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Interessante Einblicke in die familiäre Lebenswelt auf deutschen Landwirtschaftsbetrieben schafft eine Onlinebefragung von 7.345 Frauen, die für die Studie „Lebens- und Arbeitssituation von Frauen in der Landwirtschaft“ durchgeführt wurde. Laut der Landwirtschaftszählung 2020 arbeiten in Deutschland rund 335.400 Frauen in der Landwirtschaft und besetzen dabei unterschiedliche Positionen. In oben genannter Befragung gaben beispielsweise 48 Prozent der Frauen als Position „(Ehe-)Partnerin der Betriebsleitung“ an, 19 Prozent „anderes weibliches Familienmitglied“ und 19 Prozent Betriebsleiterin/Geschäftsführerin. Für genau diese Frauen gilt es, die Themen Job und Privatleben bestmöglich zu vereinbaren – keine leichte Aufgabe, wie die Ergebnisse der Studie zeigen.
Das Leben auf dem Hof scheint für viele Frauen nicht immer geplant gewesen zu sein. Zwar gaben zwei Drittel der Befragten an, auf einem landwirtschaftlichen Betrieb aufgewachsen zu sein. Knapp 47 Prozent stellten jedoch auch fest, „aus Liebe zum Partner/zur Partnerin“ in die Landwirtschaft gegangen zu sein. Das kann beispielsweise so aussehen, dass der familiäre Betrieb von einem Geschwisterkind übernommen wurde oder die Frau sich einer anderen Ausbildung widmete – trotzdem aber durch ihren Partner oder die Partnerin in der Landwirtschaft tätig wird.
Ist die Entscheidung für den Hof gefallen, kommen insbesondere bei den Partnerinnen der Betriebsleitung und bei Betriebsleiterinnen mehrere Herausforderungen zusammen: Die Arbeit und hohe Verantwortung im Betrieb, aber auch Fragen der Familiengründung und -betreuung, oft noch kombiniert mit dem Zusammenleben mehrerer Generationen auf dem Hof. Die Nähe von Job und Familie und Möglichkeiten der familiären Unterstützung im Haus könnten vermuten lassen, dass sich hier durchaus Chancen bieten. Doch wie sieht die Realität aus, welche Familienmodelle gibt es? Was klappt gut und wo lauern Herausforderungen und Probleme?
Was im städtischen Umfeld kaum zu finden ist, ist auf vielen landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland noch gelebte Realität: das Leben mit mehreren Generationen auf einem Hof. Dies spiegelt sich auch in den Befragungsergebnissen wider. Rund zwei Drittel der Befragten leben mit den Altenteilern zusammen. Nur 16,8 Prozent gaben an, nur eine Generation im Haushalt zu sein. Ein gemeinsames Dach bedeutet nicht unbedingt auch ein gemeinsames Leben, so berichteten 55 Prozent der Frauen, dass sie in einem eigenen Haus beziehungsweise einer eigenen Wohnung leben.
Allerdings scheinen hier viele Mischformen vorzukommen, was die Gestaltung des Zusammenlebens angeht, beispielsweise gemeinsame Küchen oder das gemeinsame Mittagessen. Was sich scheinbar nicht gut trennen lässt, sind Privatleben und Betrieb: 83 Prozent der Frauen gaben an, in der Landwirtschaft aktiv zu sein. Genauso viele üben jedoch auch Tätigkeiten in der Hauswirtschaft aus, nämlich die Essenszubereitung (80 Prozent), die Instandhaltung und Reinigung des Hauses (80 Prozent), Bewirtschaftung des Hausgartens (69 Prozent), Kinderbetreuung (59 Prozent) und Pflege von Familienangehörigen (44 Prozent).
Die Mehrheit der Frauen erhält dabei keine Unterstützung von außen und hat daher ein enormes Arbeitspensum zu absolvieren. Umso interessanter sind daher die Befragungsergebnisse zu den Themen Stress, Konflikte und Burn-out.
Auch hier gingen die Verantwortlichen der Studie in die Tiefe und stellten den Frauen Fragen, um einen Burn-out-Index zu ermitteln. Etwas mehr als die Hälfte der Befragten gab an, sich mehrmals pro Woche oder sogar immer müde zu fühlen und gut ein Drittel bezeichnete sich als körperlich oder emotional erschöpft.
Erschreckende 13 Prozent denken mehrmals pro Woche oder immer, dass sie „nicht mehr können“. Hier fielen insbesondere die Betriebsleiterinnen und Angestellten mit 57 Prozent auf. Bei den Werten für die Aussage „Ich kann nicht mehr“ liegt der Wert bei den (Ehe-)Partnerinnen der Betriebsleitung (14 Prozent) höher als insgesamt. Nach den Auswertungen der Befragungen sind rund 21 Prozent der Frauen als burnoutgefährdet einzustufen – eine Zahl, die alarmieren sollte. Doch was sorgt für Ängste und Stress?
Wichtige betriebliche Faktoren scheinen die Zukunft des Betriebes, der Betriebsschwerpunkt und das Image der Landwirtschaft, vor allem bei Frauen auf Milchvieh- oder Veredelungsbetrieben, zu sein. Die Vielfalt der Aufgaben hingegen wird als weniger belastend wahrgenommen.
Doch auch ein Blick auf die privateren Themen bringt neue Erkenntnisse: 46 Prozent der Frauen fühlt sich durch Generationskonflikte belastet, laut Aussagen der befragten Frauen insbesondere zwischen der betriebsleitenden Generation, vor allem bei Einheiratenden mit den Schwiegereltern, aber auch Streitereien mit den Hofnachfolgern oder weichenden Erben. Ebenfalls häufig genannt wurde die Pflege des Grundstücks und Betriebsgeländes sowie die Arbeit im Haushalt. Laut den Verantwortlichen der Studie könnten hier mangelnde Zeit und Wertschätzung für die geleisteten Aufgaben eine Rolle spielen.
Bei 40 Prozent der befragten Frauen leben drei oder mehr Kinder oder Jugendliche unter 18 Jahren auf dem Hof. Nur gut ein Viertel der Frauen lebt nicht mit Kindern im Haushalt zusammen. Damit liegen landwirtschaftliche Familien in Sachen Nachwuchs weit über dem Bundesdurchschnitt, wo ein Großteil der Familien laut statistischem Bundesamt nur ein oder zwei Kinder bekommt. Nur in rund 13 Prozent der Familien in Deutschland lebten 2022 drei oder mehr Kinder. Das positive familiäre Bild spiegelt sich darin wider, dass über 80 Prozent der befragten Frauen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie als gut bis sehr gut einschätzt.
Spannende Einblicke ermöglichten die befragten Frauen auch zum Thema Mutterschutz – einem bisher kaum untersuchten Gebiet. 58 Prozent der Frauen gaben an, in ihrer Zeit auf dem Betrieb Kinder geboren zu haben. Etwas mehr als die Hälfte der Frauen berichteten, dass sie ihr Arbeitspensum rund um die Geburt nicht geändert haben, knapp ein Drittel habe „etwas weniger“ gearbeitet. Nur 22 Prozent sagten aus, deutlich weniger oder gar nicht mehr gearbeitet zu haben, was einem klassischen Mutterschutz am nächsten kommt.
Trotzdem gaben über die Hälfte der Frauen an, dass die Aussage „Ich hatte in den ersten Wochen nach der Geburt genügend Zeit für mich und das Baby“ eher voll und ganz zutrifft. Dies könnte als positives Anzeichen für die räumliche Nähe von Privatleben und Job gezählt werden, die Raum für die persönliche Gestaltung des Alltags lässt.
Über zwei Drittel der Frauen wünschen sich allerdings mehr Zeit für ihre Partnerschaft, Zeit für sich selbst und für die (Enkel-)Kinder. Die fehlende Zeit kann in Zusammenhang gebracht werden mit den Urlaubstagen: Im Durchschnitt haben die befragten Frauen nur rund 11 Tage im Jahr Urlaub gemacht, 7 Prozent hatten keinen einzigen Urlaubstag. Dazu kommen noch die vielfältigen Aufgaben in der Landwirtschaft, die oft auch die Wochenenden einnehmen.
Trotz der teils hohen Belastung entscheiden sich viele Frauen bewusst für ein Leben auf dem Hof – und das aus guten Gründen. Das Arbeiten mit der Natur und Tieren schätzen rund drei Viertel der Befragten, genauso wie die Möglichkeit, unternehmerisch zu handeln und die freie Zeiteinteilung – ein Faktor, der in festen Angestelltenverhältnissen oft nicht gegeben ist. Auch die Wohnlage und die Begleitung der Entwicklung ihrer Kinder auf dem Betrieb punkten bei den Frauen. So gibt der Großteil der befragten Frauen an, überwiegend zufrieden mit dem eigenen Leben zu sein.
Die Kombination aus landwirtschaftlichem Betrieb und Privatleben stellt Frauen auf Höfen vor einige Herausforderungen und verursacht neben positiven Nebeneffekten oft auch nicht unerheblichen Stress. Betriebliche Sorgen wie das Image der Landwirtschaft, aber auch private Probleme wie Generationenkonflikte beschäftigen sie laut einer Umfrage. Um eine gute Balance zu finden, sollten Personen auf beginnende Erschöpfungszeichen achten und frühzeitig Gegenmaßnahmen ergreifen, wie beispielsweise in den Austausch mit ihrem Partner oder der Familie zu gehen.
Letzte Aktualisierung 04.07.2024