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Nachhaltigkeit in Landwirtschaft, Gartenbau und Weinbau Hessen zeigt wie es geht

Der Transformationsprozess der Agrar- und Ernährungswirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit ist in den letzten Jahren zunehmend im öffentlichen Diskurs zu finden. Doch was bedeutet die Auseinandersetzung mit der Thematik der Nachhaltigkeit auf der betrieblichen Umsetzungsebene?

Feldbegehung im Rahmen des Projekts zum Thema Dammkultur, Kooperation und Direktvermarktung
Bild: LLH

„Nachhaltigkeit bedeutet für uns, ein langfristiges und ganzheitliches Betriebskonzept zu entwickeln, Dinge auszuprobieren und neue Wege zu gehen“, so beschreibt es die Betriebsleiterin eines teilnehmenden Betriebs und setzt mit der Aussage genau da an, wo das Projekt „100 nachhaltige Bauernhöfe“ wirken will.

Seit 2021 wurden in das Projekt über 100 Betriebe aufgenommen. Die unterschiedlichsten Perspektiven von kleinen oder größeren, konventionell oder ökologisch wirtschaftenden, spezialisierten oder stark diversifizierten Betrieben auf bestehende Herausforderungen sowie bereits erfolgreich erprobte Lösungsansätze ist eine gewinnbringende Besonderheit im Projekt. Denn trotz der großen Unterschiede besteht das gemeinsame Ziel einer nachhaltigen Bewirtschaftung, welche unter anderem durch die Schlagwörter Enkeltauglichkeit, Regionalität, Naturschutz und Lebensqualität von den teilnehmenden Betrieben beschrieben wird.

100 nachhaltige Bauernhöfe

Im Projekt „100 nachhaltige Bauernhöfe“ setzen sich die teilnehmenden landwirtschaftlichen, garten- und weinbaulichen Erzeugerbetriebe aus Hessen mit der Frage auseinander, wie sie mehr Nachhaltigkeit, Klimaschutz und regionale Wertschöpfung auf ihrem Betrieb integrieren können. Besonders vorbildliche, nachhaltige Management- und Produktionssysteme in der Landwirtschaft sollen stärker in das Blickfeld der Gesellschaft gerückt werden.

Das Projekt richtet sich an alle hessischen Betriebe aus der Landwirtschaft, dem Gartenbau und Weinbau. Der Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) koordiniert das Projekt. Initiiert wurde es vom Hessischen Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (HMUKLV).

Zwei wesentliche Ziele des Projekts sind die Unterstützung einer systemischen Weiterentwicklung der Betriebsstrukturen sowie die Kommunikation von nachhaltigen Produktionssystemen nach außen. Gemeinsam wird erarbeitet:

  • „Was bedeutet Nachhaltigkeit in der hessischen Primärproduktion?“,
  • „Welche Systeme funktionieren und können auf andere Betriebe übertragen werden?“ und
  • „Wo besteht Unterstützungsbedarf, um zukünftig nachhaltiger zu wirtschaften?“.

Hierfür wurde ein Netzwerk an Betrieben aufgebaut, die sich aktiv mit der nachhaltigen Entwicklung ihres Betriebes auseinandersetzen und gegenseitig von ihren Stärken lernen wollen.

Welche Schwächen, aber vor allem, welche Stärken hat mein Betrieb?

Aspekte der Nachhaltigkeit
Bild: LLH

Schon bei den ersten Betriebsbesuchen wird deutlich, wie komplex Nachhaltigkeit im landwirtschaftlichen Kontext ist: Neben den verschiedenen Aspekten der Nachhaltigkeit (ökonomisch, ökologisch, sozial) bringt jeder Betrieb unter anderem unterschiedliche Betriebsschwerpunkte, standortbedingte Eigenschaften und Managementsysteme mit.

Gleichzeitig wird deutlich, dass die Betriebe über die letzten Jahrzehnte einen kritischen Blick für ihre Schwachstellen entwickelt haben und über diesen häufig vergessen, welche Stärken ihre Betriebe mitbringen. Eben diese gilt es aber im ersten Schritt zu erfassen und mit einer Nachhaltigkeitsbrille die positiven Wechselwirkungen auf andere Bereiche zu beleuchten. So können erste Stellschrauben identifiziert werden, um zukünftig auch Schwachstellen durch systemische Ansätze zu verbessern.

Welche Bereiche können sinnvoll verzahnt werden?

Eine allgemeingültige praxisnahe Aussage zu effektiven Stellschrauben ist im Bereich der nachhaltigen Landwirtschaft schwer möglich. Teilnehmende Betriebe zeigen, dass das gleiche Ziel einer nachhaltigen Betriebsentwicklung durch betriebsindividuelle Lösungsansätze für jeden Betrieb unternehmerisch gestaltet werden muss. Dabei hilft der Austausch mit Berufskolleginnen und –kollegen zu Querschnittsthemen, um den unterschiedlicher Fragestellungen gerecht zu werden. Das zeigen auch folgende Beispiele:

Ein teilnehmender Betrieb hat in den letzten Jahren durch den Anbau von Ackerbohnen seine Fruchtfolge erweitert und erzeugt so GVO-freies Futter für seine Schweinemast. Insbesondere die Aufbereitung der Ackerbohnen geht mit einem hohen Energiebedarf einher. Durch Photovoltaikanlagen auf den Stall- und Hallendächern wird ein Großteil der Energie vor Ort produziert. Das Energiemanagement ist darauf abgestimmt, die Aufbereitungsanlagen für die Ackerbohnen bei ausreichenden Energiespitzen durch die Photovoltaikanlagen einzuschalten.

Ein weiteres Beispiel zeigt sich auf einem anderen teilnehmenden Betrieb, der unterschiedliche Beschäftigungs- bzw. Beteiligungsmodelle und das Anlegen von Agroforstflächen über alternative Finanzierungsmodelle realisiert hat. Auf diesem Betrieb werden Menschen mit Beeinträchtigung in der landwirtschaftlichen Produktion beschäftigt. Außerdem werden interessierte Helferinnen und Helfer mit oder ohne landwirtschaftlichen Hintergrund bei Aktionstagen eingebunden.
So wird durch ein inklusives Arbeitsklima die arbeitsintensive Anlage von Agroforstflächen ermöglicht. Gleichzeitig werden durch die Beteiligungsmöglichkeit und eine Nähe zu fachfremden Personen, beispielsweise über Social Media, alternative Finanzierungsmodelle, wie Crowdfunding-Kampagnen, erschlossen und Bildungsarbeit geleistet.

Wie steht es um die Klimawirkung des eigenen Betriebs?

Eine aktive Auseinandersetzung mit der betriebseigenen Klimawirkung wird durch die Erstellung einer Klimabilanzierung ermöglicht. Im Projekt wird eine Klimabilanzierung im Rahmen der Klimaberatung vom LLH gefördert. Gemeinsam analysieren die Betriebsleitung und eine Beratungskraft, welche CO2-Ausstöße und -Kompensationen vorhanden sind. Aus diesen werden dann betriebsindividuelle Handlungsempfehlungen abgeleitet.

Durch die Optimierung von Betriebsprozessen wird nicht selten neben CO2 auch der Einsatz von externen Betriebsmitteln reduziert. Gleichzeitig wird die Betriebsleitung für klimarelevante Themen sensibilisiert und sprechfähig gemacht.

Welche neuen Wege können in der Produktion und Kommunikation genutzt werden?

Verbraucherkommunikation mit Einblick: Ein Besucherbereich mit großem Fenster zum Schweinestall ermöglicht es mit Vorurteilen aufzuräumen und Akzeptanz zu schaffen.
Bild: Johannes Guttenhöfer (Jojo TV)

Eine sich stetig wandelnde und anpassende Landwirtschaft beachtet die Anforderungen der Nachhaltigkeit schon seit Jahrzehnten und nicht erst, seitdem der Begriff der Nachhaltigkeit Einzug in öffentliche Diskussionen gefunden hat. Dennoch fordern zunehmende Wetterextreme die Betriebsleitungen punktuell zu einem schnelleren Umdenken, als die Generationen vor Ihnen.

Auch bei lang erprobten Bewirtschaftungssystemen gibt es Optimierungspotenziale, die beispielsweise durch neue technologische Möglichkeiten erschlossen werden können. Die teilnehmenden Betriebe bauen auf den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte auf und entwickeln auf dieser Grundlage Produktionssysteme und Kommunikationskanäle weiter.

Zum Beispiel lassen Projektbetriebe Interessierte in ihre alltägliche Praxis schauen und finden dafür innovative Wege. Auf einem Betrieb ermöglicht ein großes Besucherfenster mit angrenzendem Besucherraum den Einblick in ein geschlossenes System der Schweinehaltung. Dieses Beispiel zeigt, wie Investitionen in innovative Stalltechnik sinnvoll mit der Verbraucherinnen- und Verbraucherkommunikation verbunden werden können. So wird die Akzeptanz der landwirtschaftlichen Produktion in der Region gestärkt und Vorurteile gegenüber der Tierhaltung abgebaut.

Die Öffentlichkeitsarbeit ist für viele Betriebe ein zunehmend wichtiges Thema, ganz unabhängig vom Betriebskonzept. „Ich halte die Öffentlichkeitsarbeit für sehr wichtig für die Landwirtschaft, und zwar in allen Formen. Landwirtinnen und Landwirte müssen persönlich – zuhause und im Umfeld – immer wieder den Ist-Zustand der modernen Landwirtschaft erklären und zeigen: so wollen und so müssen wir heute wirtschaften“, äußert sich ein teilnehmender Betrieb.

Ein im Rahmen des Projekts entwickeltes Feldschild mit Informtionen zur Lupine.
Bild: LLH

Auch über gemeinsam erstellte Feldschilder werden Wissen aus der Praxis sowie Erfahrungen aus der Beratung aufebereitet und am Feldrand den vorbeikommenden Menschen angeboten.

Über kurze Videos vermitteln die „100 nachhaltigen Bauernhöfe“ online was sie unter Nachhaltigkeit verstehen, welche Nachhaltigkeitsansätze sie auf Ihrem Betrieb verfolgen und was dies ganz konkret in ihrem Arbeitsalltag bedeutet. Die Projekthomepage dient als Plattform für die Kommunikation zwischen den teilnehmenden Betrieben und Verbraucherinnen und Verbrauchern. Auf der Seite werden Betriebsportraits, Artikel und aktuelle Informationen zum Projekt und den Betrieben bereitgestellt. Links zu den Angeboten finden Sie unten.

Letzte Aktualisierung: 14.06.2023

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