitdauer, bis das Ergebnis der Analyse vorliegt.

Nahinfrarotspektroskopie (NIRS) als alternatives Verfahren

Die NIRS-Technik wird bereits in vielen Laboratorien zur Untersuchung von zum Beispiel  Rohprotein, -faser oder -fett bei landwirtschaftlichen Materialien wie Getreide, Mais, Raps oder Futtermittel eingesetzt.

Die zu untersuchende Probe wird mit Nahinfrarotlicht (Wellenlänge von 800 – 2500 nm) bestrahlt. Der NIRS-Sensor erfasst die Lichtreflexionen, die aus der Wechselwirkung der Strahlung mit den Bestandteilen der Probe entsteht. Die Auswertung der aufgezeichneten Spektren basiert dann auf dem Vergleich zu Spektren von mehreren hundert Referenzproben, die vorab mit den üblichen Labormethoden analysiert wurden. Es liegt daher nahe, für die Erfassung der Nährstoffgehalte in Wirtschaftsdüngern die Nahinfrarotspektroskopie zu verwenden.

NIR-Sensoren in der landwirtschaftlichen Praxis

In der landwirtschaftlichen Praxis werden NIRS-Sensoren sowohl bei der Befüllung von Pumptankwagen als auch während der Ausbringung von Wirtschaftsdüngern eingesetzt. Die Entscheidung zum Einsatz von NIRS-Sensoren muss sich im Wesentlichen an der Verlässlichkeit der mittels NIRS erhobenen Messwerte im Vergleich zu Laboruntersuchungen orientieren. Weiterhin sollte ein Verfahren zur regelmäßigen Überprüfung für im Gebrauch befindliche NIRS-Sensoren etabliert werden.

Um dies zu erreichen, förderte das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung das Projekt „Entwicklung und Validierung eines Quali­täts­sicherungssystems für mobile NIRS-Systeme zur Erfassung von Nährstoffkonzentrationen in flüssigen Wirtschaftsdüngern (NIRS-QS)“ von November 2020 bis Januar 2024.

Praxisuntersuchungen zur Vorhersagequalität von NIRS-Sensoren

Deutschlandkarte, auf der die Messkampagnen in Nord- und Süddeutschland markiert sind.
Bild: Charlotte Höpker

Für Messkampagnen unter praxisnahen Bedingungen auf landwirtschaftlichen Betrieben wurden zwei baugleiche mobile Messstationen mit NIRS-Sensoren zweier Hersteller angefertigt. Im Verlauf von zwei Jahren nutzten Projektmitarbeitende der Hochschule Osnabrück diese Messstation auf 20 landwirtschaftlichen Betrieben für insgesamt acht Messkampagnen in Norddeutschland. Im gleichen Zeitraum setzten Mitarbeitende der Landwirtschaftlichen Lehranstalten Triesdorf die Messtation auf 21 Betrieben in sechs Messkampagnen in Süddeutschland ein. Die Entnahme von Proben für die Laboranalyse erfolgte parallel zur NIRS-Messung.

Insge­samt lagen 646 Proben vor: 198 Rinder-, 204 Schweine- und 60 Mischgüllen, 184 Gärreste. Alle Proben wurden gut homogenisiert, tiefgefroren und dann zur Analyse auf die Trocken­­substanzgehalte sowie die Inhaltsstoffe Gesamt-Stickstoff, Ammonium-Stickstoff, Phosphor und Kalium an das Labor des Projektpartners LUFA Nord-West versendet.

Mobile Messstation
Bild: Charlotte Höpker

Vergleichbarkeit von NIRS zur Laboruntersuchung

Für jeden der fünf Parameter erfolgte eine Überprüfung der Übereinstimmung der jeweiligen NIRS-Sensorwerte mit den Labordaten sowohl für den Gesamtdatensatz als auch getrennt nach Nord- und Süddeutschland sowie für die vier verschiedenen Wirtschaftsdüngerarten. Die NIRS-Werte der beiden Sensoren zeigten teilweise sehr deutliche Abweichungen von den Laborwerten.

Dies kann statistisch anhand des Bestimmtheitsmaßes der Korrelationen beurteilt werden. R2-Werte können im Bereich von 0 bis 1 liegen, wobei niedrige Werte für eine schlechte und Werte nahe 1 für eine sehr gute Übereinstimmung zwischen den NIRS-Werten und den Labortwerten stehen.

Die Tabelle unten fasst die R2-Werte für die wich­tigen Inhaltsstoffe Gesamt-Stickstoff, Ammonium-Stickstoff, Phosphor und Kalium zusammen. In vielen Fällen liegen diese unterhalb von 0,4, teilweise sogar unterhalb von 0,2.

Das bedeutet, dass es bei Betrachtung aller 320 in Norddeutschland mit Sensor A untersuchten Proben nur für die Bestimmung der Trockensubstanz halbwegs vergleichbare Werte zu den Laboranalysen gab (R2-Wert 0,64). Für Sensor B zeigten sich insgesamt etwas bessere Übereinstimmungen zu den Laboruntersuchungen.

Für Süddeutschland zeigen sich für die 328 untersuchten Proben für beide Sensoren und alle untersuchten Messparameter insgesamt höhere R2-Werte. Hier ist die Verlässlichkeit der NIRS-Messungen für Praxisbetriebe also höher einzustufen.

Zusammenhang zwischen den Messergebnissen

Tabelle: Zusammenhang zwischen den NIRS-Messergebnissen ermittelt für 2 verschiedene NIRS-Sensoren (A bzw. B) und den Laboruntersuchungen für wichtige Eigenschaften von flüssigen Wirtschaftsdüngern aus Erhebungsuntersuchungen in Nord- und Süddeutschland (RG = Rindergülle, SG = Schweinegülle, BG = Biogas-Gärreste; N gibt die jeweilige Anzahl der untersuchten Proben an). Die Verlässlichkeit der NIRS-Messung im Vergleich zur Laboruntersuchung wird durch den R2-Wert (0 = schlecht bis 1 = sehr gut) und durch die Farbkodierung (rot = schlecht bis grün = sehr gut) angegeben.
Bild: Charlotte Höpker

Bei Betrachtung einzelner Wirtschafts­düngerarten (Rindergülle, Schweinegülle oder Biogas-Gärreste) er­gaben sich teilweise deutlich bessere Übereinstimmungen zwischen NIRS-Messung und Laboruntersuchung.

So konnten beide Sensoren für den Datensatz aus Norddeutschland den In­halts­stoff Phosphor in Schweinegüllen vergleichsweise gut bestimmen und für den Datensatz aus Süddeutschland sowohl in Rinder- als auch in Schweinegüllen. In Süddeutschland korrelierten auch die mit NIRS gemessenen Werte für Gesamtstickstoff in Rindergülle gut mit den Laborwerten. Die besten Ergebnisse zeigten sich bei beiden Sensoren jeweils bei der Bestimmung der Trockensubstanz. Besonders bei Schweinegüllen lagen die Messwerte beider Sensoren sehr dicht an den Laborwerten, sodass sich sehr gute Korrelationen mit Bestimmtheitsmaßen von R2 > 0,9 ergaben.

Auch die Ergebnisse aus Süddeutschland zeigten, dass die Korrelationen beider Sensoren mit den Laborwerten je nach Art der Gülle variierten, die Korrelationen bei NH4-N aber eher im unteren Bereich lagen. Kalium konnte dort in Rindergüllen genauer geschätzt werden als in Schweinegüllen oder Gärresten. Die besten Ergebnisse zeigten sich in Süddeutschland ebenfalls bei der Trockensubstanz.

Über die deutlich bessere Übereinstimmung zwischen NIRS- und Labor-Werte für Süddeutschland lässt sich nur spekulieren. So könnten die für die Kalibrierung der NIRS-Sensoren verwendeten Gülleproben vermehrt von süddeutschen Betrieben stammen.

Prüfprozess für im Praxiseinsatz befindliche NIRS-Sensoren

Stationäre Messstation für die wiederkehrende Prüfung von NIRS-Sensoren.
Bild: Diana Andrade

Die Einsatzbedingungen auf landwirtschaftlichen Betrieben stellen enorme Herausforderungen an die Robustheit von NIRS-Sensoren:

  • Temperaturschwankungen im Jahresverlauf,
  • starke Vibrationen,
  • Staub und
  • Feuchtigkeit.

Daher sollten diese Geräte stets gut gewartet werden und – vergleichbar zur verpflichtenden Prüfung von Pflanzenschutzgeräten („Spritzen-TÜV“) – regelmäßig von einer unabhängigen Institution geprüft werden. Einer der Projektpartner, die Landesanstalt für Landwirtschaft in Freising, hat ein solches Prüfverfahren entwickelt. Grundbaustein dieses Qualitäts­sicherungssystems für die Überprüfung von in der Praxis eingesetzten NIRS-Sensoren zur Online-Messung der Nährstoff- und Trockensubstanzgehalte in flüssigen Wirt­schafts­düngern ist eine spezielle, stationäre Messstation. Diese Messstation schafft optimale Bedingungen, um flüssige Wirtschafts­dünger unter praxisnahen, aber standardisierten und daher ­vergleichbaren Bedingungen zu untersuchen.

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In einer Vielzahl von Messreihen mit NIRS-Sensoren von drei verschiedenen Herstellern wurde der exakte Ablauf einer solchen Prüfung optimiert. Die Aus­wertung der in dieser Messstation erhobenen Daten ergab keine signifikanten Unterschiede in der Wiederholbarkeit der Messergebnisse in Bezug auf Hersteller, Wirtschafts­dünger­art oder Nährstoff- und Trockenmassegehalt. Weiterhin wurde basierend auf diesen Auswertungen festgelegt, dass Ab­weichungen über 20 % zum Vergleichssensor eines Herstellers (auch als „Goldsensor“ bezeichnet) als nicht ausreichend einzustufen sind und dann eine technische Überprüfung des betroffenen NIRS-Sensors durch den Hersteller zu empfehlen ist.

Der Durchschnitt der Abweichungen zu dem rotierend als „Gold-Sensor“ geprüften NIRS-Sen­sor für jeden der jeweils anderen Sensoren des gleichen Herstellers über alle Messreihen hinweg lag bei maximal 6 %. Diese Ergebnisse belegen die sehr gute Reproduzierbarkeit und Wiederholbarkeit der Messwerte in der stationären Messstation. Dies bestätigt darüber hinaus, dass jeder Hersteller NIRS-Sensoren anbieten kann, die zu vergleichbaren Messdaten und Spektren führen. Entscheidend für den Einsatz in der Praxis ist daher vor allem die Kalibrierung des vom Hersteller zur Verfügung gestellten Modells, mit dem aus den NIRS-Werten die Trockensubstanz- und Nährstoffgehalte geschätzt werden.

Was ist zukünftig für die Praxis zu erwarten?

Die Bestimmung der Nährstoff- und Trockenmassegehalte in flüssigen Wirtschaftsdüngern durch Verwendung von mobilen NIRS-Sensoren bietet eine Reihe von Vorteilen für die Land­wirt­schaft. Dazu zählen die direkte Verfügbarkeit der Ergebnisse, die gute Dokumentation und die Tatsache, dass keine separate Be­probung nötig ist, da online gemessen wird. Um die Akzeptanz bei Landwirtinnen und Landwirten zu erhöhen oder auch die Anerkennung im Rahmen des gesetzlichen Regelungs­bereichs zu erreichen, muss jedoch die Vergleichbarkeit zu Labordaten verbessert werden.

Das Projekt „NIRS-QS“

Das Projekt „NIRS-QS“ wurde von folgenden Partnerinstitutionen im Rahmen des Bundesprogrammes „Nährstoffmanagement“ als Teil der Ackerbaustrategie 2035 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft beantragt und durchgeführt:

  • Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, Institut für Landtechnik und Tierhaltung (Susanne Höcherl und Diana Andrade)
  • Landwirtschaftliche Lehranstalten Triesdorf (Markus Heinz, Dr. Michael Tröster, Marco Hauf, Markus König]
  • Hochschule Osnabrück, Abteilung Pflanzenernährung und Pflanzenbau (H.-W. Olfs und Charlotte Höpker)
  • LUFA Nord-West, Institut für Düngemittel und Saatgut (Frank Lorenz)

Letzte Aktualisierung 24.06.2024

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